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Karsten Härle ist der Chef der Firma "Happy Tuesday" in der Waldemarstraße
© Doris Spiekermann-Klaas

Vor der Gamescom: Berlin ist die Indie-Hochburg der Spieleentwickler

Ab Mittwoch treffen sich Spieleentwickler und Zocker auf der Kölner Gamescom. Auch viele Berliner Unternehmen präsentieren sich. Die Hauptstadt ist attraktiv für kleine Studios.

Finstere, skurrile Gestalten wanken durch die Burggemäuer. In den Reihen der Untoten sieht man Skelette mit Schirm und Melone, Zombie-Omas mit Lockenwicklern und bucklige Sanitäter mit riesigen Giftspritzen. Fünf tapfere Helden stellen sich der Invasion entgegen: Von strategisch günstigen Punkten aus bekämpfen sie die Monster mit Armbrustbolzen und Feuerbällen.

Die Szene stammt aus „Haunted Island“, einem Spiel für Smartphones und Tablets, das gerade in Kreuzberg entsteht. Rund 25 Mitarbeiter hat die Firma Happy Tuesday, die in einem Hinterhof in der Waldemarstraße sitzt. 2011 gegründet, ist Happy Tuesday eines von mittlerweile zahlreichen Indie-Studios in der Hauptstadt. „Indie“ steht für „Independent“ und bedeutet, dass das Studio nicht von einem großen Spieleverlag abhängig ist, sondern seine Spiele selbst veröffentlicht – nicht als Kaufbox im Laden, sondern rein digital im Netz.

Frischen Wind ins angestaubte Genre bringen

„Haunted Island“ soll in den App-Stores von Apple und Google erscheinen. Wie die meisten Mobile Games wird es „free to play“ sein: Das Basisspiel ist dann gratis, die Nutzer bezahlen nur für Zusatzinhalte wie Waffen oder Rüstungen. Happy-Tuesday-Chef Karsten Härle glaubt, dass „Haunted Island“ frischen Wind ins leicht angestaubte Tower-Defense-Genre bringt: „Anders als üblich spielt man nicht mit statischen Verteidigungstürmen, sondern mit beweglichen Charakteren, die Erfahrungen sammeln und die man ausrüsten kann.“ Happy Tuesday will eine Geschichte erzählen, dem Genre mehr Persönlichkeit einhauchen.

Ein erstes öffentliches Schaulaufen hat „Haunted Island“ auf der Gamescom, die am Mittwoch in Köln beginnt. 2014 lockte die weltgrößte Computerspielmesse 335.000 Fans und Fachbesucher an – in diesem Jahr werden es wohl noch mehr, die Gamescom ist bereits weitgehend ausverkauft. „Haunted Island“ gastiert in der sogenannten Indie Arena, einem riesigen Messestand mit 42 Ausstellern. Mit von der Partie sind dort auch die Berliner Studios Maschinen-Mensch („The Curious Expedition“) und Spaces of Play („Future Unfolding“). Sie alle nutzen die Messe, um Geschäftskontakte zu knüpfen, sich mit anderen Entwicklern auszutauschen und Besucher-Feedback zu sammeln. Zugleich hoffen die „Indies“ auf mediale Aufmerksamkeit, etwa von Youtube-Stars, die mit ihren Let’s-Play-Videos bisweilen hunderttausende Spielefans erreichen.

Kleine Entwickler mit Spielverlagen zusammenbringen

Berlin ist in den letzten Jahren innerhalb Deutschlands zu einer Indie-Hochburg geworden. Immer mehr Entwickler gründen in der Hauptstadt eigene Kleinststudios, andere ziehen hierher – etwa das Ludwigsburger Studio Fizbin, das mit dem Rätselabenteuer „The Inner World“ 2014 den Deutschen Computerspielpreis (DCP) als „Bestes deutsches Spiel“ gewann. Studio Fizbin und Maschinen-Mensch sitzen jetzt ebenfalls in der Waldemarstraße, die Kollegen von Happy Tuesday haben ihnen Büroräume untervermietet. „Es ist natürlich ein Kompliment für die Berliner Entwicklerszene, wenn Hochkaräter aus anderen Städten hierherziehen“, sagt André Bernhardt, der die deutsche Independent-Szene wie kaum ein Zweiter kennt. Als „Indie Advisor“ hat Bernhardt eine Vermittlerrolle: Er unterstützt kleine Entwickler auf der Suche nach einem Spieleverlag – und berät umgekehrt auch Verlage, die auf der Suche nach frischen Inhalten sind.

In der Hauptstadt gibt es davon immer mehr: Die Studios tragen Namen wie Kunst-Stoff, Tinytouchtales, Black Pants, Brightside Games oder Jo-Mei. Doch woher kommt der Indie-Boom? „Ein Vorteil von Berlin sind die vergleichsweise niedrigen Lebenshaltungskosten“, sagt Bernhardt. „In einer Stadt wie München ist das Risiko deutlich höher, sich als Spieleentwickler selbstständig zu machen. Deshalb ist die Indie-Szene dort kleiner, die Entwickler streben eher eine Festanstellung bei großen Firmen an. Außerdem gibt es in Berlin mehr Hochschulen mit Games-Bezug.“ Er meint damit Einrichtungen wie die Games Academy, die Mediadesign Hochschule oder die HTW, an der man ebenfalls Game Design studieren kann.

Auch "Happy Tuesday" profitierte von Fördergeldern

Natürlich profitieren auch große Spielehersteller von den Bedingungen der Hauptstadtregion: Studios wie Wooga, King und Aeria Games beschäftigen hier mehrere hundert Mitarbeiter. Auch Spiele-Dienstleister wie Altagram und GameGenetics haben sich hier angesiedelt – zusammen mit einem guten Dutzend anderer Firmen sind sie auf dem Gamescom-Gemeinschaftsstand der Länder Berlin und Brandenburg vertreten. Organisiert wird der Messeauftritt vom Firmennetzwerk games.net, dem Medienboard und weiteren Partnern.

„Games sind mittlerweile ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg“, sagt Medienboard-Chef Elmar Giglinger. „Seit 2004 haben wir im Games-Bereich ein durchschnittliches jährliches Umsatzwachstum von 14 Prozent.“ Dieses Wachstum spiegelt sich auch in der International Games Week wider, zu der jedes Frühjahr mehr Fachbesucher nach Berlin kommen. Das parallel stattfindende Festival „A Maze.“ ist ein wichtiger Treffpunkt für Indie-Entwickler und -Fans.

Das Medienboard fördert Projekte mit rückzahlbaren Darlehen. Im letzten Jahr floss knapp eine halbe Million Euro in elf Spiele, in diesem Jahr wurde bereits eine ähnliche Summe bewilligt. Auch Happy Tuesday profitierte 2011 von den Fördergeldern, berichtet Geschäftsführer Härle: „Ohne das Medienboard hätten wir damals vielleicht gar nicht starten können.“ Aktuell finanziert sich das Studio unter anderem durch Auftragsarbeiten für Wooga, Innogames und die Hamburger Goodgames Studios, vor allem im grafischen Bereich.

Einmal pro Monat veranstaltet die Firma einen „Happy Tuesday“: Dann treffen sich Berliner Indie-Entwickler in der Waldemarstraße, um über ihre Projekte zu sprechen, zu spielen und zu feiern. Auch andere Veranstaltungsreihen, etwa „Talk and Play“ oder „Gamestorm“, stärken den Zusammenhalt der Branche. Dem Indie-Standort Berlin kann das nur guttun.

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