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Das Geschäft mit geteilten Autos ist durch Corona eingebrochen.
© Alamy Stock Photo / Bob Daemmrich

Streit über Parkgebühren: Berlin überlässt Carsharing-Firmen in der Krise sich selbst

Die Berliner Verwaltung macht es Carsharing-Firmen in der Coronakrise schwer. Und gefährdet damit deren Existenz. Andere Großstädte gehen kulantere Wege.

Carsharing ist in Corona-Zeiten eine ambivalente Angelegenheit: Einerseits fühlen sich derzeit viele Menschen im Auto sicherer als in Bussen und Bahnen, andererseits werden Autos, die von vielen Nutzern geteilt werden, wegen der potenziellen Ansteckungsgefahr gemieden. Konsequenz: Der Carsharing-Markt ist eingebrochen. Verkehrspolitisch kann das nicht erwünscht sein, wird doch das Teilen von Fahrzeugen vor allem in den Ballungsräumen als Alternative zum eigenen Pkw gewollt und gefördert.

Im März gingen die Buchungszahlen um fast 50 Prozent zurück. „Im April hat sich die Situation eher noch verschlimmert“, sagt Gunnar Nehrke, Geschäftsführer des Branchenverbandes BCS, in dem gut 170 stationsbasierte Anbieter organisiert sind. Hinzu kommen die sogenannten Freefloater, also das stationsungebundene Carsharing. Zuletzt waren in Deutschland 2,3 Millionen Nutzer im Carsharing registriert und gut 25 000 Fahrzeuge im Angebot.

Zwar hat sich seit den Lockerungen die Lage wieder etwas entspannt. Doch die Unsicherheit bleibt. Während das Robert-Koch-Institut eine Gesundheitsgefahr durch Schmierinfektion in den Fahrzeugen nicht ausschließt, halten andere Experten die Nutzung von Carsharing- Autos für unbedenklich, wenn diese regelmäßig gereinigt und desinfiziert werden.

Siebenstellige Beträge für Parkgebühren

Für die Anbieter ist die Situation doppelt schwierig: Die Umsätze brechen weg, gleichzeitig steigen die Kosten – für die Reinigung, das Personal und für Parkgebühren. Letztere sind für die Unternehmen ein Ärgernis in Städten wie Berlin, wo auch Carsharingfirmen wie jeder Autofahrer die normalen Gebühren zahlen müssen, statt monatliche Pauschalen. Stehen die Autos länger, weil sie niemand nutzt, wird es teuer.

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„Wir zahlen in Berlin jeden Monat mehr als 100 Euro pro Auto an Parkgebühren“, sagte Oliver Mackprang, Geschäftsführer von Miles, im Gespräch mit dem Tagesspiegel. „Parkgebühren sind mit Abstand unser größter Kostenblock.“ Miles hat mehr als 1500 Autos in der Stadt im Angebot, bundesweit sind es 2000. Bei We-Share von VW spricht man ebenfalls von einem „deutlich siebenstelligen Euro-Betrag“ pro Jahr für die elektrische Flotte von 1500 Fahrzeugen in Berlin.

Die Ausnahmesituation bringt Firmen in Not. Der Branchenverband schließt nicht aus, dass etliche Anbieter die Coronakrise nicht überleben. Aber nicht nur kleine Unternehmen sind in Gefahr, auch die großen, konzerngebundenen Carsharer wie Sixt Share, We-Share oder Share-Now (BMW/Daimler) kommen in Schwierigkeiten.

Sixt berichtete am Mittwoch über den Geschäftsverlauf im ersten Quartal – und gibt sich optimistisch für die Nach-Corona-Zeit: „Wir erwarten eine weitere Zunahme der Nachfrage und werden die Anzahl der Fahrzeuge entsprechend nochmals erhöhen“, sagte Nico Gabriel, Bereichsvorstand Mobility Operations, dem Tagesspiegel.

Brief an den Michael Müller

Doch Corona ist noch nicht vorbei. Share-Now-Chef Olivier Reppert klagte Ende März in einem Brief an den Regierenden Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, die Pandemie und die Einschränkungen der individuellen Mobilität stellten das Unternehmen „vor große Herausforderungen“.

Die Anteilseigner Daimler und BMW hatten das Joint Venture schon vor Ausbruch der Pandemie neu aufstellen müssen, weil das Geschäft die Erwartungen enttäuscht hatte. Wertberichtigungen im dreistelligen Millionenbereich waren die Folge.

Reppert beklagt sich bei Müller vor allem über das Gebührenthema. „Höhere Parkgebühren auf der einen, geringere Einnahmen aufgrund niedrigerer Nutzungsfrequenz auf der anderen Seite führen zu einem täglich steigenden Druck auf unsere Liquidität“, heißt es in dem Brief, der dem Tagesspiegel vorliegt. Share-Now ist mit 2500 Fahrzeugen Marktführer.

Die Berliner Verwaltung lehnt Reduzierung der Parkgebühren ab

Reppert bittet den Regierenden um den Erlass der seit 1. März fälligen Parkgebühren und beruft sich auf die Härtefallklausel in der Landeshaushaltsordnung (§ 59 Abs. 1 Nr. 3). Die Einnahmeverluste könnten weder kompensiert noch nachgeholt werden. „Bitte folgen Sie dem Beispiel anderer Großstädte – wie Düsseldorf oder Wien – die in dieser schwierigen Situation auf die Erhebung von Parkgebühren vollständig verzichten“, appelliert der Share-Now- Chef an Müller.

Doch der Hilferuf verhallte. Die Berliner Verwaltung, insbesondere Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne), überlässt die Branche sich selbst. Auch ein gemeinsamer Brief von Share-Now, We-Share und Miles an die Senatsverwaltungen für Verkehr und Wirtschaft, in dem die Anbieter an die „wünschenswerten verkehrlichen und umweltmäßigen Entlastungswirkungen“ des Carsharings erinnern, blieb unbeantwortet.

Auf Nachfrage des Tagesspiegels teilte ein Sprecher von Günther am Mittwoch mit, eine Reduzierung oder der Erlass von Parkgebühren werde abgelehnt. Dies sei „weder im Normalbetrieb noch unter Pandemiebedingungen sinnvoll“. Parkkosten seien Mobilitätskosten des privaten Autoverkehrs. Der Flächenverbrauch durch Parkplätze werde über die geltenden Gebühren in Deutschland „kaum adäquat abgebildet, schon gar nicht im internationalen Vergleich“.

Eine Unterstützung der Carsharing-Branche, „von deren Erfolg sich auch die Senatsverwaltung verkehrsreduzierende Effekte in der Zukunft erhofft“, sollte nach Auffassung der Verkehrssenatorin im Rahmen eines Konjunkturprogramms diskutiert werden; „verkehrspolitische Sonderrechte“ lehne man ab, weil sie die falschen Anreize setzten. Reduziere der Senat die Gebühren für Carsharing-Autos, würde das Parken und der Parksuchverkehr in Wohnquartieren wieder für Nicht-Bewohner attraktiver.

Der Ärger über die Politik wächst

„Das ging völlig ins Leere, es gibt keinen Gesprächskanal“, bedauert ein We-Share- Sprecher den gemeinsamen Vorstoß mit den Wettbewerbern. „Vierrädrige Mobilität hat es sehr schwer in Berlin.“ Anders in Hamburg. Dort vereinbarte die Stadt eine unbürokratische Lösung mit den Carsharern. Sie können nun eine Pauschale von 900 Euro pro Jahr und Fahrzeug zahlen. Elektrische Carsharing-Fahrzeuge sind von den Parkgebühren befreit.

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In Berlin als wichtigstem deutschem Standort für das Carsharing mit mehr als 5000 Fahrzeugen, wächst der Ärger über die Politik. „Die Stadt präsentiert sich so gerne als Mobilitätsmetropole“, sagt Miles-Chef Mackprang. „Aber das Carsharinggesetz findet hier keine Anwendung.“

Die Verkehrsauslastung durch Carsharing ist umstritten

Das Ziel, 2020 profitabel zu werden, hat Miles aufgegeben. Als Anbieter von Freefloat-Carsharing finde man „kein Gehör“, obwohl sich durch die Novelle der Straßenverkehrsordnung, das Carsharinggesetz und das Elektromobilitätsgesetz „rechtssicher, relevante Verbesserungspotenziale ergeben würden“, hatten die drei Unternehmen an den Senat geschrieben. Das Gesetz erlaubt zum Beispiel Ausnahmen von der Erhebung von Parkgebühren.

Gunnar Nehrke vom Carsharing-Verband, dessen Mitglieder feste Stationen im nicht öffentlichen Raum nutzen und dafür Stellplatzmieten zahlen, hält es für verkehrspolitisch geboten, dass die Kommunen solche Carsharing-Angebote fördern, für die eine verkehrsentlastende Wirkung nachgewiesen ist. Für die Nutzung des öffentlichen Raums sollten alle Anbieter "in angemessener Weise" bezahlen. "Wenn Kommunen die Parkgebühren für Freefloating-Anbieter reduzieren oder erlassen, dann müssen sie aus Gründen der Gleichbehandlung auch die Stellplatzmieten von stationsbasierten Carsharing-Anbietern auf nicht-öffentlichen Flächen ganz oder teilweise übernehmen", sagt Nehrke.

Als Verkehrsträger „parallel zum öffentlichen Verkehr“, sei geteilte Mobilität generell sinnvoll. „Die Margen sind extrem niedrig – das Carsharing sollte in seinem Bestand gesichert werden.“

In einer früheren Version dieses Artikels wurde die Position des Carsharingverbands bcs missverständlich zitiert. Der bcs hält eine generelle Reduzierung von Parkegebühren nicht für verkehrspolitisch geboten.

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