Finanzsystem: Banken gehen gestärkt aus der Krise
Trotz der guten Situation von Sparkassen und Banken warnen Experten von EZB und Bundesbank vor zu viel Sorglosigkeit.
Die deutschen Banken und Sparkassen stehen heute viel stabiler und finanziell solider ausgestattet da als vor der Finanzkrise. Auch das gesamte Finanzsystem ist nach Ansicht der Bundesbank und der Europäischen Zentralbank (EZB) gefestigt, zumal die Konjunktur gut läuft und weiter gut laufen dürfte. Da stellen beide Zentralbanken in ihren am Mittwoch vorgestellten Finanzstabilitätsberichten fest. Dennoch warnt Bundesbank-Vize-Präsidentin Claudia Buch vor allzu großer Sorglosigkeit: „Niedrige Zinsen und ein hohes Wachstum bergen die Gefahr, dass Risiken unterschätzt werden.“
Für eine Entwarnung ist es auch nach Ansicht von Bundesbank-Vorstandsmitglied Andreas Dombret zu früh. Schließlich sei die Ertragskraft der Institute nach wie vor niedrig. Das beklagt auch die EZB für alle Banken in Europa. Zusätzlich sorgt sie sich über den nach wie vor hohen Bestand an faulen Krediten. Sie summieren sich aktuell auf 921 Milliarden Euro, davon fast 200 Milliarden allein bei italienischen Großbanken. In Deutschland betrifft das Dombret zufolge nur zwei Prozent aller Kredite, insbesondere Schiffskredite. Diese Quote sei sehr niedrig.
Die Bundesbank attestiert dem Finanzsystem insgesamt eine gute Risikotragfähigkeit, und auch dem deutschen Bankensektor bescheinigt sie eine deutlich erhöhte Widerstandskraft – die wichtige Eigenkapitalquote zur Abdeckung von Risiken liegt aktuell bei durchschnittlich 16,6 Prozent nach nur 9 Prozent im Jahr2008. „Aber was passiert bei einer unerwarteten Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage? Was bei einem unerwartet schnellen Anstieg der Zinsen“, fragt Buch. Diese Entwicklungen könnten das deutsche Finanzsystem empfindlich treffen. Der Aufschwung halte jetzt schon acht Jahre an.
Die Bundesbank warnt vor Ansteckungseffekten
Bei rasch steigenden Zinsen drohen den Banken Verluste. Grund: Mehr als 40 Prozent ihrer Wohnungsbau-Kredite laufen bei niedrigen Zinsen mehr als zehn Jahre. Steigen die Zinsen, würde sich die Refinanzierung dafür erheblich verteuern. Die Zinserträge würden schrumpfen, es könnte sogar zu Verlusten kommen. Umgekehrt könnte ein unerwartet langes niedriges Zinsniveau dazu führen, dass die Institute auf der Suche nach Erträgen zu hohe Risiken eingehen. Nach Ansicht von Dombret stehen Banken und Sparkassen vor einem erheblichen Anpassungsbedarf. Die erhöhten Zinsrisiken und der niedrige Bestand an Risikovorsorge für wackelige Kredite erhöhten die Anfälligkeit gegenüber unerwarteten Schocks. „Die Bundesbank wird das mit Argusaugen beobachten“, sagt Buch.
Die Bundesbank-Vizepräsidentin warnt zudem vor möglichen Ansteckungseffekten, schließlich seien viele Institute vertraglich und über Finanzprodukte eng miteinander verbunden. Gerät eine Bank in Schwierigkeiten, könnte das auf andere Häuser durchschlagen. Risiken aus Zinserhöhungen, höhere Kreditausfälle, Einbußen bei Vermögenswerten und Abschreibungen könnten gleichzeitig eintreten. Probleme bei Sparkassen und Volksbanken könnten schnell durchschlagen, schließlich hätten sie einen Anteil von rund 50 Prozent an Krediten an Verbrauchern und Unternehmen. „Das zeigt: Im Finanzsystem müssen ausreichend Puffer in Form von Eigenkapital vorhanden sein, um auch unerwartete Ereignisse abzufedern“, sagt Buch.
Das könnte möglicherweise auch für den Markt für Wohnimmobilien wichtig werden. Generell sieht die Bundesbank zwar noch keine Übertreibungen. Auf Großstädte und Ballungsräume blickt Vizepräsidentin Buch aber schon mit gemischten Gefühlen: „Rund 15 bis 30 Prozent des Preisanstiegs in Städten im Jahr 2016 können unsere Modelle nicht erklären, im Jahr davor waren es 10 bis 20 Prozent.“ Mit anderen Worten: Die Preise liegen in Großstädten nach Ansicht der Bundesbank bis zu fast einem Drittel auf einem angemessenen Niveau und sind allein durch die Nachfrage und die gute wirtschaftliche Lage nicht zu erklären. Trotzdem allerdings ergeben sich daraus nach Ansicht von Buch „keine unmittelbaren Risiken“. Von einer Blase will sie nicht sprechen.
Rolf Obertreis