Bericht des Bundesrechnungshofs: Bei Bahnprojekt Stuttgart 21 droht weitere Kostenexplosion
Es ist eines der teuersten und umstrittensten Bauprojekte in Deutschland. Jetzt warnt der Bundesrechnungshof, dass Stuttgart 21 noch deutlich mehr kosten könnte.
Der Bundesrechnungshof hält eine weitere Kostenexplosion beim umstrittenen Bahnprojekt Stuttgart 21 für möglich. In einem geheimen Bericht sehen die Kontrolleure die Kosten des Vorhabens bei bis zu neun Milliarden Euro. Im Gesamtwertumfang von derzeit sechs Milliarden Euro seien annähernd zwei Milliarden Euro Projektrisiken und Kosten, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit Stuttgart 21stehen, nicht abgebildet, heißt es in dem Bericht, welcher der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Die Summe von rund sechs Milliarden Euro ist das von den Projektpartnern genehmigte Investitionsbudget.
Als Risiken nennen die Prüfer mit den Genehmigungsbehörden noch nicht komplett abgestimmte Maßnahmen, etwa bei Brandschutz und Fluchttreppenhäusern im Tiefbahnhof. Es sei auch noch offen, ob die Bauherrin Bahn eine Betriebsgenehmigung für die „erheblichen Längs- und Querneigungen der Gleise und Bahnsteige“ erhalte. Die Gegner des Projekts hatten stets moniert, dass eine Neigung von sechs Metern auf 400 Metern Bahnsteig-Länge zu gefährlich für die Passagiere sei. Weitere Kosten kommen nach Prognose der Kontrolleure durch während der Bauphase anfallende Zinsen für Fremdkapital in Höhe von mehr als einer Milliarde Euro hinzu.
Bahnchef Grube hatte kürzlich gesagt, es gebe keine Kostensteigerung
Der Chef der Deutschen Bahn, Rüdiger Grube, hatte kürzlich betont, dass es keine Kostensteigerung gebe. Die Prognose der Bahn liegt bei 6,5 Milliarden Euro. „Selbst wenn alle Risiken eintreten, bliebe Stuttgart 21 im Rahmen von 6,5 Milliarden Euro“, hatte Grube bei der Grundsteinlegung für den Stuttgart-21-Tiefbahnhof gesagt. Er zeigte sich verwundert über die damals bereits gerüchteweise bekannte Prognose des Rechnungshofes. Die Kontrolleure seien weder auf der Baustelle gewesen noch hätten sie nach Daten und Fakten gefragt. Die Bonner Rechnungsprüfer wiesen Grubes Kritik zurück.
Als Gründe für Kostensteigerungen nannten sie, „dass die DG AG Risiken nicht berücksichtigt, Chancen zu optimistisch bewertet und Projektkosten in den Konzern verlagert hat“. Nach Ansicht des Rechnungshofes schlagen allein Kosten, die nicht dem Projekt angelastet werden, obwohl sie für dessen Realisierung nötig sind, mit nahezu 1,5 Milliarden Euro zu Buche. Dazu gehören etwa die Rückbaukosten für das Gleisvorfeld und Verzugszinsen für die verspätete Freimachung von Flächen, die an die Stadt Stuttgart verkauft wurden.
Zudem hält die Behörde mehrere Abschnitte des Projektes für zeit- und kostenkritisch, etwa die Anbindung von Stuttgart 21 an den Flughafenbahnhof. „Derzeit besteht die Gefahr, dass sich die Inbetriebnahme um zwei Jahre verzögern und etwa 300 Millionen Euro Mehrkosten verursachen könnte“, konstatiert sie. Die Bahn will den geplanten Termin der Inbetriebnahme Ende 2021 aber noch halten.
Der Rechnungshof erwartet von den Bundesvertretern im Aufsichtsrat, sich bald mit Fragen der Wirtschaftlichkeit des Vorhabens zu befassen. Am 13. Oktober kommt das Gremium zu einer Sondersitzung zu Stuttgart 21 zusammen. Zu diesem Termin soll auch ein Gutachten zur Kosten- und Terminsituation von Stuttgart 21 vorliegen, dass der Aufsichtsrat bei der Wirtschaftsprüfung KPMG in Auftrag gegeben hatte.
Aus Sicht des Bundesrechnungshofes könnte Stuttgart 21 dem gesamten Staatskonzern Bahn schaden. Im Bericht heißt es: „Die DB AG befindet sich gegenwärtig in einer wirtschaftlich angespannten Lage, die durch das Projekt Stuttgart 21 noch verschlechtert werden könnte.“ (dpa)