Prozess am Landgericht Essen: Bergführer aus Peru klagt wegen Klimawandels gegen RWE
Ein Bergführer aus den Anden sieht sein Haus durch schmelzende Gletscher bedroht. Er zieht gegen RWE vor Gericht. Doch kann man einzelne Unternehmen für globale Klimaphänomene verantwortlich machen?
Saul Lliuya ist Bauer und Bergführer und wohnt in den Anden im Westen Perus. Der 36-jährige Vater dreier Kinder fordert am Donnerstag vor dem Essener Landgericht mit RWE einen der größten Stromkonzerne Europas heraus. Dessen Kraftwerke trügen mit ihrem gewaltigen CO2-Ausstoß zum weltweiten Klimawandel bei, argumentiert der Kläger. Dafür müssten die Essener - auch Tausende Kilometer entfernt in Peru - finanzielle Verantwortung übernehmen.
Lliuya ist zu dem Prozess persönlich angereist. Er sieht sein Haus in den Anden in Huaraz etwa 450 Kilometer nördlich der Hauptstadt Lima gefährdet, weil der Klimawandel einen Gletscher zum Schmelzen bringe. Der Pegel des dortigen Bergsees steige und steige. Lliuya fürchtet eine katastrophale Flut, die sein Haus wegreißen könne. „Das ist eine Zeitbombe“, sagt seine Anwältin Roda Verheyen.
Der Kläger fordert 17 000 Euro für Schutzmaßnahmen der betroffenen Gemeinde oder wenigstens die 6300 Euro, die er für den Umbau seines eigenen Hauses für mehr Hochwassersicherheit ausgegeben hat. Er hat einen zweiten Stock auf das Haus gesetzt - für den Fall, dass das Wasser kommt.
RWE hält die Klage für unberechtigt. Bereits in den 1990er Jahren hätten Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht eine Haftung einzelner Anlagenbetreiber für allgemeine Luftverunreinigungen verneint, sagt eine Sprecherin. Der Klimawandel sei ein globales Problem, das auf staatlicher und internationaler Ebene gelöst werden müsse. Dafür dürfe man nicht einzelnen Unternehmen die Verantwortung zuschieben. Außerdem zahle RWE in den europäischen CO2-Zertifikatehandel zur Verringerung der Treibhausgase ein und investiere Milliarden in sparsamere neue Kraftwerke sowie erneuerbare Energien.
David gegen Goliath
Juristisch scheint ein Sieg des Klägers eher fraglich. Ähnliche Klima-Klagen sind in der Vergangenheit am Nachweis gescheitert, dass das beklagte Unternehmen tatsächlich konkret für mögliche Schäden verantwortlich sei. So wies der US Supreme Court 2013 eine Klage der Stadt Kivalina gegen ExxonMobil ab. Der Ölkonzern sollte nach Meinung der Kläger zahlen, weil die Stadt ihn für den Meeresspiegel-Anstieg und eine drohende Überflutung mitverantwortlich machte.
Der David-gegen-Goliath-Kampf des Peruaners fällt nun aber auch in eine Zeit, in der fossile Energien zunehmend kritisch gesehen werden. Spätestens seit der Weltklimakonferenz in Paris vor einem Jahr ist der Rückhalt für Kohle und Gas in Deutschland und teils auch im Ausland geschwunden.
Die Grünen forderten bei ihrem Bundesparteitag vor knapp zwei Wochen einen schnellen Kohleausstieg bis 2025, Kanada hat bereits den Ausstieg bis 2030 beschlossen. Unter dem Schlagwort „Divestment“ haben Investoren den Rückzug aus fossilen Engagements angekündigt - erst vor wenigen Tagen etwa die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland für ihre Institutionen. Städte wie Münster haben ähnliche Beschlüsse getroffen.
Der Essener Prozess könnte - wie immer er ausgeht - diese Diskussion verstärken, hofft der Chef der deutschen Umweltinitiative Germanwatch, Klaus Milke. „Es kann nicht sein, dass Menschen, die nicht zum Klimawandel beigetragen haben, nun ihre Lebensgrundlage verlieren“, meint die Grünen-Bundestagsabgeordnete Bärbel Höhn. Sie hoffe, dass der Kläger Recht bekomme. „Letztendlich brauchen wir eine politische Lösung, damit die Konzerne sich ihrer Verantwortung stellen.“ (dpa)