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Am Boden. Eine Einigung von Lufthansa und Gewerkschaften ist nicht in Sicht.
© Imago/Lexx Rayton

Verhandlungen über Corona-Sparplan: 22.000 Stellen bei der Lufthansa in Gefahr

Die Zeit drängt bis zur Hauptversammlung, die über das Rettungspaket für die Lufthansa entscheiden soll. Für viele Beschäftigte sieht es düster aus.

Lufthansa und die Gewerkschaften ringen weiter um ein Sparpaket für die durch die Coronavirus-Krise angeschlagene Fluggesellschaft. Tausende Stellen stehen auf der Kippe. Lufthansa bezifferte den rechnerischen Überhang auf 22.000 Vollzeitstellen, wie das Unternehmen am Mittwoch nach einem Tarifgipfel mit den Gewerkschaften Vereinigung Cockpit, Ufo und Verdi mitteilte.

Zuletzt war von deutlich mehr als 10.000 Stellen die Rede. Ziel sei es, durch Kurzarbeit und Krisenvereinbarungen möglichst betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden, erklärte Lufthansa. Wie Verdi erklärte, verlangt das Unternehmen Lohnkürzungen, Abstriche beim Geld für Kurzarbeiter, bei Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie einen Verzicht auf Tariferhöhungen.

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„Ohne signifikante Senkung der Personalkosten während der Krise verpassen wir die Chance eines besseren Restarts aus der Krise und riskieren, dass die Lufthansa Group deutlich geschwächt aus der Krise hervorgeht“, sagte Personal-Vorstand Michael Niggemann. Man setze alles daran, mit den Tarifpartnern bis zum 22. Juni 2020 zu konkreten Ergebnissen zu kommen.

Lufthansa rechnet damit, dass die Erholung der Nachfrage im Luftverkehr nur langsam verläuft. Sie geht davon aus, dass die Flotte der Lufthansa Group nach der Krise rund 100 Flugzeuge weniger zählen wird. Hinzu kämen Überhänge in der Verwaltung und im Drittkundengeschäft der Servicegesellschaften.

Die Flugbegleitergewerkschaft Ufo betonte, sie sei bereit, bis zur außerordentlichen Hauptversammlung am 25. Juni eine Lösung zu erreichen. Zugleich forderte sie: „Die Mitarbeiter aller Airlines des Konzerns müssen einen Kündigungsschutz bekommen und daran glauben, dass das Management endlich einen gemeinsamen Kurs geht.“ Ufo zufolge entspricht der rechnerische Überhang 26.000 Arbeitsplätzen.

„Es ist gut, dass wir uns heute so intensiv ausgetauscht haben. Allerdings hat es sich gezeigt, dass ein gemeinsamer Kraftakt noch in sehr weiter Ferne ist“, sagte der Ufo-Vorsitzende Daniel Flohr. Ufo hat bislang eine Nullrunde für dieses Jahr und die Absenkung des Stundenzuschlags für besonders lange Flüge angeboten.

Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit bekräftigte ihre Bereitschaft zu Zugeständnissen in Höhe von 350 Millionen Euro. Für den einzelnen Piloten bedeute dies einen Gehaltsverzicht von bis zu 45 Prozent.

„Im Gegenzug erwarten wir einzig vom Konzernvorstand, dass er sich zu seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bekennt“, erklärte VC-Präsident Markus Wahl. Eine Verwendung des Beitrags zur Auslagerung von Arbeitsplätzen zu schlechteren Bedingungen wäre völlig inakzeptabel. Zugleich appellierte Wahl an die Aktionäre, dem Rettungspaket für die Lufthansa zuzustimmen.

Lufthansa-Aktionäre muss Rettungspaket noch zustimmen

Die Coronavirus-Pandemie mit den Reisebeschränkungen hatte die Geschäfte der Lufthansa mit Ausnahme der Fracht nahezu zum Erliegen gebracht. Der Konzern benötigt daher staatliche Hilfe. Im Gegenzug für ein neun Milliarden schweres Rettungspaket einschließlich Beteiligung des Bundes an dem Unternehmen muss die Lufthansa 24 Start- und Landerechte an ihren wichtigen Flughäfen in Frankfurt und München an die Konkurrenz abgeben.

Die Aktionäre müssen auf einer außerordentlichen Hauptversammlung am 25. Juni noch grünes Licht für das Paket geben. Lufthansa-Chef Carsten Spohr will der Hauptversammlung ein Sparkonzept präsentieren. Der Konzern, der im ersten Quartal einen Milliardenverlust eingeflogen hatte, beschäftigt rund 138.000 Mitarbeiter.

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Betroffen ist nicht nur das fliegende Personal, sondern auch das am Boden oder in der Verwaltung. Die Hälfte der überzähligen Stellen entfällt der Lufthansa zufolge auf Deutschland. Bei den Töchtern Swiss, Austrian und Brussels Airlines stehen ebenfalls Tausende Stellen auf der Kippe. Nach Medienberichten geht es bei der Schweizer Tochter um bis zu 1900 Arbeitsplätze. Austrian und Brussels wollen jeweils rund 1000 Jobs streichen.

Konzernchef Spohr rechnet erst in mehreren Jahren mit einer Normalisierung des Angebots und hat eine tiefgreifende Umstrukturierung angekündigt. Erste Verhandlungen mit der Pilotengewerkschaft sowie den Gewerkschaften Ufo und Verdi für das Kabinenpersonal Ende April waren ohne Ergebnis geblieben. (dpa, Reuters, AFP)

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