Prozessauftakt gegen Drogerie-Gründer: Anton Schlecker weist alle Vorwürfe zurück
Der Prozess gegen Anton Schlecker hat begonnen. Vor Gericht bestreitet der Firmengründer alle Vorwürfe. Bis zuletzt will er nicht erkannt haben, wie schlecht es der Drogeriekette geht.
Gesagt hat er nichts. Anton Schlecker schweigt an diesem ersten Prozesstag. Alt ist er geworden, das Haar schlohweiß, die Haut blass. Jahre sind vergangen, seit die Öffentlichkeit ihn zuletzt gesehen hat, er hat sie gemieden, wann immer er konnte – am Montag hatte er keine Wahl. Die Bilder aus dem Gerichtssaal, Millionen Menschen werden sie sehen, zeigen Anton Schlecker sichtlich angespannt, ernst blickend, die Lippen fest aufeinandergepresst.
Es ist sein Anwalt, der im Namen des 72-jährigen Angeklagten sämtliche Vorwürfe zurückweist vor dem Landgericht Stuttgart. Anton Schlecker, einst Betreiber der größten Drogeriekette Europas mit 50.000 Beschäftigten, will bis zuletzt nicht erkannt haben, dass sein Unternehmen untergeht. Daran geglaubt haben, dass sich das alles noch irgendwie zurechtbiegen lässt. „Die Insolvenz seines Unternehmens war für ihn schlicht nicht vorstellbar. Die Firma war sein Lebenswerk – und blieb es bis zuletzt“, sind die Worte seines Verteidigers.
Den Kindern zahlte er vor der Pleite Millionen aus
Vielleicht ist es wirklich so gewesen. Vielleicht war Anton Schlecker tatsächlich so naiv. Die Staatsanwaltschaft ist anderer Auffassung. Er wusste, wie es um den Konzern stand: „Es ist fünf vor zwölf“, soll er auf einer Sitzung der Geschäftsführung schon lange vor dem Aus zu Protokoll gegeben haben. Wieso hat er Blitzüberweisungen getätigt, noch wenige Tage vor der Insolvenzanmeldung fünf Millionen Euro auf die Konten seiner Kinder verschoben, wenn nicht, um sie beiseite zu schaffen?
„Es ist nichts mehr da“, hatte Tochter Meike Schlecker kurz nach Bekanntwerden der Pleite in Mikrofone gesagt, der Satz ist legendär. Und erscheint vor dem Hintergrund dieser Transaktion geradezu zynisch. Anton Schlecker soll diese und noch ganz andere Summen bewusst den Gläubigern entzogen haben, um sich und seine Familie zu bereichern. Die Vorwürfe reichen von vorsätzlichem Bankrott über Beihilfe und Insolvenzverschleppung bis hin zu Veruntreuung von Firmenvermögen.
Geldschieberei mit System
Auch seine Frau Christa ist Beschuldigte, sie hat, so die Anklage, Hunderttausende für Beratertätigkeiten bekommen, ohne dass es eine echte Leistung gab. Weit mehr Vorwürfe richten sich jedoch gegen die Kinder, Lars und Meike. Ihr Logistikunternehmen LDG, das vornehmlich Waren für Schlecker durchs Land karrte, soll über Jahre völlig überzogene Rechnungen an den Vater geschrieben haben. Auf diese Weise häufte es Millionengewinne an, die fast eins zu eins an Lars und Meike weitergereicht wurden. Möglicherweise auch an die Eltern. Die Staatsanwaltschaft spricht von versteckten Gewinnausschüttungen.
Tochter, Sohn und Ehefrau lassen am Montag ebenfalls nur ihre Anwälte sprechen, pauschal alles bestreiten.
Ernst & Young segnete falsche Bilanzen ab
Anton Schlecker soll Bilanzen gefälscht, oder – milder ausgedrückt – geschönt haben, deswegen sind auch zwei Wirtschaftsprüfer von EY, Ernst & Young, angeklagt, die das abgenickt haben. Die Luxusrenovierung einer Berliner Wohnung von Lars und teure Reisen der Geschwister wurden aus der Firmenkasse bezahlt. Seine Enkel bedachte der Patriarch kurz vor der Pleite mit Geldgeschenken in Höhe von 800.000 Euro. Auch Immobilien wechselten den Besitzer: Die Villa im Heimatort Ehingen nahe Stuttgart hat er seiner Frau überschrieben. Einen Tennisplatz in der Nähe Lars und Meike. Drei Grundstücke in Österreich verkaufte er sechs Tage vor der Pleite deutlich unter Marktwert an seine Kinder.
Im Ergebnis können alle diese Werte nicht veräußert werden, um Schulden bei Vermietern, Lieferanten, Dienstleistern und Angestellten zu begleichen. Das wäre sonst der Fall gewesen, denn Anton Schlecker, der zeitweise 14.000 Filialen statt als GmbH als eingetragener Kaufmann führte, haftet mit seinem Vermögen persönlich. Nur vor diesem Hintergrund ergibt es Sinn, dass er zuletzt Rechnungen für seine Kinder beglich. Die konnten ihr Geld behalten und anschließend nicht belangt werden, das Schlecker-Loch indes wurde dadurch bloß noch ein Stückchen größer.
Der Prozess wird sich hinziehen
Der Verteidiger betont, dass Schenkungen legal seien. Nach der Insolvenz hatte Anton Schlecker vor dem Amtsgericht Ulm an Eides statt ausgesagt, welche Werte er wann abgegeben hat. In der Aufzählung fehlten aber mindestens zehn Posten, meint die Staatsanwaltschaft. Die eidesstattliche Versicherung wäre demnach falsch, seine Falschaussage strafbar.
Insgesamt geht es in Stuttgart um 42 Verfehlungen der Familie, mehr als 20 Millionen Euro in Einzelbeträgen. Die Richter haben 26 Verhandlungstage bis in den Oktober hinein angesetzt und schon jetzt die Ahnung, dass das nicht reicht. Man solle die Räumlichkeiten für zusätzliche Termine reservieren, baten sie am Montag.
Bereits am späten Vormittag war die gesamte Familie Schlecker wieder auf dem Heimweg. Wortlos stiegen sie ins Auto. Sie alle wollen sich äußern, hieß es – später. Anton Schlecker drohen im schlimmsten Fall zehn Jahre Haft.
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