Hongkong-Tweet sorgt für Krise: Die NBA kuscht vor dem Druck Chinas
Ein einzelner Tweet hat die gute Beziehung zwischen der NBA und China mächtig bröckeln lassen. Die Liga verweigert klare Statements. Ein Kommentar.
Die nordamerikanische Profi-Basketballliga NBA verbindet so einiges mit China. Zum einen Millionen von Fans, zum anderen Milliarden von Dollars, die durch TV-Rechte und Merchandising erwirtschaftet werden. Spätestens seit 2002 rund 200 Millionen Chinesen das erste von 486 Spielen der NBA-Legende Yao Ming für die Houston Rockets im Fernsehen schauten, gilt China neben den USA als der größte Absatzmarkt der Liga.
Dementsprechend gut pflegte die NBA die Beziehung zum Reich der Mitte über die Jahre mit etlichen PR-Aktionen oder Testspielen. Erst Anfang Oktober traten die Shanghai Sharks, die mittlerweile Ming gehören, zum traditionellen Vorbereitungsspiel bei den Houston Rockets an. Nun aber ist die Beziehung in der Krise.
Daryl Morey, der Manager der Rockets, schrieb am vergangenen Freitag auf Twitter: „Kämpft für Freiheit. Steht an der Seite Hongkongs.“ (Fight for Freedom. Stand with Hongkong). Zwei Sätze und eine Solidaritätsbekundung, die Chaos auslösten: Der chinesische Basketballverband, dem Ming ebenfalls vorsteht, teilte mit, fortan jegliche Zusammenarbeit mit den Rockets zu stoppen. Eine Großbank aus Shanghai löste einen Sponsoringvertrag mit dem Team auf, der staatliche TV-Sender CCTV stellt die Übertragungen von Spielen der Rockets ein und auch der Streamingdienst Tencent, der 2015 noch 500 Millionen Dollar für NBA-Übertragungsrechte zahlte, wird keine Spiele der Mannschaft mehr übertagen. Selbst der chinesische Generalkonsul forderte Houston auf, "unverzüglich jeden Fehler zu korrigieren".
Der enorme wirtschaftliche Druck, der in keinerlei Verhältnis zu einer schlichten Meinungsäußerung steht, bewegte Morey bereits dazu, mitzuteilen, dass er sich in den letzten Tagen „andere Perspektiven“ auf die Proteste in Hongkong angehört habe und die Unterstützung der chinesischen Fans immer zu schätzen wisse und er lediglich einen Gedanken äußern wollte.
Außerdem spreche er nur für sich, nicht für sein Team oder die Liga. James Harden, der Superstar der Rockets, entschuldigte sich gar für den Tweet und sagte: „Wir lieben China.“ Die NBA bedauere die Aussagen, die viele Chinesen „zutiefst beleidigt“ hätten und habe „großen Respekt“ für die „Geschichte und Kultur“ Chinas, auch wenn die Werte der Liga es beinhalten würden, dass sich einzelne ihre Meinungen bilden und sie auch kundtun dürfen.
Die NBA kuscht davor, sich noch klarer für Meinungsfreiheit auszusprechen, da sie deshalb zukünftig womöglich auf Milliarden von Dollars verzichten müsste. Haltung gegen wirtschaftlicher Profit: Wie so viele andere große Wirtschaftsunternehmen reglementiert sich auch die sonst so aufgeklärte und vorausdenkende NBA selbst, um sich das Geschäft mit den Chinesen nicht so vermiesen – immerhin tragen die Los Angeles Lakers und Brooklyn Nets am Donnerstag ein Vorbereitungsspiel in Shanghai aus. Und das Geschäft scheint eben Vorrang zu haben.
Louis Richter