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Schon beim Warnstreik verwaist: Eine Flugreisende steht in Berlin-Tegel an einem leeren Check-in-Schalter.
© Paul Zinken/dpa

Zum Start der ITB: Berlin-Reisende müssen mit Dauerstreik an Flughäfen rechnen

Ausgerechnet zum Start der weltgrößten Tourismusmesse ITB in Berlin (ab 8. März) könnten Berlins Flughäfen Tegel und Schönefeld wegen eines Streiks den Betrieb einstellen.

Reisende, die ab Mitte der kommenden Woche (6. bis 12. März 2017) von oder nach Berlin fliegen wollen oder müssen, sollten sich einen Plan B überlegen. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass der Flug ausfällt. An den Berliner Airports Tegel und Schönefeld ziehen die Bodendienstleister, ohne die kein Check-in funktioniert und ohne die weder Gepäck noch Passagiere in die Maschinen kommen, wahrscheinlich in den Arbeitskampf.

Am Freitag (3. März) will die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi das Ergebnis der Urabstimmung bekanntgeben. Votieren 75 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder für einen Arbeitsausstand, wird gestreikt. Das Quotum wird wohl erreicht, darauf deutet die hohe Beteiligung an Warnstreiks hin, die schon Anfang Februar die Berliner Flughäfen außer Betrieb nahmen.

Der Streik könnte mehrere Tage dauern

Nach der Urabstimmung befasst sich am Dienstag (7. März) die Tarifkommission der Gewerkschaft mit der Situation. Entweder gibt es bis dahin doch noch eine Verständigung mit den Arbeitgebern, worauf im Moment nichts hindeutet, oder es wird für Mittwoch oder spätestens Donnerstag der Streikbeginn festgelegt. Am Mittwoch öffnet auf dem Gelände unterm Berliner Funkturm die weltgrößte Tourismusmesse ITB ihre Tore. Und diesmal droht eben nicht mehr die Einstellung des Flugbetriebs für ein paar Stunden, sondern unbefristet beziehungsweise bis zu neuen Verhandlungen über einen Tarif.

Verdi fordert für die gut 2000 Beschäftigten in Tegel und Schönefeld eine Erhöhung des Stundenlohns von durchschnittlich elf auf zwölf Euro bei einer Laufzeit des neuen Vertrags von zwölf Monaten. Die Arbeitgeber bieten nach eigenen Angaben eine schrittweise Erhöhung um rund einen Euro an – allerdings soll der neue Tarif dann vier Jahre gelten. Verdi begründet die Forderung mit der hohen Arbeitsverdichtung und -belastung im Zuge des erheblich gestiegenen Fluggastaufkommens an den Berliner Flughäfen. Die Arbeitgeber dagegen verweisen auf die schwierige Situation der Bodendienstleistungsfirmen, die „alle seit der letzten Tarifrunde rote Zahlen schreiben“.

Unmut durch die Privatisierung ab 2008

Bis 2008 wurden die Bodenleistungen der Berliner Flughäfen von den Beschäftigten der Globe Ground erledigt, eine Tochter der Flughafengesellschaft und der Lufthansa. Die Länder Berlin und Brandenburg entschieden sich damals für eine Privatisierung der Globe Ground, die daraufhin vom Gebäude- und Industriedienstleister Wisag übernommen wurde. Heute sind eine Handvoll Unternehmen auf den beiden Flughäfen tätig. Neben der Wisag mit derzeit rund 1000 Beschäftigten sind das die Aeroground Berlin GmbH (600 Mitarbeiter), eine Tochter des Flughafens München, die Ground Solution (200 Mitarbeiter), die auch mit der Wisag verbunden ist, sowie die AHS mit knapp 100 und die Swissport mit zwei Dutzend Mitarbeitern. Swissport ist der weltweit größte Abfertiger, der vor allem das künftige Geschäft auf dem BER im Blick hat.

Ein Flughafenmitarbeiter wirft in Berlin während einer Urabstimmung der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi über einen unbefristeten Streik des Bodenpersonals der Flughäfen Berlin-Brandenburg am Flughafen Tegel seinen Wahlzettel in eine Urne.
Ein Flughafenmitarbeiter wirft in Berlin während einer Urabstimmung der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi über einen unbefristeten Streik des Bodenpersonals der Flughäfen Berlin-Brandenburg am Flughafen Tegel seinen Wahlzettel in eine Urne.
© Gregor Fischer/dpa

„Die Gesamthöhe der Forderungen ist irrational und von den Unternehmen nicht leistbar“, heißt es bei den fünf Firmen. Ein wenig Verständnis für diese Haltung hat sogar Enrico Rümker, der für Verdi die Verhandlungen führt. Am Ende der Nahrungskette säßen die Bodendienstleister mit ihren mehr oder weniger schlecht bezahlten Mitarbeitern. Die Kette beginnt mit den Kunden, die in den vergangenen 15 Jahren, auch bedingt durch die Billigflieger, immer weniger für einen Flug gezahlt haben.

Die Fluggesellschaften geraten dadurch unter Druck und geben den weiter an die Flughäfen und die Flughäfen wiederum an die Abfertiger. „Irgendeiner muss für das billige Flugticket zahlen“, sagt Rümker und denkt dabei an seine Mitglieder.

Berliner Angestellte besser dran als die in Stuttgart

Wenn die am Check-In-Schalter arbeiten, gibt es 10,80 Euro; wer im Keller die Koffer schleppt, der kommt auf 10,30 Euro. Elf bis 12,90 Euro erhalten die Personen, die auf dem Flugfeld und quasi direkt am Flugzeug arbeiten. Mit diesen Stundenlöhnen sind die Beschäftigten in Tegel und Schönefeld deutlich besser dran als in Stuttgart, wo nur der Mindestlohn gezahlt wird. Mindestens so viel gezahlt wie in Berlin wird Rümker zufolge in Frankfurt, wo die Bodendienste noch zum Flughafenbetreiber Fraport gehören. „Berlin ist der einzige Flughafen, der privatisiert hat“, sagt der Verdi-Mann. Mit teuren Folgen für die Beschäftigten, die 200 bis 400 Euro weniger verdienen würden als vor der Privatisierung.

Es ist eine Schande, dass denjenigen, die den überlasteten Flughafen Tegel - und damit den gesamten Luftverkehr in Berlin - am Laufen halten eine relativ moderate Lohnerhöhung verweigert wird, während gleichzeitig Mio. durch das Missmanagement am BER verbraten werden.

schreibt NutzerIn Gryps

Immerhin müssen die Unternehmen ihren Leuten Tarif zahlen – das ist Voraussetzung für die Lizenz, die es für einen Betrieb am Flughafen braucht. Der Arbeitsort ist sensibel, es gibt spezielle Sicherheitsanforderungen. Doch inzwischen sind die Personalengpässe so groß, dass die erforderlichen Sicherheitsausweise relativ einfach online beantragt werden können. Im Ergebnis, so berichtet Rümker, gibt es häufiger Personal auf dem Vorfeld, das kaum Deutsch spricht. Rund zehn Prozent der Stellen der Abfertiger können angeblich nicht besetzt werden, die Firmen haben nach Angaben von Verdi derzeit mehr als 300 Leiharbeiter in Tegel und Schönefeld im Einsatz. Als Streikbrecher dürfen die übrigens nicht eingesetzt werden - das verbietet der Tarifvertrag.

Bei Air Berlin, der größten Kundin der Berliner Flughäfen, hat man „kein Verständnis“ für die Androhungen von Verdi, sagt Ralf Kunkel, neuerdings Sprecher der Airline. „Ausgerechnet zur ITB, wenn die ganze Welt auf Berlin blickt, ist dieser Streik überflüssig. Wir erwarten eine Lösung am Verhandlungstisch, nicht auf dem Rücken der Passagiere.“

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