zum Hauptinhalt
Technische Überwachung. Umwelt- und Verbraucherverbände bemängeln, dass technische Dienste wie der Tüv sowie die behördlichen Kontrolleure versagt haben.
© dpa

VW-Abgasskandal: Auto-Prüfer unter Verdacht

Technische Dienste und Behörden haben die Autohersteller zu lasch überprüft. Das Umweltbundesamt spricht sich für die Abschaffung der Steuervergünstigung für Diesel aus.

Bei der Aufarbeitung des VW-Abgas-Skandals wächst der Druck auf die deutschen und europäischen Zulassungsbehörden. Das EU-Parlament setzte am Donnerstag einen Untersuchungsausschuss ein, der ein Jahr lang die Kontrollsysteme für die Pkw-Zulassung in den Mitgliedstaaten unter die Lupe nehmen soll. Deutsche Umwelt- und Verbraucherverbände stellten parallel in Berlin ein gemeinsames Konzept zur Modernisierung der Genehmigungspraxis von Autos vor. Das Ziel: den realen Schadstoffverbrauch auf der Straße auszumachen und nicht nur Messwerte auf dem Prüfstand. Letztere waren bei VW mit einer Software manipuliert worden.

Das Umweltbundesamt (UBA) forderte die baldige Verbannung älterer Dieselautos aus Deutschlands Innenstädten. Andernfalls werde sich die Luftqualität bis 2030 dort nicht wesentlich verbessern, sagte UBA-Chefin Maria Krautzberger in Berlin. Die Kommunen sollten in einigen Jahren Umweltzonen oder Straßenzüge mit besonders schlechter Luftqualität für alte Dieselautos sperren dürfen – und zwar auch für solche, die zur noch relativ modernen Schadstoffklasse Euro 5 gehören. Krautzberger sprach sich außerdem für die Abschaffung der Steuervergünstigung für Diesel aus. „Ich bin dafür, den Dieselsteuersatz nach und nach dem von Benzin anzupassen.“

VW-Chef Müller besetzt Führungsposten neu

An der Spitze des VW-Konzerns ging derweil das Stühlerücken weiter: Vorstandschef Matthias Müller besetzte wichtige Posten neu. Damit sollen auch „interne Entscheidungswege“ beschleunigt werden. Wegen des Skandals hatte es bei VW im Top-Management bereits massive Veränderungen gegeben. Müller will sich – anders als sein Vorgänger Martin Winterkorn – weniger in das operative Geschäft der Marken und Regionen einmischen und mehr für strategische Fragen des Zwölf-Marken-Konzerns zuständig sein. Prominentester Neuzugang in Wolfsburg ist Ulrich Eichhorn. Der 54-Jährige war bislang Geschäftsführer des Autoverbandes VDA und wird nun Leiter des Konzernbereichs Forschung und Entwicklung bei VW. Porsche-Design-Chef Michael Mauer (53) ist demnächst auch konzernweit für das Design verantwortlich. Neue Manager gibt es auch für die Konzernbereiche Vertrieb, Produktion und Baukasten-Strategie.

Der Autolobby und den EU-Behörden wird vorgeworfen, sich nicht für realistische Abgastests auf der Straße eingesetzt zu haben. Auch nationale Aufseher sollen zu wenig unternommen haben, um den Einsatz betrügerischer Software zu unterbinden. „Die Kluft zwischen Test- und Realemissionen ist in den letzten Jahren auch deshalb immer größer geworden, weil zu viel hinter verschlossenen Türen gemauschelt wurde“, sagte Michael Müller-Görnert vom ökologischen Verkehrsclub Deutschland (VCD). Gemeinsam mit dem BUND, der Deutschen Umwelthilfe, Greenpeace sowie dem Naturschutzbund NABU betonte der VCD, dass der VW-Abgas-Skandal „nicht nur Ausdruck mutwilliger Täuschungsabsichten aufseiten der Hersteller“ sei. Die Manipulationen zeigten auch, „dass das bisherige Typzulassungsverfahren seiner Aufgabe nicht gerecht wird und die behördlichen Kontrollinstanzen insgesamt versagt haben“. Um dies künftig zu verhindern, schlagen die Verbände in Anlehnung an das US-Modell eine Kombination aus Herstellererklärung, unabhängigen Kontrollmessungen im realen Fahrbetrieb und empfindlichen Sanktionen bei Verstößen vor.

Kritik an industriefreundlichen Abgasnormen

Die Umweltlobby wirft zum Beispiel der EU-Kommission vor, den Herstellern zu lasche Vorgaben bei den zulässigen Schadstoffemissionen zu machen. So waren kürzlich neue Grenzwerte und Messverfahren für Stockoxidemissionen von Dieselfahrzeugen verabschiedet worden, die Kritiker als industriefreundlich bezeichneten. Die Industrie sprach hingegen von technisch anspruchsvollen Zielvorgaben. Die EU-Kommission erklärte am Donnerstag, sie werde mit dem eingesetzten Untersuchungsausschuss zusammenarbeiten. Betrügerische Programme seien in der EU verboten. Man habe Schritte eingeleitet, um „die strengsten Abgastests in der Welt“ einzuführen, teilte die Brüsseler Behörde mit.

Zuständig für die Typgenehmigung von Autos – die amtliche Bestätigung für die Erfüllung von Umweltvorschriften – ist derzeit das Kraftfahrtbundesamt. Es führt aber selbst keine Messungen durch, sondern verlässt sich dabei auf Daten von anerkannten Instituten wie Tüv oder Dekra. So habe sich „ein enges Beziehungsgeflecht mit potenziellen Abhängigkeitsverhältnissen“ zwischen Herstellern, Prüforganisationen und Zulassungsbehörden entwickelt, kritisierten die Umwelt- und Verbraucherverbände. mit dpa, rtr

Zur Startseite