zum Hauptinhalt
Dirk Müller-Remus, der Gründer von auticon, gewann mit seiner Vermittlungsfirma im Juni den deutschen Gründerpreis 2015.
© Gregor Fischer

Arbeitskräfte: Autisten als Spezialisten

Großer Preis für die Firma Auticon: Die vermittelt Spezialisten mit Asperger-Syndrom – zum Beispiel an die HiFi-Schmiede Teufel.

Menschen mit einer autistischen Störung haben es schwer auf dem Arbeitsmarkt. Das wurde Dirk Müller-Remus bewusst, als er vor einigen Jahren seinen eigenen autistischen Sohn zum Treffen einer Selbsthilfegruppe begleitete. „Durch die Bank hinweg waren bei diesem Treffen junge, qualifizierte Menschen – jeder mindestens mit Abitur – doch alle waren arbeitslos.“

Meist scheitere es schon bei den Bewerbungsgesprächen, da Autisten in der sozialen Interaktion und der Kommunikation beeinträchtigt seien. Dabei hätten diese Menschen besondere Stärken: „Sie finden Fehler sofort, haben eine genaue Mustererkennung und sind gnadenlos ehrlich“, sagt Müller-Remus. 2011 gründete er deshalb Auticon, das erste und einzige Unternehmen in Deutschland, das ausschließlich Menschen im Autismus-Spektrum als Informationstechnik-Berater beschäftigt. Die sogenannten Consultants (Berater) von Auticon mit Sitz in Charlottenburg und Niederlassungen in fünf anderen deutschen Städten sind Menschen mit Asperger-Syndrom, einer milden Variante des Autismus. Davon sind rund 0,3 Prozent der Bevölkerung betroffen.

Inzwischen arbeiten 50 autistische Mitarbeiter für das Unternehmen. In mehrwöchigen Projekten beraten sie die Auticon-Kunden aus Industrie und der Dienstleistungsbranche in IT-Fragen. Als „innovative Idee für die digitale Welt mit Vorbildcharakter“ wurde Auticon deshalb am Mittwoch von der Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ und der Deutschen Bank ausgezeichnet. Deutschlandweit hatten sich rund 1000 Unternehmen beworben. Das IT-Start-up sei durch „die Umsetzung der Integration hochqualitativ, aber gesellschaftlich Benachteiligter“ einer der 100 Gewinner des diesjährigen Preises.

Gastgeber der Feier war die Berliner Lautsprecher-Firma Teufel. Sie stellte ihren „Breakfastclub“ im Dachgeschoss des Bikini-Hauses als Veranstaltungsraum der Preisverleihung zur Verfügung – mit exklusivem Blick durch die bodentiefen Glasfenster auf die City-West. Die Firma Teufel ist Auticon schon länger verbunden: In einem sechsmonatigen Projekt haben vier Autisten die Software der Teufel-Apps und Lautsprecher getestet. „Die Berater wurden von den Aufgaben nicht müde, sie wollten immer das Beste erreichen“, lobt Teufel-Geschäftsführer Edgar van Vetzen. „Ihre Qualitätswahrnehmung ist wahnsinnig hoch, ich bin mit dem Projekt und den Resultaten der Tests wirklich zufrieden.“

Dennoch sei die Zusammenarbeit eine Herausforderung gewesen, die Teufel-Mitarbeiter hätten eine ganz andere Arbeitsweise lernen müssen. „Bevor ein Projekt beginnt, klären wir unsere Kunden über Autismus und die einzelnen Fähigkeiten unserer Mitarbeiter auf“, sagt Auticon-Gründer Müller-Remus. Während eines laufenden Projektes stünden außerdem Vermittler zur Verfügung. „Besonders wichtig für die Autisten sind klare Arbeitsanweisungen“, sagt Müller-Remus. Davon würden auch die Unternehmen profitieren: „Häufig hören wir, dass die Kommunikation in den Firmen eine ganz andere wird, direkter und auf das Wesentliche fokussiert.“ Der Teufel-Geschäftsführer hat das auch in seiner Firma beobachtet. „Jetzt sind wir auf der Suche nach einem neuen Projekt mit Auticon.“

Lisa Splanemann

Zur Startseite