Fördergelder für Luftreiniger: An der Schule vorbei
500 Millionen Euro stellt der Bund für Coronafilter bereit – bislang ist nicht ein Euro gezahlt worden. Berlin gibt 20 Million aus für Luftreiniger.
Gemeinsames Lernen ist für Kinder unverzichtbar. Und am besten funktioniert das immer noch im Klassenverbund – wenn die Luft rein ist. Mit Coronafiltern wollen die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg dazu beitragen und haben für 10 000 Euro einer Schule in Neukölln drei Geräte spendiert. Das macht die ganze Schule nicht sicherer, aber immerhin ein paar Räume, die nicht gut zu belüften sind. Die Walter-Gropius- Schule setzt die Luftreiniger zunächst in den Jahrgängen 1 und 2 der Grundstufe ein. Später sollen sie in der Oberstufe bei der Abiturprüfungen für saubere Luft sorgen.
3000 Euro für ein Gerät
Ein Jahr nach Beginn der Pandemie werden hier und da Schulräume mit den rund 3000 Euro teuren Geräten ausgestattet. Selbst in Berlin, wo vieles zäher verläuft als anderswo. Der Senat hatte Anfang November einen entsprechenden Beschluss gefasst, im Januar bekamen die Bezirke dann 4,5 Millionen Euro für den Kauf von 1200 Geräten. Bis Ostern will die Senatsverwaltung für Bildung beziehungsweise die landeseigene Immobiliengesellschaft BIM weitere 2800 und bis zum Sommer nochmals 3500 Geräte für insgesamt gut 15 Millionen Euro kaufen und an die Bezirke weiterreichen. In den Sommerferien wären dann also etwa 7500 Klassenräume in Berlin sauber.
Der Bund fördert nur Bestandsanlagen
Die Bundesregierung ist in anderen Dimensionen unterwegs. „Bundesförderung Corona-gerechte Um- und Aufrüstung von raumlufttechnischen Anlagen in öffentlichen Gebäuden und Versammlungsstätten“ heißt das Programm, für das der Bund 500 Millionen Euro bereitstellt. Im Herbst ging es los, 40 Prozent der Investitionskosten können sich seit Oktober Gebäudebetreiber aus dem Bundeshaushalt erstatten lassen, wenn es sich um öffentliche Gebäude handelt. „Hörsäle und Schul-Aulen, Theater und Museen sowie kommunale Versammlungsräume und Bürgerhäuser", möchte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) mit moderner Technik ungefährlicher machen. Doch die Sache hat einen Haken: Gefördert werden nur Bestandsanlagen. Also öffentliche Gebäude mit bereits vorhandenen Lüftungssystemen. Damit fallen die Schulen (fast) aus: Nur etwa jede zehnte Schule verfügt nach Einschätzung des Branchenverbandes Gebäude und Klima über eine Klimaanlage.
[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Pandemie live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können]
Das Bundesprogramm war ursprünglich beim Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat verortet und sah anfangs auch die Förderung mobiler Geräte vor. Das änderte sich, als der Fördertopf ins Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) wechselte. Das Ministerium wiederum übertrug die Abwicklung an das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa).
Fünf Millionen Euro sind bewilligt
Bis zu 100 000 gibt es vom Bund für Maßnahmen an bestehenden stationären raumlufttechnischen Anlagen in öffentlichen Gebäuden und Versammlungsstätten. „Die Maßnahmen müssen dazu dienen, das Infektionsrisiko ausgehend von potenziell virusbeladenen Aerosolen durch unzureichende Lüftung in geschlossenen Räumen zu senken“, teilt die Bafa auf Anfrage mit. Bislang sind 364 Anträge eingegangen, vor allem von Hochschulen (114), Schulen (52) und Krankenhäusern (46). 215 Anträge mit einem Fördervolumen von insgesamt 5,1 Millionen Euro hat die Bafa genehmigt, doch ausgezahlt wurde bislang kein Euro: die Verwendungsnachweise liegen der Bafa noch nicht vor.
Am Bedarf vorbei fördern
Am 25. August hatte sich der Koalitionsausschuss auf das Förderprogramm verständigt, seit dem 20. Oktober können Anträge gestellt werden, am 18. Februar ist noch kein Geld bei den Unis oder Krankenhäusern angekommen. „Wie kann man nur so am Bedarf vorbei fördern“, wundert sich der Fachverband Gebäude-Klima (FGK).
Die Firma Trox aus Neukirchen-Vluyn in Nordrhein-Westfalen ist nach eigenen Angaben der Marktführer bei Luftreinigern. „Das Bundesförderprogramm, das sich auf maschinelle Lüftungsanlagen bezieht und Luftreiniger ausschließt, hat keine Auswirkungen auf die Verkaufszahlen", teilt Trox auf Anfrage mit. Und länderspezifischen Förderprogramme seien leider kompliziert und teilweise nur für Räume, in denen „nicht ausreichend gelüftet werden kann“. Im Ergebnis würden kaum Fördermittel abgerufen.
Viele Geräte auf dem Markt
Trotzdem kommt Schwung in das Geschäft. Auf dem deutschen Markt sind inzwischen 40 bis 50 Geräte unterschiedlicher Hersteller verfügbar, davon etwa ein Dutzend für im Schnitt 3000 Euro, die Klassenräume mit einer Durchschnittsgröße von 203 Kubikmetern reinigen können. Beim Einsatz in Schulen gelten besondere Kriterien, dazu gehören Lautstärke, Zugentwicklung und der Volumenstrom. Zwei Meter sollten die Geräte schon hoch sein, sagt Günther Mertz, Geschäftsführer des Fachverbandes FGK, damit der Luftstrom so verläuft, dass die gesamte Luft im Klassenraum mehrmals in der Stunde durch den Filter gesaugt wird. Die Geräte reinigen nur die Luft. Für frischen Sauerstoff sind nach wie vor die Fenster zu öffnen.
Eine einheitliche Zertifizierung gibt es bislang nicht für die Filter. „Das böse Erwachen kommt also spätestens, wenn die Gerät aufgestellt wurden und sich dann herausstellt, dass sie zu laut und damit für den dauerhaften Einsatz in Schulen nicht geeignet sind“, heißt es bei Trox. Frank Mückisch, Bildungsstadtrat in Steglitz-Zehlendorf, hat 100 Luftreiniger von zwei verschiedenen Firmen für insgesamt 280 000 gekauft und dabei auf Luftdurchsatz und Geräuschpegel geachtet. Der Senat als Geldgeber hatte zur Bedingung gemacht, dass die Geräte über HEPA-13 oder sogar -14 Filter verfügen. HEPA steht für High Efficiency Particulate Air. Bei einem Filter der Güteklasse H14 liegt die Abscheideleistung bei 99,995 Prozent. Von 100 000 Schwebstoffteilchen oder Viren passieren also lediglich fünf den Filter. Bei H13 sind es mit 99,95 Prozent ein paar Mikroteilchen mehr, die nicht im Filter hängenbleiben.
In Zehlendorf kaufen Eltern Filter
Mükisch hat die 100 Geräte in Steglitz-Zehlendorf auf 24 Schulen verteilt - das ist nicht einmal die Hälfte der 60 Grund- und Oberschulen im Bezirk. Doch es tut sich was. „Die Eltern wollen selber Geräte anschaffen, und lassen wir jetzt auch zu“, sagt der Bildungsstadtrat und freut sich über das Engagement. Mückischs Kollege Oliver Schworck aus Tempelhof-Schöneberg, der bislang 78 Geräte auf 30 der 56 bezirklichen Schulen verteilt hat, schaut mit einem anderen Blick auf das Thema - und die Eltern: Qualitäts-, Wartungs- und Haftungfragen seien nicht geklärt, weshalb in Tempelhof-Schöneberg, keine privat angeschafften Luftreiniger in den Schulen aufgestellt werden dürfen.
Bundesweit kümmern sich unterdessen vor allem Behörden- und Amtsleiter um den Gesundheitsschutz ihrer Mitarbeiter: „Erstaunliche viele Ministerien, Ämter und Verwaltungen bestellen die Filtergeräte“, heißt es bei einem großen Hersteller. Damit wenigstens in den Amtsstuben die Luft rein ist.