Motivation im Homeoffice: Am Limit
Keine Lust mehr auf alleine arbeiten? Wie sich der Homeoffice-Trott erträglicher machen lässt.
Winterblues statt Neujahrseuphorie, Lockdown, Alltagstrott, Eiseskälte. All das geht an den meisten Menschen nicht spurlos vorbei. Doch sich einzukuscheln und noch einen Gang runterschalten, bis der Spuk vorüber ist, geht nicht. Viele müssen trotzdem Leistung bringen – dann eben von zu Hause aus.
Doch wer im Homeoffice arbeitet, wird leichter abgelenkt, durch Familie, den Haushalt, der erledigt werden muss, oder das Handy. Vielen fällt es schwerer, sich in der eigenen Wohnung zum Arbeiten zu motivieren. Aber woran liegt das? Und vor allem, was kann man dagegen tun?
Wie gut und motiviert jemand im Homeoffice klarkommt, hängt von den Umständen zu Hause, vor allem aber von der Persönlichkeit ab, wie Florian Becker weiß. Er ist Diplom-Psychologe und beschäftigt sich als Vorstand der Wirtschaftspsychologischen Gesellschaft mit Mitarbeiterpsychologie.
Gute Planung macht es leichter
Ein Faktor sei die emotionale Stabilität: Wer nicht so stabil ist, lasse sich von der Arbeit zu Hause stärker aus dem Gleichgewicht bringen und habe es schwerer, den Fokus auf die Arbeit zu richten. Außerdem spiele die Gewissenhaftigkeit eine entscheidende Rolle: Wer gut planen und strukturieren kann und sich dann auch daran hält, dem fällt es auch leichter, im Homeoffice motiviert zu bleiben.
Als drittes Persönlichkeitsmerkmal nennt Becker die Selbstregulation: „Wie gut kann jemand augenblicklichen Impulsen auch ohne soziale Kontrolle widerstehen?“ Wie sehr lässt man sich vom Handy oder Fernseher ablenken?
Becker rät, so gut es geht gegenzusteuern. Am besten sucht man sich einen festen Ort, an dem man zu Hause arbeitet. Dieser Platz werde dann auch gedanklich mit der Arbeit verknüpft. Und die Infrastruktur daheim muss passend gemacht werden. „Es sollte am besten nicht der wackelige Klappstuhl am Küchentisch vor dem fünf Jahre alten Notebook sein.“ Denn wenn die Technik nicht funktioniert, ist das zusätzlich demotivierend.
Unbedingt sollte man einen Plan aufstellen: Wann stehe ich auf? Wann arbeite ich, wann mache ich eine Pause? Wann kümmere ich mich um das Essen? Wann gehe ich raus? Wann treibe ich Sport? All diese Dinge sollte man so verbindlich und detailliert wie möglich festlegen. Nur so werden sie zu Gewohnheiten, und man bekommt eine feste Arbeitsstruktur.
Ablenkungen besser verbannen
Zum Thema Impulskontrolle rät Becker: „Wenn du Dinge hast, die dich ablenken und du kriegst es nicht in den Griff, dann kann es Sinn machen, zum Beispiel das jeweilige Gerät zu beseitigen.“ Er selbst habe etwa keinen Fernseher mehr. Leicht ist all das nicht, räumt Becker ein. „Es ist derzeit sehr viel intrinsische Motivation und Disziplin nötig, um weiter mit Vollgas zu arbeiten.“
Hinzu kommt: Online-Meetings ist inzwischen fast jeder leid, viele langweilen sich am heimischen Schreibtisch ohne neue Herausforderungen, und die Bindung zum Team und zum Unternehmen geht durch die Distanz nach und nach verloren. „Bei vielen läuft die Arbeit im Homeoffice wie ein Grundrauschen nebenher“, sagt der Coach und Autor Bernd Slaghuis. „Was erledigt werden muss, wird erledigt. Mehr aber nicht.“ Da helfe nur: aktiv werden, Probleme ansprechen, selbst etwas ändern. Zuerst sollte jeder Heimarbeiter überlegen: Was gibt mir Kraft? Was tut mir gut? Und das irgendwo am Tag einbauen. Das können verschiedene Sachen sein: „Morgens eine Sporteinheit, spazieren gehen, mit der Familie essen oder mit Freunden telefonieren.“
Zwar gebe Struktur Halt, sie enge aber auch ein, mache unflexibel – und demotiviere. Deshalb sollte man sich bewusst machen, was man Positives aus dem Homeoffice ziehen kann: „Viele sitzen da mit zu viel Schwere, dabei könnten sie das Homeoffice total genießen.
Das Heft selber in die Hand nehmen
Auch was die Arbeit direkt angeht, rät Slaghuis, das Heft selber in die Hand zu nehmen, etwa nur noch an Online-Meetings teilzunehmen, wenn es eine Agenda gibt. Oder anzusprechen, was einen stört und gemeinsam zu überlegen, was man ändern könnte. Führungskräfte sollten methodisch mehr Schwung in die Meetings bringen und mal andere Techniken oder Präsentationsformen nutzen.
Florian Becker schlägt ein „Abendblitzlicht“ vor, eine Videokonferenz kurz vor Feierabend, in der alle Teammitglieder sich kurz austauschen. Jeder sagt etwas dazu, wie es ihm geht, was an dem Tag gut, was schlecht gelaufen ist und er morgen besser machen will. Dies gleiche den fehlenden Kontakt zumindest ein wenig aus. Vorgesetzte sollten dabei Interesse zeigen, Fragen stellen und loben. Außerdem vermittelten solche Meetings das Gefühl: Zu Hause zu arbeiten ist normal, alle arbeiten, alle kriegen das hin. dpa
Elena Zelle
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