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Rüdiger Grube ist als Kommunikator bekannt. Jetzt muss er durchgreifen: Die Konzernzahlen liegen unter den Erwartungen.
© picture alliance / dpa
Update

Ronald Pofalla und die Deutsche Bahn: Bahn-Chef Rüdiger Grube tauscht vier Vorstände aus

Die Deutsche Bahn muss profitabler werden und sparen. Der Bahn-Chef greift durch - und ersetzt offenbar gleich vier Vorstände. Schneller als geplant soll auch Ex-Kanzleramtsminister Ronald Pofalla aufsteigen.

Für Rüdiger Grube muss es mindestens „eine Revolution“ sein, wenn die Deutsche Bahn sich verändert. Mit derlei markigen Worten stimmte der 63-Jährige seinen Aufsichtsrat Ende Juni überraschend auf einen bevorstehenden Umbau des Staatskonzerns ein. Schlanker, effizienter, schneller müsse die Bahn werden – vor allem in der Verwaltung. Details blieb Grube den Damen und Herren schuldig. In dieser Woche haben die 20 Aufseher die Einladung zu einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung am 27. Juli in der Post gefunden. Dann will Grube Tacheles reden. Seine Revolution soll auch einige Köpfe im Vorstand kosten. Die Rede ist inzwischen von vier Mitgliedern des Führungsgremiums, die ihren Posten verlieren. Die Zeit drängt: Bereits am 29. Juli will Grube den Generalumbau zusammen mit der – wahrscheinlich enttäuschenden – Halbjahresbilanz der Öffentlichkeit präsentieren.

Aufsichtsratsmitglieder halten ein Sparprogramm im üppigen und bürokratischen Verwaltungsapparat des Konzerns für überfällig. Mindestens 600 Millionen Euro bis 2019 hatte Grube schon im März in Aussicht gestellt. „Eigentlich erwarte ich, dass es mehr wird“, sagt ein Aufsichtsrat von der Anteilseignerseite. 50 Millionen, so rechnet offenbar der Vorstand, sollen noch im laufenden Jahr eingespart werden, dann jährlich 100 Millionen. „Ich würde jetzt gerne konkretere Zahlen sehen“, sagt der Aufsichtsrat.

Das Gewinnziel für 2015 wird verfehlt

Im Kontrollgremium wird davor gewarnt, die größeren Baustellen der Bahn derweil brach liegen zu lassen: die Defizite im Güterverkehr, der ruinöse Preiswettbewerb im Personenverkehr, der Verlust von Marktanteilen im Regionalverkehr, die Digitalisierung. Werde hier nicht bald angepackt, „wird aus der Revolution ein Revolutiönchen“, fürchtet ein Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat. Vermisst wird zudem eine solide Mittelfristplanung, die der Vorstand verschleppt, weil er seine Ziele ständig korrigieren muss – nach unten. „Der Vorstand kann die wirtschaftlichen Risiken nicht richtig einschätzen.“ 2015 wollte die Bahn eigentlich einen operativen Gewinn von 2,2 Milliarden Euro erzielen. Intern wird dem Vernehmen nach nur noch mit zwei Milliarden kalkuliert. Wahrscheinlich ist auch dies noch zu ambitioniert. Von Januar bis Mai lag das Ergebnis bereits 20 Prozent hinter den Zielen, bei 625 Millionen Euro. Immerhin beim Umsatz (gut 16 Milliarden Euro) sah es etwas besser aus.

Grube hat zu lange gezögert, die Fehler von Hartmut Mehdorn zu korrigieren

„Die Bilanz fällt nicht gut aus“, sagt Matthias Gastel, bahnpolitischer Sprecher von Bündnis90/Die Grünen. Grube sei zu lange „der charmante Kommunikator“ gewesen und habe viel zu lange damit gewartet, die Fehler, die ihm sein Vorgänger Hartmut Mehdorn eingebrockt habe, zu korrigieren. „Warum geht die Bahn im Fernverkehr erst jetzt in die Offensive, wo der Fernbusmarkt boomt? Wo ist die Strategie im Güterverkehr, der immer mehr gegen die Straße verliert? Statt die größten Baustellen anzupacken, ist tatsächlich über Jahre nichts passiert“, kritisiert Gastel.
Rüdiger Grube will nun auch personell gegensteuern. Zentraler Teil des Konzernumbaus soll offenbar die Reintegration der DB Mobility Logistics (DBML) sein. In der Folge würden mindestens zwei Vorstandsposten überflüssig. In der separaten Aktiengesellschaft mit eigenem Management und Aufsichtsrat werden der Personen- und Güterverkehr sowie die Logistiksparte zusammengefasst. Die DBML sollte vor Jahren an die Börse gebracht werden. Entsprechende Pläne gibt es heute nicht mehr – die Konstruktion hat sich überlebt und kostet nur Geld.

Im harten Wettbewerb hat die Bahn zu wenig günstige Angebote

Auf den sechsköpfigen Bahn-Vorstand warten dem Vernehmen nach gravierende Umbesetzungen. Logistik-Chef Karl-Friedrich Rausch geht Ende des Jahres ohnehin in den Ruhestand, sein Geschäftsbereich könnte künftig nicht mehr im Vorstand vertreten sein. Kollege Ulrich Homburg hingegen, der den Personenverkehr verantwortet, dürfte seinen Job vorzeitig verlieren, so heißt es. Er soll dem vernehmen nach durch den Chef der Tochtergesellschaft DB Fernverkehr, Berthold Huber, ersetzt werden. Homburg wird angelastet, dass die Bahn keine überzeugende Antwort auf den Wettbewerb mit den Fernbussen gefunden hat. „Die Bahn hat ein generelles Angebotsproblem, es sind nicht nur die Fernbusse“, sagt ein Aufsichtsrat der Eigentümerseite. Die Gründe: „Permanente Verspätungen, ein häufig mangelhafter Service und zu wenig attraktive Angebote für besonders preisempfindliche Reisende.“ Offiziell mitgeteilt hat die Bahn in dieser Woche bereits, dass Technik-Vorstand Heike Hanagarth zum 31. Juli ihren Posten aufgibt.

Prominentester Neuzugang in der Vorstandsetage der Bahn dürfte der frühere Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) sein. Eigentlich war für den seit Januar amtierenden Cheflobbyisten des Schienenkonzerns eine mindestens einjährige Wartezeit vorgesehen. Nun soll es offenbar schneller gehen. Der Vertrag von Rechtsvorstand Gerd Becht, der noch bis Ende 2017 läuft, würde demnach vorzeitig aufgelöst. Mit seinem Ressort, so frühere Pläne, soll Pofallas Aufgabenbereich verschmolzen werden. Der „Spiegel“ will erfahren haben, dass Pofalla, der als Generalbevollmächtigter für politische und internationale Beziehungen tätig ist, sogar aussichtsreichster Kandidat für die Grube-Nachfolge sein soll. Im Aufsichtsrat zeigt man sich überrascht: „Das halte ich für reichlich verfrüht, er muss sich erstmal bewähren“, heißt es bei einem Vertreter der Kapitalseite. Die Bahn äußert sich nicht zu den Personalspekulationen.

"Ein Rettungsprogramm ist es nicht"

Wie tief der von Rüdiger Grube geplante Umbau in den Vorstand und die Struktur der Bahn eingreift, wird sich Ende des Monats zeigen. „Straffere Strukturen und mehr Effizienz zu schaffen, ist immer gut. Das signalisiert nach außen Veränderungsbereitschaft und Reformwillen“, sagt der grüne Verkehrspolitiker Matthias Gastel. Ein solches Signal werde von der Öffentlichkeit angesichts sinkender Gewinne auch erwartet. Revolutionen sähen freilich anders aus: „Ein Rettungsprogramm für die Deutsche Bahn ist es nicht.“

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