EU-China-Gipfel: Anzeichen einer Marktöffnung der Volksrepublik
Beim Treffen mit den EU-Chefs Juncker und Tusk lenkt Chinas Regierungschef in einigen Punkten ein. So soll europäische Technologie besser geschützt werden.
Normalerweise steht im Vorfeld diplomatischer Gipfeltreffen schon lange fest, was am Ende beschlossen wird. Dafür treffen sich Diplomaten und Unterhändler oft über Monate, um die gemeinsamen Positionen herauszuarbeiten, die am Schluss des Gipfels von den Machthabern beschlossen werden können. So war es auch beim Gipfel der EU und China, der am Dienstag in Brüssel startete. Allerdings war es denkbar knapp.
Erst kurz vor Beginn gelang eine Einigung auf eine Abschlusserklärung. Das zeigt: Die Auseinandersetzung zwischen der EU und China um faire Wettbewerbsbedingungen wird schärfer. Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte nicht von seinen Positionen abrücken wollen. Kurz vor dem Treffen mit Chinas Regierungschef Li Keqiang forderte er faire Bedingungen für europäische Firmen in China: Sie „sollten die gleichen Rechte haben wie chinesische Firmen in Europa.“
Noch am Freitag hatte überdies die EU China vorgeworfen, keine ausreichenden Zusagen bei Fragen des Marktzugangs und fairen Wettbewerbsbedingungen zu machen. Und so blieb lange unklar, ob es am Ende des Gipfels eine gemeinsame Abschlusserklärung der EU und Chinas geben würde.
Weniger Technologieabfluss nach China
Dann aber kam die Einigung in letzter Sekunde. Doch auf was hat man sich geeinigt? Den Angaben zufolge machte China in wichtigen Bereichen Zugeständnisse und stimmte etwa einer Verschärfung der Regeln für Subventionen von Industriegütern im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO zu. Der Entwurf der Abschlusserklärung enthalte zudem eine Ablehnung „erzwungener Technologietransfers“, hieß es weiter. Chinesische Gesetze schreiben ausländischen Unternehmen bei Zusammenschlüssen mit chinesischen Firmen derzeit vor, diesen Zugriff auf ihre Technologien zu gewähren.
Diplomaten zufolge wird die diesjährige Gipfelerklärung insgesamt „etwas ehrgeiziger“ ausfallen als im vergangenen Jahr. 2017 war der EU-China-Gipfel ohne Abschlusserklärung zu Ende gegangen. Grund war schon damals ein Streit über Handelsfragen. Ziel des Treffens in Brüssel war auch ein gemeinsames Bekenntnis zu einer multilateralen Weltordnung mit der UN als Kern sowie zum Pariser Klimaabkommen. Außenpolitisch ging es um die Nordkorea-Frage, das Atomabkommen mit dem Iran sowie die Lage in Afghanistan und Venezuela.
Erst vor wenigen Wochen hatte die EU einen neuen Mechanismus für verstärkte Kontrollen ausländischer Investitionen verabschiedet, der insbesondere auf chinesische Investitionstätigkeiten abzielt. Für die EU nahmen Ratspräsident Donald Tusk und Juncker teil, die EU-Staats- und Regierungschefs hingegen nicht.
BASF als Kronzeuge für die Marktöffnung
Im Vorfeld des Gipfels hatte China auf Maßnahmen der Marktöffnung hingewiesen. Als Kronzeuge dafür gilt das deutsche Dax-Unternehmen BASF. Der Ludwigshafener Konzern gilt als das erste Unternehmen weltweit, das bei einem neuen Investment in China erstmals kein Zwangs-Joint-Venture mehr mit einem chinesischen Unternehmen eingehen muss. BASF will in den nächsten Jahren zehn Milliarden Dollar in der Provinz Guandong in seinen zweiten chinesischen Verbundstandort investieren.
Die Produktionsanlage – ein „Steamcracker“ für die Herstellung von einer Million Tonnen Ethylen im Jahr – wird erstmals komplett im Besitz des deutschen Unternehmens sein. Allerdings: Die Kommunistische Partei Chinas ist trotzdem mit von der Partie. Jedes Unternehmen mit mehr als fünf Mitarbeitern in China muss Mitarbeiter der Staatspartei beschäftigen.
Bis vor kurzem konnten ausländische Investoren in China nur dann aktiv werden, wenn sie ein Joint-Venture mit einem chinesischen Unternehmen eingingen. Doch nun gibt das Gesetz für auswärtige Investitionen, das kürzlich in China verabschiedet wurde, ausländischen Investoren mehr Freiheiten. Die Negativ-Liste, die Branchen definiert, die für ausländisches Kapital komplett tabu sind oder wo sie ein Zwangs-Joint-Venture eingehen müssen, ist deutlich kleiner geworden.
Davon profitieren auch die deutschen Autohersteller, die in China massiv vertreten sind und dort seit Jahren gute Geschäfte machen. Schon 2018 ist der Zwang für Gemeinschaftsunternehmen im Bereich der Elektromobilität gefallen. Ab 2020 müssen ausländische Hersteller dann auch im Bereich von Nutfahrzeugen keine Joint Ventures mehr eingehen. Und ab 2022 fällt die Zwangs-Kooperation auch im Bereich von Pkws. BMW hat bereits angekündigt, seine Anteile an dem Joint Venture 2022 auf 75 Prozent zu erhöhen.
Deutsche Autobauer profitieren
Die deutschen Hersteller sind in China – seit 2013 der größte Markt für Pkw und Nutzfahrzeuge weltweit – mit starker Präsenz vertreten. Sowohl im Verkauf von Fahrzeugen als auch in der Produktion vor Ort. Wie zu hören ist, hat sich die Zusammenarbeit mit chinesischen Unternehmen auch gut eingespielt. Seit 2010 haben die deutschen Marken die Zahl der Fabriken von acht auf 30 nahezu vervierfacht.
2010 haben deutsche Hersteller in China 1,8 Millionen Fahrzeuge gefertigt, 2018 waren es 5,1 Millionen Stück. Der chinesische Fahrzeugmarkt ist binnen eines knappen Jahrzehnts auf mehr als die doppelten Stückzahlen angewachsen. 2010 wurden 11,3 Millionen Pkw in China verkauft, 2018 waren es 23,3 Millionen Stück.
Der Branchenverband VDA verlangt von China eine weitere Liberalisierung: „Die stärkere Öffnung der Märkte muss umgesetzt werden.“ Positiv sei neben der Lockerung bei der Joint-Venture-Politik die Absenkung der Autozölle. Handlungsbedarf gebe es noch viel, etwa beim Schutz des geistigen Eigentums. Der Verband sieht China inzwischen auf Augenhöhe mit den Industriestaaten. „Deshalb werben wir, dass China sich an international vereinbarten Regeln der Weltwirtschaft orientiert und weiter integriert.“
Der Asien-Pazifik-Ausschuss der deutschen Wirtschaft, der seit kurzem von Siemens-Chef Joe Kaeser geleitet wird, macht Druck für ein Investitionsabkommen zwischen der EU und China: Noch in diesem Jahr müsse es substanzielle Fortschritte geben. „Unternehmen aus der EU müssen in China gleiche Rechte und Pflichten eingeräumt werden ebenso wie chinesischen Firmen in der EU.“ Die EU-Kommission müsse in ihrer China-Politik einen dritten Weg zwischen konfrontativer Eindämmung und geduldigem Hinnehmen finden.
Der Chef der Europa-Grünen und China-Experte, Reinhard Bütikofer, fordert die EU auf, „Kooperationsbereitschaft mit klarer Kante“ zu zeigen. Es dürfe keine „nationalen Sonderwege“ in der China-Politik geben, sagte Bütikofer im Hinblick auf Mitgliedstaaten wie Griechenland, Ungarn und Italien. „Die EU muss zusammenstehen, um chinesischer Spaltungspolitik nicht ins Blatt zu spielen.“