Insolvenzen: Berlin hat die meisten Pleiten
In keinem Bundesland gehen so viele Firmen pleite wie in Berlin. Insgesamt geht die Zahl der Insolvenzen von Unternehmen und Verbrauchern aber zurück. Der Trend dürfte aber nicht lange anhalten.
Air Berlin, Alno, Butlers, Solarworld: Mehrere bekannte Unternehmen haben in diesem Jahr mit ihrer Pleite für Schlagzeilen gesorgt. Insgesamt ist die Zahl der Firmeninsolvenzen in Deutschland allerdings auf den niedrigsten Stand seit 1994 gesunken. Gerade einmal 20 200 Unternehmen sind in diesem Jahr pleitegegangen, zeigt eine Auswertung der Wirtschaftsauskunftei Creditreform. Im Vergleich zum letzten Höchststand 2003 hat sich die Zahl der Unternehmensinsolvenzen damit halbiert. Viele Unternehmen profitierten von der weltweiten Nachfrage nach „Made in Germany“ und der Konsumfreude der Verbraucher, hieß es zur Begründung.
Trotz guter Konjunktur mussten in Berlin allerdings erneut besonders viele Unternehmen den Betrieb einstellen. Im Bundesländervergleich ist die Insolvenzquote in der Hauptstadt am höchsten: Hier kommen auf 10 000 Unternehmen 93, die Insolvenz anmelden mussten. In Baden-Württemberg sind dagegen nur 38 von 10 000 Firmen pleitegegangen. Zudem ist Berlin das einzige Bundesland, in dem die Insolvenzquote in diesem Jahr angestiegen ist. Auch gibt es in der Stadt besonders viele Mitarbeiter, die durch eine Pleite ihren Job verloren haben oder noch verlieren könnten. Das liegt vor allem an Air Berlin: Mit mehr als 8600 betroffenen Beschäftigten ist der Zusammenbruch der Fluggesellschaft die größte Insolvenz in Deutschland in den letzten Jahren.
198.000 Jobs sind verloren gegangen
Insgesamt sind durch Pleiten bundesweit in diesem Jahr 198.000 Arbeitsplätze weggefallen oder bedroht. Dabei ist der Jobverlust aber nur eine Folge der Insolvenz. Auch Handwerker, Lieferanten und Banken trifft es, wenn Firmen pleitegehen: Sie bleiben auf ihren Rechnungen und Krediten sitzen. Auf insgesamt 26,6 Milliarden Euro schätzt Creditreform die Schäden daher in diesem Jahr. Das sei wegen der Großpleiten nur geringfügig weniger als 2016 mit 27,5 Milliarden Euro. „Die Schäden, die Insolvenzen für die Gläubiger hervorrufen, sind nach wie vor immens“, sagte Volker Ulbricht, Hauptgeschäftsführer von Creditreform, am Dienstag.
Zwar rechnen die Experten angesichts der guten Aussichten für die Konjunktur 2018 mit einem weiteren Rückgang der Firmenpleiten auf 18 000 bis 20 000 Fälle. Sorgen bereitet den Experten aber die aus ihrer Sicht teils gefährlich hohe Verschuldung. „Im Durchschnitt sind – insbesondere im Mittelstand – rund zwei Drittel der Vermögenswerte mit Fremdkapital finanziert“, erklärte Creditreform. Trotz historisch niedriger Kreditzinsen und einer allgemein guten Ertragslage seien 15 Prozent der Unternehmen nicht in der Lage, ihre Zinsaufwendungen aus dem Tagesgeschäft zu finanzieren. Daher bestehe durchaus das Risiko, dass diese Firmen irgendwann ihre Schulden nicht mehr bedienen können. Wenn die Zinsen im Euro-Raum wieder steigen, würde das den Druck noch erhöhen. „Heute überleben viele Unternehmen, weil die Zinskosten so niedrig sind. Wenn die Zinskosten steigen, wird das Überleben schwieriger“, warnt Ulbricht.
Experten rechnen mit einer Trendwende
Nach einer ebenfalls am Dienstag veröffentlichten Analyse der Wirtschaftsauskunftei Crifbürgel werden fast 312.000 Unternehmen in Deutschland mit finanziellen Problemen ins Jahr 2018 starten. „Trotz der guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Unternehmen stieg die Zahl der Firmen mit einem hohen Zahlungsausfallrisiko“, sagte Crifbürgel-Geschäftsführerin Ingrid Riehl. Daher müsse man sich wohl auf eine Trendwende bei den Insolvenzen einstellen.
Besser sieht es dagegen bei den Verbrauchern aus. Weil die Arbeitslosigkeit niedrig und die Einkommenssituation gut ist, mussten in diesem Jahr weniger Menschen Privatinsolvenz anmelden. Die Zahl ging um mehr als 15 Prozent zurück auf 65 535. Fraglich ist allerdings ebenfalls, wie lange dieser Positivtrend anhält. Schon jetzt sind allein in Berlin 370.000 Menschen überschuldet. Bei ihnen reicht das monatliche Einkommen also trotz guter Konjunktur nicht aus, um ihre Ausgaben zu decken – und das regelmäßig. mit dpa