Nicht nur Apple unter Druck: „Ausländische Firmen in China können nicht neutral bleiben“
China wirft westlichen Konzernen vor, die Proteste in Hongkong zu unterstützen. Der iPhone-Konzern Apple ist jetzt eingeknickt. Eine Analyse.
Über die finanzielle Bedeutung Chinas für die amerikanische Basketballliga NBA rollen sie beim Smartphone-Hersteller Apple vermutlich nur die Augen. Die paar Milliarden Dollar, die für die NBA auf dem Spiel stehen, nachdem einer ihrer Klubmanager die Protestbewegung in Hongkong per Twitter unterstützt hatte, würden sie im Silicon Valley aus der Portokasse zahlen. Dabei spüren derzeit sowohl die NBA wie auch Apple den Druck, den die Regierung in Peking auf eben jene ausübt, die auch nur ansatzweise die Demonstranten von Hongkong unterstützen.
Apple hat diesem Druck nun nachgegeben. Der Konzern hat am Donnerstag nach Kritik aus Peking eine App aus seinem Store auf den Geräten gelöscht. Genutzt worden war die vor allem von Hongkonger Demonstranten, die darin die Standorte der Polizeieinheiten markiert hatten. In Peking kam das gar nicht gut an. Die Volkszeitung, das Sprachrohr der Kommunistischen Partei, hatte prompt gefragt: „Steuert Apple Hongkongs Schlägertrupps?“ China warf den Amerikaner vor, sie würden auf diese Weise „Unruhestiftern“ bei deren „illegalen Machenschaften“ helfen.
Der Konzern selbst begründet die Entfernung der App nun damit: Man habe feststellen müssen, dass die Anwendung auch für „schlechte Dinge“ verwendet werde – etwa „um die Polizei anzugreifen und in einen Hinterhalt zu locken.“ Deshalb die Löschung der App.
Klar ist: China ist für Apple ein enorm wichtiger Markt. Im vergangenen Geschäftsjahr hat der iPhone-Konzern dort Produkte im Wert von 44 Milliarden Dollar verkauft. Das ist zwar noch nicht so viel wie in den USA und in Europa, aber dort liegt das Pro-Kopf-Einkommen auch noch um ein Vielfaches über dem der Chinesen. Wenn Apple-Chef Tim Cook also über künftiges Wachstum spricht, dann meint er in erster Linie die Volksrepublik.
Die New York Times hat Cook bereits in den Diplomaten-Status erhoben, weil der mehrfach im Jahr nach China reist, um bei Staatsereignissen Gesicht zu zeigen. Apple tut alles, um die Gunst der Kommunistischen Partei zu gewinnen. Fast jedes Endgerät mit dem Apfel-Logo auf der Rückseite geht erst durch die Hände chinesischer Arbeiter, bevor es irgendwo auf der Welt zum Verkauf angeboten wird.
"Wer in China tätig ist, kann nicht politisch neutral bleiben"
Apple und die NBA reihen sich ein in eine Liste ausländischer Firmen, die aktuell um ihre Pfründe fürchten auf dem größten Konsumentenmarkt der Welt. „Die können nicht einfach mit uns Geld verdienen und uns dann keinen Respekt zollen. Es verletzt unsere Gefühle. Wo bleibt da die Freundschaft? Das ist so dumm“, sagt die chinesische Journalistin Tao Xing Ying, die für die Shanghaier Tageszeitung Xinming Wanbao berichtet.
In der erbosten Anklage hallt zwar die Rhetorik der Staatspropaganda wider. Doch sie enthält trotz allem auch eine kulturelle Botschaft, nämlich einen wesentlichen Aspekt der nüchternen Definition der Chinesen von Freundschaft: „Wenn ich dafür sorge, dass du viel Geld verdienst, dann sei auf meiner Seite und misch dich nur in meine Angelegenheiten ein, wenn ich dich darum bitte.“ Das gilt universell, nicht nur für amerikanische Sportligen oder Apple.
Respekt, Geld und Gefühle – daran scheitert in China so manches Geschäft mit westlichen Partnern. Peking lässt Neutralität nicht gelten und übt latenten Druck auf die Unternehmen aus, im Bedarfsfall für die chinesische Position zu sprechen. „All diese Kontroversen zeigen, dass ausländische Firmen nicht gleichzeitig in China tätig sein und sich dabei in einer Art und Weise darstellen können, die nicht im Einklang mit chinesischen politischen Werten liegt. Das heißt, dass sie politisch nicht neutral bleiben können“, sagt die Niederländerin Mandy Koetse, die auf ihrem Internetportal whatsonweibo.com unter anderem die Hexenjagd auf ausländische Firmen illustrierte
Manche Unternehmen entlassen kritische Mitarbeiter
Seit Beginn der Proteste in Hongkong, scheinen die Chinesen allerdings besonders sensibel zu sein. Mehr als ein Dutzend ausländischer Firmen erwischten sie seit dem Sommer dabei, wie diese – absichtlich oder unabsichtlich – angeblich Zweifel an Pekings Ein-China-Politik aufkommen ließen.
Der Sportartikelhersteller Asics, die Modemarken Calvin Klein und Coach, die französische Parfümerie Givenchy, das italienische Modehaus Valentino oder der österreichische Juwelier Swarovski hatten Hongkong und/oder Taiwan als eigenständige Regionen oder Länder auf ihren Internetseiten aufgeführt. Chinesische Prominente beendeten daraufhin zum Wohle des Vaterlandes reihenweise ihre Zusammenarbeit mit den betroffenen Marken. Ob sie das aus Überzeugung taten, ist unklar. Die Unternehmen jedenfalls entschuldigten sich öffentlich.
Andere schmissen sogar ihre Angestellten raus, um ihre Solidarität mit Pekings Politik zu symbolisieren. Der Onlinespiele-Anbieter Activision Blizzard sperrte Anfang der Woche einen E-Sport-Profi für ein Jahr, weil auch der in einem Interview seine Sympathien für die Proteste ausdrückte. Auch die beiden an der Szene beteiligten Moderatoren wurden gekündigt. Das Onlinemagazin The Daily Beast zitiert einen Blizzard-Manager, der sagt, die Firma verdiene viel Geld in China und sei in einer heiklen Situation, „in der wir nicht an unseren Werten festhalten können“.
Die Fluglinie Cathay Pacific entließ zwei Piloten: Einer hatte beim Landeanflug auf Hongkong seine Solidarität mit der Protestbewegung über die Bordlautsprecher kundgetan.
Westliche Unternehmen treten in China immer wieder in Fettnäpfchen
Auch der Turnschuhhersteller Nike hat bereits die Wut aus Peking zu spüren bekommen. Das Unternehmen musste einen Turnschuh vom Markt nehmen, nachdem das japanische Designbüro, das ihn für Nike entworfen hatte, sich auf Instagram auf die Seite der Hongkonger Demonstranten gestellt hatte.
Dabei ist die Zusammenarbeit mit China für westliche Konzerne auch zu normalen Zeiten nicht einfach. Immer wieder treten sie in Fettnäpfchen – so wie im vergangenen Jahr der deutsche Autobauer Daimler. Der hatte ein harmloses Zitat des Dalai Lamas, Chinas Staatsfeind Nummer eins, über Instagram verbreitet. Auch die Schwaben mussten sich daraufhin entschuldigen, sie bedauerten zutiefst, „die Gefühle der Chinesen verletzt zu haben“.
Marcel Grzanna