Ansturm auf Neun-Euro-Ticket: Bahn bittet vorsorglich um Verständnis für Verspätungen
Der Verkaufsstart zeigt: Das Interesse am 9-Euro-Ticket ist riesig. 200.000 Tickets wurden in wenigen Stunden verkauft. Wie sich die Bahn vorbereitet.
Das 9-Euro-Ticket wird zum Verkaufsschlager. Die Deutsche Bahn setzte zum Verkaufsstart am Montag in wenigen Stunden bereits mehr als 200.000 der extrem günstigen Monatsfahrscheine ab, mit denen sich im Juni, Juli und August der gesamte Nahverkehr bundesweit und beliebig oft nutzen lässt.
„Es gibt unglaublich reges Interesse, wir erleben einen historisch großen Zugriff auf unsere Vertriebssysteme“, sagte DB Regio-Chef Jörg Sandvoß in einer Pressekonferenz. Zuvor berichteten bereits andere Verkehrsunternehmen und die Verbünde in Berlin und Hamburg von reger Nachfrage.
„Solch ein Angebot hat es in Deutschland noch nie gegeben“, betont Sandvoß. Pro Tag koste die Nutzung des gesamten ÖPNV damit gerade mal 30 Cent. Das Ticket sei „ein tolles, großes Experiment“, es sei enorm einfach gestaltet und man könne damit zwischen Flensburg und Garmisch in alle Busse und Bahnen im Nah- und Regionalverkehr steigen. Man habe aber bisher „keinen blassen Schimmer“, wie viele zusätzliche Fahrgäste kommen werden. Für den ÖPNV und den Klimaschutz sei es jedoch „eine einmalige Chance“, die es zu nutzen gelte.
DB Regio setzt 50 Reservezüge ein
Um angesichts schon bestehender Engpässe bei Infrastruktur und Zügen den erwarteten Ansturm der Reisenden ab dem 1. Juni ohne allzu große Verspätungen und Betriebsstörungen zu schaffen, will der DB-Konzern „alles in Bewegung setzen, was wir haben“, so Sandvoß. So lässt die DB Regio mit ihren 37.000 Mitarbeitern allein 50 Reservezüge rollen und wird so mit täglich zusätzlich 250 Fahrten das Angebot um 60.000 Sitzplätzen in den Regional- und S-Bahn-Zügen erhöhen.
Besonders entlang touristischer Strecken, wo in Ferienzeiten und an schönen Ausflugs-Wochenenden der größte Andrang erwartet wird, soll das Personal in Zügen und an Bahnhöfen aufgestockt werden. Mehr als 700 zusätzliche Service- und Sicherheitskräfte sollen beim Ein- und Ausstieg helfen, Reisende mit Gepäck oder Fahrrädern unterstützen und Auskünfte geben. „Das sind viermal so viele wie in einem normalen Sommer“, betont Sandvoß. Außerdem werde die Wartung und Reinigung von Zügen in den Werken und durch mobile Instandhaltungsteams verstärkt.
Nur wenig Zeit zur Vorbereitung
Der Weg für das erste bundesweite Nahverkehrsticket war erst vorigen Freitag nach einigen strittigen Debatten mit der Zustimmung des Bundesrats frei geworden. Der Bund finanziert den dreimonatigen Rabatt mit 2,5 Milliarden Euro Steuermitteln, die an die Bundesländer gehen, die den Regionalverkehr organisieren. Für dessen auch langfristige Finanzierung fordern die Länder dauerhaft mehr Geld, um künftig ein größeres Bus- und Bahnangebot in Städten und Regionen bieten zu können.
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Man habe in sehr kurzer Zeit die Umstellungen für das 9-Euro-Ticket zum Beispiel in den Verkaufssystem bewältigen müssen, sagte Sandvoß und dankte den beteiligten Unternehmen und Mitarbeitern. Allein die DB Regio sichert als größter Nahverkehrsanbieter täglich mit 22.000 Zugfahrten und 10.000 Bussen die Mobilität von Pendlern, Schülern und Ausflüglern. Voriges Jahr wurden 1,5 Milliarden Fahrgäste ans Ziel gebracht, vor Corona waren es 2019 sogar noch 2,5 Milliarden.
Einige Bahnexperten erwarten besonders auf beliebten Ausflugsstrecken überfüllte Regionalzüge rund ums Wochenende. Denn bequeme und schnelle Verbindungen wie von Berlin an die Ostsee, von Hamburg nach Sylt oder im Südwesten zum Bodensee sind im Sommer schon zu normalen Zeiten stark gefragt. Der Fahrgastverband Pro Bahn rät daher, weniger überlastete Züge in Regionen zu nutzen, die bei schönem Wetter nicht so überlaufen sind.
„Wir können keine Züge backen“, wirbt Sandvoß schon jetzt um Verständnis und Rücksichtnahme. „So wie ein plötzlicher Stau auf der Autobahn die Fahrt verzögert, kann das bei sehr hohem Verkehrsaufkommen auch bei der Bahn passieren.“ Mit intensiver Vorbereitung, etwas Rücksicht und gegenseitigem Verständnis könnten alle gemeinsam dazu beitragen, dass „der klimafreundliche ÖPNV und Millionen Fahrgäste als Gewinner aus dieser Aktion hervorgehen“.
Radmitnahme nicht garantiert
Besonders die Mitnahme von Fahrrädern könne nicht immer garantiert werden, warnt Sandvoß. Zudem sei der Transport meist extra zu zahlen und in den vielen Verkehrsverbünden unterschiedlich geregelt. Wegen der Rekordinvestitionen ins lange vernachlässigte Schienennetz muss auf nicht wenigen Strecken überdies mit Umleitungen und längeren Fahrzeiten gerechnet werden.
Die Baumaßnahmen seien langfristig geplant, gingen ungebremst weiter und könnten im Sommer nicht einfach ausgesetzt werden, argumentiert der DB-Konzern. Denn mit der Modernisierung werde mehr Kapazität für das weitere Fahrgastwachstum auf der Schiene geschaffen. Auch das 9-Euro-Ticket soll den möglichst dauerhaften Umstieg von Reisenden und Pendlern auf Busse und Bahnen befördern. Ob das gelungen ist, sollen beauftragte Marktforscher in den nächsten Monaten auswerten.