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Schicksalstag für den Vorstandsvorsitzenden Carsten Spohr: Die Aktionäre entscheiden am 25. Juni über das staatliche Hilfspaket.
© dpa

Schutzschirm statt Staatshilfe?: Bei der Lufthansa kommt es zum Showdown

Am Donnerstag entscheidet sich, ob das Rettungspaket greift - oder der Weg in die Insolvenz eingeschlagen wird.

Über den Schutzschirm hat Carsten Spohr schon vor Wochen laut nachgedacht. Gewissermaßen als Flankierung der sich hinziehenden Verhandlungen mit der Bundesregierung über staatliche Hilfen hatte der Lufthansa-Chef diese Alternative ins Spiel gebracht. Wenn der Staat kein Geld gibt, dann würde sich das Unternehmen eben dem sogenannten Schutzschirmverfahren unterwerfen. Das ist eine Vorstufe der Insolvenz, die der Gesetzgeber hierzulande 2012 geschaffen hat, um kriselnden Unternehmen die Sanierung zu erleichtern.

Mit der Bundesregierung und der EU-Kommission hatte sich Spohr Ende Mai geeinigt, nicht jedoch mit seinem größten Aktionär. Der Münchener Unternehmer Heinz Hermann Thiele (79), der mit Knorr-Bremse schwerreich geworden ist, hält 15,52 Prozent an der Lufthansa und kritisiert die Modalitäten der Staatshilfe, die unter anderem eine Beteiligung des Bundes an der Lufthansa in Höhe von 20 Prozent vorsieht.

Wenn Thiele aber am Donnerstag bei der außerordentlichen Hauptversammlung der Lufthansa gegen das Hilfspaket stimmt, dann erreicht Spohr nicht die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit, denn nur knapp 38 Prozent des Grundkapitals wird zugegen sein; mehr Aktionäre haben sich nicht für die virtuelle Hauptversammlung angemeldet.

"Es sieht nach einem Scheitern aus"

Die geringe Beteiligung der Aktionäre ist durchaus fahrlässig, denn es geht auch um ihr Geld: Im Schutzschirmverfahren und einer sich womöglich anschließenden Insolvenz könnten sie ihre Anlage verlieren, denn bevor Aktionäre in einem Insolvenzplan bedient werden, sind alle andere Gläubiger dran. Die Sorge um die weitere Entwicklung ist gut am Aktienkurs ablesbar: Mit der Einstellung des Flugbetriebes im März war der Anteilsschein der Airline abgeschmiert auf nur noch sieben Euro.

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Dann kam die Verständigung über staatlichen Hilfe und der Kurs stieg auf rund zwölf Euro. Es folgte ein neuer Abstieg, weil die Anleger Angst haben vor Donnerstag: Am Mittwoch notierte das Papier noch bei bei gut neun Euro. Im Konzern selbst hieß es am Mittwochnachmittag, "es sieht immer mehr danach aus, dass das Ganze scheitert".

Auf der Suche nach anderen Geldquellen

Ein Treffen von Spohr mit Thiele und den Bundesministern Olaf Scholz (Finanzen) und Peter Altmaier (Wirtschaft) war am Montag ergebnislos geblieben. Eventuell sei noch eine Lösung nach der Hauptversammlung möglich, die aber vor der Insolvenz, "die voraussichtlich nächste Woche droht", gefunden werden müsste.

Großaktionär Heinz Hermann Thiels lehnt das Rettungspaket ab. Wenn er dagegen stimmt, droht die Insolvenz.
Großaktionär Heinz Hermann Thiels lehnt das Rettungspaket ab. Wenn er dagegen stimmt, droht die Insolvenz.
© dpa

Die einfachste Lösung wäre eine Verringerung des vereinbarten Staatsanteils von 20 auf zehn Prozent - dafür bräuchte Spohr dann auch keine Zustimmung der Hauptversammlung. Das lehnt der Bund ab. "Wahrscheinlicher sind andere Finanzierungwege", hieß es zuletzt in Lufthansa-Kreisen. Sicher ist indes, dass die Kapitalmarktfähigkeit des Unternehmens in absehbarer Zeit nicht gegeben ist, zu verträglichen Bedingungen bekommt die Gruppe mit den diversen Fluglinien kein Geld auf dem Kapitalmarkt.

Deshalb waren die Hilfspakete mit den beteiligten Ländern Österreich (wegen Austrian Airlines), Schweiz (Swiss), Belgien (Brussels Airlines) und Deutschland (Lufthansa, Eurowings) ausgehandelt worden. Wenn die Hilfen nun nicht greifen und die Zahlungsunfähigkeit in Sicht ist, muss das Unternehmen Insolvenz anmelden. Oder sich eben unter den Schutzschirm begeben, den Spohr bereits vor Monaten verbal aufgespannt hat und für den er sich den Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz als Berater an Bord holte. Der Großaktionär Thiele lässt sich beraten vom früheren CSU-Politiker Peter Gauweiler.

Sanierung in Eigenverantwortung

Nach dem Vorbild des US-amerikanischen Chapter-11-Verfahrens hat der deutsche Gesetzgeber 2012 das Schutzschirmverfahren eingeführt. Der Name ist Programm: In dieser Vorstufe einer normalen Insolvenz wird das Unternehmen vor den Ansprüchen der Gläubiger geschützt. Und der Vorstand oder die Geschäftsführung bleiben die bestimmenden Akteure dieser Sanierung in Eigenverantwortung. Es gibt keinen von Gericht bestellten Insolvenzverwalter, der dann auch alle wichtigen Entscheidungen trifft, sondern nur einen Sachwalter, der die bisherige Führung gewissermaßen überwacht. Mehr nicht.

Viel geflogen wird nicht. Die meisten der 760 Flugzeuge des Lufthansa-Konzerns stehen noch immer am Boden.
Viel geflogen wird nicht. Die meisten der 760 Flugzeuge des Lufthansa-Konzerns stehen noch immer am Boden.
© dpa

Ein solches Verfahren hatten bereits Air Berlin und Condor (nach der Pleite von Thomas Cook) gewählt. Gerade in Fällen einer nicht selbst verschuldeten Krise bietet sich das Verfahren an, um ein eigentlich gesundes Unternehmen, das noch nicht zahlungsunfähig ist, durch das Liquiditätsloch zu steuern und vor der Zerschlagung und Teileverwertung im Rahmen einer klassischen Insolvenz zu bewahren.

Viele Vorteile für die Lufthansa

Die Vorteile für die Lufthansa-Führung: Die Personalkosten inklusive Sozialabgaben zahlt die Bundesagentur für Arbeit in Form des Insolvenzgeldes über drei Monate. Der Konzern könnte sich ferner der Pensionsverpflichtungen entledigen, die dann vom Pensionssicherungsverein übernommen werden müssen. Die Lufthansa bekommt Sonderkündigungsrechte und könnte somit von der Verpflichtung, bereits bestellte Flugzeuge von Airbus und Boeing abzunehmen, ohne Konventionalstrafe zurücktreten.

Man ist nicht nicht an Tarifverträge und Beschäftigungssicherungsklauseln gebunden, sodass sich der avisierte Abbau von rund 22.000 der weltweit 138.000 Arbeitsplätze leichter umsetzen ließe. Dazu könnten Leasing- und Treibstoffsicherungsverträge neu verhandelt werden; allein der erheblich gefallene Ölpreis hat die Lufthansa aufgrund der Preissicherungsverträge im ersten Quartal viele hundert Millionen Euro gekostet. Schließlich würde unter dem Schutzschirm die Erstattung von Ticketpreisen hinfällig. Seit Wochen gibt es Ärger, weil die Lufthansa nicht in der Lage ist, bis zu 1,8 Milliarden Euro an ihre Kunden für nicht abgeflogene Tickets zurückzuzahlen. Als die Condor unter dem Schutzschirm landete, gab es kein Geld zurück, sondern die Tickets mussten für andere Condor-Flüge genutzt werden.

Die Aktionäre stehen ganz hinten

Häufig mündet das Schutzschirmverfahren nach drei Monaten in einer regulären Insolvenz. Spätestens dann muss der Gläubigerausschuss sich auf einen Insolvenzplan einigen, denn das Hauptziel der Insolvenz ist die Versorgung der Gläubiger aus der Insolvenzmasse. Die Aktionäre bekommen erst Geld, wenn alle anderen Gläubiger bedient wurden. Das weiß auch Großinvestor Thiele. Vermutlich hofft er auf eine Lösung in seinem Sinne in den Monaten unter dem Schutzschirm.

Eine Insolvenz des Konzerns mit seinen hunderten Gesellschaften wäre extrem kompliziert und risikoreich. Denn wenn dann ein russischer oder chinesischer oder saudischer Investor käme und ein paar Milliarden für die Lufthansa bietet, müsste der Insolvenzverwalter verkaufen, weil das für die Gläubiger die beste Lösung wäre. Und die Deutsche Lufthansa, in den 1950er-Jahren als Staatsairline gegründet und endgültig über die Börse Ende der 1990er-Jahre privatisiert, wäre Geschichte.

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