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Windräder auf einem Bergrücken in Niedersachsen
© dpa/Julian Stratenschulte

So weckt man Begeisterung für die Windkraft: Aufklärung ist besser als Belohnung

Für die Energiewende braucht es mehr Windkraftanlagen. Deren Bau wiederum ist vor Ort oft umstritten. Doch es gibt Möglichkeiten, die Akzeptanz zu erhöhen.

Die hämischen Hashtags ließen nicht lange auf sich warten: Der SPD-Vorschlag zu einem „Windbürgergeld“ ist auf Twitter flugs zu #Windbeutelgeld, #Wutbürgergeld und Ähnlichem mutiert. Die Debatte, die der SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch mit der Idee zu einer unmittelbaren Beteiligung von Windpark-Anwohnern an deren Erlösen angestoßen hat, kreiste am Wochenende weiter. Hinter dem Vorschlag steht die Absicht, die Akzeptanz für den Ausbau der Onshore-Windkraft zu erhöhen. Ohne diesen wäre das deutsche Ziel von 65 Prozent erneuerbarer Energie im Stromnetz bis 2030 nach Ansicht vieler Experten Makulatur.

Für die Kommunen – sie hoffen selbst auf einen Anteil an der Windernte – sind Direktzahlungen an Anwohner der falsche Weg, um die Akzeptanz zu steigern. „Wer die Energiewende will, der muss halt bestimmte Dinge auch tolerieren, und zwar entschädigungslos“, sagte Uwe Brandl, Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebunds. Er warnte auch vor Nebenwirkungen: „Wenn wir beginnen, für Stillhalten zu zahlen, dann wird das mit Sicherheit bei den Windrädern beginnen und wird dann über die Straßen und über andere Infrastrukturmaßnahmen weiterlaufen.“

Den geschäftsführenden Ministerpräsidenten von Thüringen, Bodo Ramelow (Linke), überzeugt die Idee ebenfalls nicht: „Statt eines Windbürgergelds brauchen wir eine echte Bürgerbeteiligung“, sagte er. Als Beispiele nannte er Bürgerenergiegenossenschaften oder Gemeindewerke. Auch der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) bevorzugt das Genossenschaftsmodell, bei dem bereits heute Renditen für die Bürger ausgeschüttet würden, wie er im Deutschlandfunk sagte. Direkte Zahlungen an Anwohner beurteilte er skeptisch.

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Zahlungen an Anwohner sorgen auch für Zwist

Einer, der die Akzeptanzdebatte in Deutschland schon lange beobachtet, ist Jürgen Quentin von der Fachagentur Windenergie an Land: „Klar ist, dass den Menschen, die die Anlagen jeden Tag sehen und hören, ein finanzielles Angebot gemacht werden sollte“, sagte der Referent für Energiewirtschaft und EEG im Gespräch mit Tagesspiegel Background. Priorität vor Direktzahlungen an Bürger hat für ihn eine Beteiligung der Gemeinden. „Das stärkt den Gemeinschaftsgedanken. Wenn die Kommunen das Geld erhalten, können sie Dinge tun, von denen alle etwas haben“ – beispielsweise damit dringend nötige Sanierungen öffentlicher Gebäude finanzieren.

Dass Geld für Windenergie im Gegenteil Zwietracht säen kann, wenn nicht alle in einer Gemeinde etwas davon haben, erlebten ländliche Ortschaften schon in den frühen Windkraft-Jahren. Der Profit spaltete manches norddeutsche Dorf in lokale Investoren und jene, die diese als „Windmüller – Landschaftskiller“ verfluchten.

Bei organisierten Windkraftgegnern in Bürgerinitiativen, die teilweise im direkten persönlichen Kontakt versuchen, auf das Bundeswirtschaftsministerium einzuwirken, dürfte die Chance, mit einem Windbürgergeld Kompromissbereitschaft zu erreichen, ohnehin gleich null sein. „Wir lassen uns nicht kaufen“, hieß es aus ihren Reihen schon in der Vergangenheit, wenn finanzielle Beteiligungsmodelle in die Diskussion gebracht wurden.

Statt Geld sollte über andere Vorteile der Windkraft gesprochen werden

„Diese Leute werden sich nicht umstimmen lassen“, ist Quentin überzeugt. Aber die vielen der Energiewende gegenüber Aufgeschlossenen und Neutralen könne man mit Beteiligungsmodellen erreichen. In Quentins Augen mangelt es der aktuellen Debatte aber an Bandbreite: „Es ist schade, dass im Moment fast nur über Geld gesprochen wird.“ Wichtiger sei es, Wege zu finden, die Aufklärung in der Bevölkerung zu verbessern, die Vorteile der Windenergie verständlich zu machen und Betroffene früh in die jeweiligen Planungsprozesse einzubeziehen. Als Beispiel nannte Quentin ein Mitspracherecht für Anwohner bei der genauen Anordnung neuer Windturbinen im Gemeindegebiet.

Schwierigkeiten für solche Verfahren sieht der Fachagentur-Experte, wenn die Windflächen unmittelbar von den Gemeinden ausgewiesen werden, wie es etwa in Nordrhein-Westfalen und Baden- Württemberg der Fall ist. In Gemeinderäten, in denen wortmächtige Windkraftgegner säßen, könnten diese am ehesten Blockadesituationen herbeiführen. Diese Gefahr bestehe weniger in den östlichen Bundesländern und in Hessen, wo die Flächenausweisung abschließend auf der Ebene der Regionalplanung stattfinde.

Anwohner gewöhnen sich an Geräusch eines Windparks

Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die bis Ende März Vorschläge erarbeiten soll, wie Bürger und Gemeinden künftig für Windräder in ihrer Umgebung belohnt werden können, kann wissenschaftliche Expertise zu Rate ziehen. Ein Team um die Umweltpsychologen Gundula Hübner und Johannes Pohl von der Universität Halle-Wittenberg hat zwischen 2012 und 2014 die Geräuschemissionen eines Windparks in Norddeutschland untersucht und Anwohner befragt.

Knapp zehn Prozent der Befragten, die sich von den Windrädern belästigt fühlten, gaben am Anfang des Untersuchungszeitraums zu Protokoll, mindestens einmal pro Monat unter Stresssymptomen zu leiden. „Dazu gehören beispielsweise Probleme beim Einschlafen, ein allgemein unruhiger Schlaf, negative Stimmung und eine stärkere Reizbarkeit“, erläuterte Pohl.

Eine erneute Befragung zwei Jahre später ergab, dass der Anteil der Menschen, die unter konkreten Symptomen litten, auf 6,8 Prozent gesunken war. „Viele Anwohner gewöhnen sich an die Geräusche des Windparks oder sie finden sich damit ab“, so Pohl. Rund ein Viertel der Betroffenen habe mit geschlossenen Fenstern geschlafen, um sich vor den Geräuschen zu schützen.

Eine Auffälligkeit, die die Psychologen feststellten: Menschen, die gegenüber Windkraftanlagen von vornherein sehr kritisch eingestellt waren, meldeten weiterhin die größten Probleme mit den Geräuschemissionen. Diese Gruppe habe auch wenig Interesse an Methoden zur Stressbewältigung geäußert. Die Forscher werteten das als Beleg dafür, wie schwer es sei, etablierte Einstellungen zur Windkraft zu verändern.

Daraus leiteten sie die Handlungsempfehlung ab, Probleme und Bedenken der Anwohner bereits in der Planungsphase mit ihnen zu thematisieren und diese Erfahrung möglichst positiv zu gestalten. Denn wie Anwohner die Planungs- und Bauphase erlebten, sei „ein entscheidender Indikator dafür, wie stark oder schwach sie am Ende von den Windanlagen beeinträchtigt werden“, sagte Pohl.

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