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Damit Flüchtlinge nicht weiter unter freiem Himmel schlafen müssen, braucht Berlin weitere Unterkünfte. Nun könnte das IHK-Wohnheim Entlastung bringen.
© Paul Zinken

Flüchtlingskrise: Berliner IHK bietet Senat Wohnheim für Flüchtlinge an

Berlins Industrie- und Handelskammer betreibt seit den 1960er-Jahren in Charlottenburg ein Arbeiterwohnheim mit 240 Betten. Jetzt könnte es ein Flüchtlingsheim werden.

Einen Architekturdesignpreis hat dieses Hochhaus mutmaßlich noch nicht gewonnen, es war auch nie als Fünf-Sterne-Hotel konzipiert: Seit den 1960er Jahren betreibt die Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) in der Charlottenburger Reichsstraße 58 ein Arbeiterwohnheim. Es wurde seinerzeit errichtet als Dienstleistung für die Unternehmen West-Berlins, die kurzfristig Personal unterbringen mussten. Der Kammer liegt ein Beschluss der eigenen Vollversammlung vor, einen Käufer für diese Immobilie zu suchen. Schließlich gehört das Betreiben von Wohnheimen nicht zum Kerngeschäft der Kammer, anders als zu Zeiten der Teilung der Stadt gibt es auch Unterkünfte genug.

Mehr als 12 000 Unterstützer unterschreiben eine Petition

Am Freitag hat sich die Hauptgeschäftsführung der Kammer bereit erklärt, das Heim mit insgesamt 60 Wohnungen mit je vier abschließbaren Ein-Bett-Zimmern auch Flüchtlingen bereitzustellen. „Wir würden es begrüßen, wenn der Senat prüft, ob das Haus den Erfordernissen der Flüchtlingsunterbringung genügt“, sagte IHK-Sprecher Leif Erichsen auf Anfrage. Man könne sich auch ein „integratives Wohnmodell“ vorstellen, also eine gemischte Belegung mit Flüchtlingen und Nicht-Flüchtlingen.

Das IHK-Wohnheim in Reichsstrasse 58 in Berlin-Charlottenburg wurde in den 1960ern gebaut und soll eigentlich verkauft werden.
Das IHK-Wohnheim in Reichsstrasse 58 in Berlin-Charlottenburg wurde in den 1960ern gebaut und soll eigentlich verkauft werden.
© Mike Wolff

Den Impuls gab Christoph Huebner, Gründer des Start-ups Exmedio für digitale Nachlassverwaltung und Mitglied der IHK-Vollversammlung. Er hatte dem Gremium bereits im Januar einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet. Die Geschäftsführung hatte diesen damals mit Verweis auf den Senat abgelehnt, der nicht bereit gewesen sei, kurzfristige Monatsmietverträge abzuschließen. Mitte vergangener Woche unternahm Huebner aber einen neuen Anlauf. Er startete auf dem Online-Petitionsportal Change.org einen Aufruf – speziell gerichtet an die Unternehmer und IHK-Mitglieder Berlins. Bis Freitagnachmittag hatten mehr als 12 000 Nutzer die Petition unterstützt. Allerdings kann dort theoretisch jeder „unterschreiben“.

Derzeit zu 90 Prozent belegt

„Auch ich bin grundsätzlich dafür, dass die IHK das Heim verkauft. Aber da das über Jahre nicht geklappt hat und auch noch länger dauern dürfte, sollte die Kammer angesichts der Notlage tausender Menschen in Berlin ein Zeichen setzen und eine Vermietung unbürokratisch möglich machen“, sagt Huebner.

„Sein Aufruf läuft ins Leere“, sagt IHK-Sprecher Erichsen. Letztlich könne nur der Senat, konkret das zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso), entscheiden, ob er die Immobilie für Flüchtlinge anmieten wolle.

Derzeit ist das Haus mit den 240 Betten zu mehr als 90 Prozent belegt. Dort schlafen Arbeiter und Studenten, die jeweils nur Monatsverträge zur Miete abschließen. Das ist übliche Praxis seit der Gründung: Das Haus soll kurzfristig Unterkunft bieten, kein Dauerwohnhaus sein. Zudem erleichtern kurze Mietverträge einen Verkauf. Und der Prozess ist „weit fortgeschritten“, wie Erichsen sagte. Derzeit lägen Angebote von Firmen vor, die beim Verkauf beraten sollen.

Überschüsse sollen Flüchtlingen zugute kommen

287,50 Euro Monatsmiete kassiert das Heim für ein 11,5-Quadratmeter-Zimmer in einer WG, 299 Euro für 14 Quadratmeter. Wer nur eine Nacht bleibt, zahlt exakt 20,13 Euro zuzüglich 17,50 Endreinigung. Über die Jahre 2005 bis 2013 hatte die IHK mit der Bewirtschaftung des Hauses insgesamt 205 000 Euro Verlust gemacht. Gut möglich, dass sich das Wohnheim mit Zahlungen des Senats wirtschaftlicher betreiben ließe. „Bei eventuellen Überschüssen würde sich sicherlich anbieten, diese in Integrationsmaßnahmen wie Sprachkurse oder die Anerkennungsberatung zu stecken“, sagte Erichsen.

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