Streik an Berliner Flughäfen: Dichtes Gedränge - viele Flüge gestrichen
Seit dem frühen Mittwochmorgen streikt auf den Berliner Flughäfen das Bodenpersonal. In Schönefeld fühlen sich Passagiere schlecht informiert. Und dann ist da noch die Sache mit den Trillerpfeifen.
An den Flughäfen Tegel und Schönefeld haben am Mittwoch Warnstreiks des Bodenpersonals begonnen. Wegen Arbeitsniederlegungen wurden zwischen 5 und 11 Uhr in Tegel und Schönefeld kaum Flugzeuge abgefertigt, wie ein Verdi-Sprecher am Morgen sagte. Die Fluggesellschaften haben allein 71 Abflüge von der Hauptstadt aus gestrichen, die meisten anderen Verbindungen gelten als verspätet. Nach Auskunft von Flughafen-Sprecher Daniel Tolksdorf fallen insgesamt - Start und Landungen zusammengerechnet - 137 Flüge aus, davon 115 in Tegel und 22 in Schönefeld. Es gebe aber auch den restlichen Tag über wohl noch Verspätungen, hieß es aus der Flughafen-Pressestelle. Tolksdorf sagte, die Passagiere seien von den Airlines und auch von der Flughafengesellschaft selbst, etwa über die Social-Media-Kanäle, gut informiert worden. Viele seien erst gar nicht zum Flughafen gekommen. "Das große Chaos ist ausgeblieben", sagte er. Passagiere können sich bei der Info-Hotline der Flughafengesellschaft unter Telefon 030-609 111 50 informieren. Sie war am Mittwochmorgen problemlos erreichbar.
Eine Tagesspiegel-Reporterin am Flughafen Schönefeld berichtet allerdings von durchaus chaotischen Szenen. In den Hallen des Flughafens stehen die Menschen dicht gedrängt, viele fühlen sich schlecht informiert. Lukas Schmidt etwa wollte eigentlich nach Köln fliegen. Für den Streik hat er Verständnis und findet es gut, dass Arbeitnehmer ihre Rechte wahrnehmen. Allerdings hätte er zumindest gern auf einer Bank ein wenig gedöst - was durch einen Ver.di-Demonstrationszug mit Trillerpfeifen verhindert wurde. So einen "Krawall" findet Schmidt, bei allem Verständnis, dann doch übertrieben. Holger Rößler, bei Verdi zuständig für den Bereich Luftverkehr, tut das zwar leid. Er sagte vor Ort aber auch: "So eine Demo findet nun einmal nicht im stillen Kämmerlein statt."
Passagier fühlen sich falsch informiert
Louis, ein Mittzwanziger, der eigentlich nach Budapest fliegen wollte, erzählt, dass er sich im Vorfeld bei der Airline erkundigt habe. Er habe die Auskunft bekommen, der Flug werde planmäßig starten. Daher sei er pünktlich zum vermeintlichen Abflug um 6:50 Uhr dagewesen - nur um dann doch am Boden zu bleiben. Er fuhr zwischendurch nach Hause, ist aber seit 9 Uhr wieder da - und hat "keinen Plan", wie es für ihn weitergeht.
Abgefertigt werden konnte am frühen Morgen in Berlin lediglich eine Air-Berlin-Maschine von Tegel nach Düsseldorf. Die Billigflieger Ryanair und Easyjet hatten die meisten Verbindungen auf nach 11.00 Uhr verschoben. So sollten vor allem internationale Routen wie nach Lissabon, London, Istanbul oder Oslo aufrechterhalten werden. „Etwa eine Handvoll Menschen arbeiten derzeit beim Bodenpersonal, das sind vor allem Führungskräfte“, sagte Verdi-Verhandlungsführer Enrico Rümker in Tegel. An dem Warnstreik beteiligten sich seinen Angaben zufolge an den beiden Hauptstadt-Flughäfen rund 550 Mitarbeiter.
Verdi-Vertreterin Katharina Wesenick sagte, Tegel sei wegen des Streiks "zwischen sechs und acht Uhr komplett vom Netz genommen" worden. Für Schönefeld gebe es entsprechende Überlegungen, Beratungen dazu liefen derzeit. Auf der Webseite der Berliner Flughäfen heißt es, es komme seit 5 und noch bis 11 Uhr zu starken Beeinträchtigungen. "Wir bitten alle Passagiere ausdrücklich, sich vor der Anreise bei Ihrer Fluggesellschaft über den aktuellen Flugstatus zu informieren." Ein Sprecher von Air Berlin sagte, die Fluggesellschaft müsse rund 60 Flüge von und nach Tegel in den sechs Stunden des Streiks streichen.
Keine Bahnfahrt - und keine Stornierung
Flugreisende müssen sich auf erhebliche Unannehmlichkeiten einstellen. Eine Air-Berlin-Kundin berichtete, die Linie habe ihr weder eine Bahnfahrt als Ersatz noch eine Stornierung des Flugs mit Rückerstattung des Ticketpreises zugestanden. Sie konnte lediglich auf einen späteren Flug umbuchen - ohne Garantie, dass dieser tatsächlich stattfindet.
Die Gewerkschaft Verdi hatte zu dem Warnstreik die Beschäftigten der Bodenverkehrsdienste an den beiden Flughäfen Tegel und Schönefeld aufgerufen. Mit der Aktion will die Gewerkschaft den Druck auf die Arbeitgeber in den derzeitigen Tarifverhandlungen erhöhen. Diese werden mit dem Allgemeinen Verband der Wirtschaft für Berlin und Brandenburg e.V. geführt. Auch in Hamburg und Stuttgart legten Flughafenmitarbeiter am Morgen die Arbeit nieder.
So ist die Lage in Stuttgart und Hamburg
In Stuttgart wurden am Morgen mehrere Flüge gestrichen, viele andere waren verspätet. Der Betreiber rief die Passagiere auf, mehr Zeit einzuplanen, möglichst online einzuchecken und sich auf Handgepäck zu beschränken. Die Arbeitsniederlegungen starteten hier mit der Frühschicht um 3.30 Uhr. In Hamburg begann der Verkehr trotz des Ausstands laut Verdi nach dem Start der Frühschicht um 4.00 Uhr zunächst planmäßig. Die ersten Flieger seien pünktlich abgehoben. Der Airport wolle die Auswirkungen auf den Flugverkehr so gering wie möglich halten, hieß es. Um den Personalmangel auszugleichen, seien Leiharbeiter eingesetzt worden. Laut Verdi nahmen rund 100 Mitarbeiter an den Aktionen teil. Dazu aufgerufen waren Beschäftigte der Flugzeug- und Gepäckabfertigung, des Terminal-Busverkehrs sowie der Reinigungsdienste.
Mehr als 2000 Beschäftigte von Tarifverhandlungen betroffen
Tätig sind in Tegel und Schönefeld mehr als 2000 Beschäftigte der Firmen WISAG mit ihren Tochter- und Subunternehmen, Aeroground Berlin GmbH mit ihrem Tochterunternehmen HSD, Swissport sowie Ground Solution Berlin GmbH und deren Tochterunternehmen und die Aviation Handling Service. Doch nicht alle der genannten Unternehmen sind von den Tarifverhandlungen und somit auch vom Warnstreik betroffen: Ein Sprecher der Firma Swissport sagte am Mittwoch, sein Unternehmen sei vom Warnstreik nicht betroffen.
Auch der Sprecher der Flughafen-Gesellschaft, Daniel Tolksdorf, geht von erheblichen Beeinträchtigungen aus. Er rät den Fluggästen, "sich auf jeden Fall vorher über den Flugstatus des geplanten Fluges zu informieren".
Verdi fordert einen Euro mehr pro Stunde
Verdi fordert bei einer Vertragslaufzeit von 12 Monaten eine Tariferhöhung von einem Euro pro Stunde. Ein Beschäftigter erhält nach Gewerkschaftsangaben zurzeit etwa elf Euro pro Stunde. Außerdem fordert Verdi ein verbessertes Tarifsystem und bessere Aufstiegsmöglichkeiten. Auch nach mehreren Verhandlungsrunden zeichne sich kein Ergebnis ab. Der Chef des Flughafenverbands ADV, Ralph Beisel, nannte die Aktionen unangemessen: „Es ist nicht hinzunehmen, dass Verdi die Flughäfen als öffentlichkeitswirksame Bühne zur Durchsetzung ihrer Forderungen schädigt und die Belange der Reisenden dabei völlig ausblendet.“
Die nächste Verhandlungsrunde findet am 10. Februar 2017 statt, also am Freitag.
In der kommenden Woche streikt der öffentliche Dienst
In der kommenden Woche rufen Verdi und die Bildungsgewerkschaft GEW alle Beschäftigten des Landes Berlin - aus Verwaltung, Kitas, Schulen und anderen Einrichtungen - im Rahmen der Tarifrunde für den öffentlichen Dienst zu ganztägigen Warnstreiks auf. Verdi beschränkt die Aktionen auf Dienstag, den 14. Februar, die GEW will darüber hinaus auch am Mittwoch streiken, sodass es Engpässe bei der Kinderbetreuung und in den Schulen geben kann. (mit dpa, AFP)