Studie zu Open Data in Berlin: Analoges Geld aus digitalem Gold
Open Data kommt in Berlin nur schleppend voran. Das liegt auch an der Zurückhaltung der Unternehmen und der Verwaltung.
„Entschuldigen Sie, bitte.“ Ich hebe den Blick von meinem Smartphone. Vor mir steht eine etwas verzweifelt dreinblickende Dame Mitte 40, hinter ihr sammelt sich eine Horde Kleinkinder am U-Bahnausgang. „Wo geht es denn hier bitte zum Naturkundemuseum?“ Das hatte ich mich auch gerade gefragt. Da soll ich ja auch hin. Ich schaue zurück auf mein Smartphone auf meine Navigationsapp. „Da lang“, sage ich und schiebe mich vor der Kindergruppe in Richtung Museum.
Der Grund, warum es inzwischen so eine Bandbreite an Navigationsapps gibt, ist auch der Grund für meinen morgendlichen Besuch im Naturkundemuseum: offene Daten. Oder, wie es Nicolas Zimmer, der Vorsitzende der Technologiestiftung Berlin in einem Besprechungsraum des Museums nennt: „Digitales Gold für Wirtschaft und Gesellschaft“. Offene Daten sind Informationen über Orte, Dinge oder Menschen, die kostenlos von Programmierern benutzt werden dürfen. Alleine für Berlin hat die Technologiestiftung ein volkswirtschaftliches Potenzial von 30 Millionen Euro jährlich ermittelt, wenn solche von Ämtern, Behörden und öffentlichen Unternehmen erhobenen Daten der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden.
Die "Sterne über Berlin"
Für die jüngst vorgestellte Studie zum Stand von Open Data in Berlin hat Benjamin Seibel neun Bereitsteller und 21 Nutzer von offenen Daten befragt. „Das interessanteste Ergebnis für uns und die Teilnehmer der Studie selbst war eigentlich, wie viele Firmen, Kultureinrichtungen und gemeinnützige Organisationen es schon gibt, die mit offenen Daten arbeiten“, sagt Seibel. Darunter finden sich beispielsweise die Berliner Stadtreinigung (BSR), das Robert-Koch-Institut oder die Stromnetz Berlin GmbH.
Genutzt werden offene Daten in Berlin beispielsweise vom Zeiss-Planetarium, das dreidimensionale Datensätze zu Planetensystemen mit dem offenen Stadtmodell der Stadt Berlin verbindet, um die „Sterne über Berlin“ zeigen zu können. Keiner jedoch benutzt in Berlin wohl mehr offene Daten als Wikimedia: offene Bilder zu historischen Gebäuden, offene Karten zu Stadtteilen oder auch Namensverzeichnisse. Was immer die 25 000 Freiwilligen in Deutschland schaffen zu verarbeiten.
Offene Daten für die Natur vor der Haustür
Und dann ist da noch das Naturkundemuseum, eröffnet 1889. Was will eine Institution, deren Hauptattraktion gerade ein 65 Millionen Jahre altes T-Rex-Skelett mit Namen Tristan Otto ist, mit offenen Daten? Aktuell arbeitet das Museum im Rahmen des Projekts „Stadtnatur“ gerade an einer App, die Berlinern ermöglichen soll nachzuschauen, welche Pflanzen- oder Tierarten sich vor ihrer Haustür so tummeln. Basieren wird diese App größtenteils auf offenen Daten.
Warum werden immer noch so wenige Daten offen zur Verfügung gestellt? „Es ist leider so, dass die Berliner Verwaltung technisch immer mehr der rasant fortschreitenden Entwicklerszene hinterherhinkt“, sagt Seibel. Bislang müssten Verwaltungsmitarbeiter Daten mühsam per Hand in Berlins Open Data Portal einpflegen. „Das müsste eigentlich mit einem Knopfdruck gehen.“
Teufelskreis
„Es ist irgendwie ein Teufelskreis“, sagt Christopher Kraft von der Open Knowledge Foundation Deutschland, der gekommen ist, um sich die Studienergebnisse anzuhören. Die Verwaltungen hätten wenig Mittel und wenig öffentlichen Druck, Daten zu veröffentlichen. Deswegen erlebe die breite Bevölkerung nicht, welche praktischen Anwendungen möglich würden, gäbe es mehr offene Daten. Und weil sie das nicht erlebe, gebe es auch keine Forderungen nach mehr offenen Daten, die der Verwaltung als Motivation dienen könnten.
Ein anderes Problem wird in der Studie allerdings erst auf den zweiten Blick sichtbar: An der Umfrage unter Anbietern sind ausschließlich öffentliche Institutionen oder stadteigene Betriebe beteiligt. Aus der freien Wirtschaft ist keine Firma darunter. Denn diese wollen die offenen Daten der Stadt zwar gerne nutzen. Ihre Daten über die Stadt zur Verfügung zu stellen, kommt für sie nicht infrage. Aus digitalem Gold lässt sich schließlich analoges Geld machen.
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