Berliner Wirtschaft: "Berlin wächst wie verrückt"
95 Prozent der Unternehmen beurteilen ihre wirtschaftliche Lage gut. Fachkräfte und Flächen fehlen.
Berlin - Die Berliner Wirtschaft entwickelt sich immer dynamischer. Der Indikator für die aktuelle Lageeinschätzung, der sich aus positiven und negativen Einschätzungen saldiert, ist im Vergleich zum Frühjahr um sechs Punkte gestiegen. 95 Prozent der Unternehmen beurteilen ihre Situation inzwischen als gut oder mindestens zufriedenstellend. Das ergab die jüngste Konjunkturumfrage von Handwerkskammer und Industrie- und Handelskammer (IHK) bei mehr als 1200 Unternehmen. Die Ergebnisse wurden am Mittwoch vorgestellt.
Beim Handwerk erreicht der Geschäftsklimaindex mit 139 Punkten einen Rekord. 66 Prozent der Unternehmen berichten über gute Geschäfte, lediglich fünf Prozent der Befragten klagen über einen eher schleppenden Auftragseingang. „Die Konjunktur im Handwerk ist wie der Sommer in diesem Jahr – der Sonnenschein am Himmel über Berlin hört einfach nicht auf. Die Geschäftsergebnisse und auch die Erwartungen sind so gut wie noch nie“, freute sich der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, Jürgen Wittke, bei der Vorstellung des Konjunkturberichts. „Der Baubereich im Handwerk boomt und ist einer der Konjunkturmotoren dieser Stadt. Berlin ist und bleibt eine Baustelle – und das ist auch gut so“, sagte der Handwerksgeschäftsführer. „Die Stadt wächst wie verrückt.“
Ähnlich äußerte sich Jan Eder, Hauptgeschäftsführer der IHK. „Die Unternehmen und ihre Märkte wachsen rasant.“ Das gelte für die meisten Betriebe und Branchen, vielleicht mit Ausnahme des Einzelhandels, wo es „konjunkturellen Gegenwind“ gebe. Ganz anders dagegen die Situation in den Hotels und Restaurants, die unter anderem vom Tourismus leben. Gut 70 Prozent der Unternehmen des Gastgewerbes profitierten von dem warmen und langen Sommer. Die Investitionsabsichten bewegen sich auch deshalb auf einem hohen Level. Und 87 Prozent der Unternehmen wollen ihre Mitarbeiterzahl mindestens konstant halten, acht Prozent wollen zusätzliche Arbeitskräfte einstellen und nur fünf Prozent der Hotels und Gaststätten gehen von einer sinkenden Mitarbeiterzahl in den nächsten Monaten aus.
Besonders gut ist die Situation auf dem Bau: 80 Prozent der Unternehmen berichten hier von guten Geschäften, bei lediglich einem Prozent der Betriebe läuft es schlecht. Angesichts der sehr guten Konjunkturlage zweifeln einige Unternehmen inzwischen, dass die Zukunft noch besser werden kann – daher gehen die Erwartungen leicht zurück und der Saldo aus positiven und negativen Einschätzungen sinkt um acht auf 15 Zähler.
Für alle Branchen ist die Situation auf dem Arbeitsmarkt das größte Risiko für die Zukunft. 74 Prozent der befragten Unternehmen sehen den Fachkräftmangel als Risiko für die weitere Geschäftsentwicklung – im vergangenen Jahr waren es dagegen „nur“ 62 Prozent. Dazu kommen zunehmend Engpässe bei Gewerbeimmobilien. „Diese Effekte summieren sich und gefährden mittelfristig den Aufschwung unserer Stadt“, sagte Eder. Der Senat müsse mehr in Infrastruktur und Bildung investieren, Gewerbeflächen sichern und entwickeln. „Sonst stößt der Konjunkturboom an seine Grenzen“, sagte der IHK-Chef.
Im Handel haben sich die Einschätzungen der Lage zum zweiten Mal in Folge leicht verschlechtert. Dementsprechend sinken auch die Investitionspläne. „Die Branche stellt sich auf unruhigere Zeiten ein, der Aufbau von Beschäftigung wird sich voraussichtlich verlangsamen“, heißt es dazu im Konjunkturbericht.
Die zuletzt gute Entwicklung der Exportwirtschaft wird gefährdet durch den anstehenden Ausstieg der Briten aus der EU. „Der Brexit ist ein Schwerpunktthema für die Berliner Wirtschaft“, sagte Eder. Großbritannien sei für die Berliner Industrie ein wichtiger Handelspartner. Im vergangenen Jahr exportierten Unternehmen der Hauptstadt 644 Millionen Euro in das Vereinigte Königreich.
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