zum Hauptinhalt
Schlaue Tiere. Kakadus warten lieber auf eine bessere Belohnung statt sofort zuzugreifen.
© Alice Auersperg

Impulskontrolle: Jetzt noch nicht!

Kakadus widerstehen der Versuchung, sofort eine Belohnung zu vernaschen - wenn sie stattdessen später etwas bekommen, das sie noch lieber mögen.

Muppet hat es nicht leicht. Der schneeweiße Goffin-Kakadu hat aus der flachen Hand der Forscherin eine Pekannuss erhascht. Die ist OK, aber den Cashewkern in der anderen Hand würde er noch lieber knabbern. Er sieht sie, doch die Nuss ist außer Reichweite. Aus vorigen Tests weiß er: Nur wenn er die Pekannuss so lange aufhebt, bis sich die Faust der Forscherin öffnet und er dort die Pekannuss wieder ablegen kann, bekommt er im Austausch den leckeren Cashewkern. Kann er der Versuchung nicht widerstehen und nascht an der Pekannuss, ist der Handel nicht mehr möglich. Der Cashewkern wäre verloren.

Also platziert er die Pekannuss vorsichtig in seinem Schnabel, läuft an der Tischkante hin und her, dreht sich um, balanciert auf einem Bein. Dann schaut er doch nach: Ist der Preis noch da? Er nimmt die Nuss mit der linken Kralle immer wieder aus dem Schnabel, platziert sie neu, hält den Kopf schief. Irgendwann muss die Faust wieder aufgehen! Nach 40 langen Sekunden ist es soweit. Sofort befördert er die unbeschädigte Nuss in die offene Hand und macht sich über den Cashewkern her.

Nicht von ungefähr erinnert der Test an das berühmte Marshmallow-Experiment, das der Psychologe Walter Mischel in den 60er Jahren am Bing-Kindergarten der Universität Stanford machte. Sein Ergebnis: Menschenkinder können ab vier Jahren genug Willensstärke aufbringen, um eine Belohnung für einige Minuten aufzuschieben - auch wenn es sie Überwindung kostet. In den Jahrzehnten danach stellte sich heraus, dass Kinder, die ihre Impulse am besten kontrollieren konnten, auch noch als Erwachsene erfolgreicher ihr Leben meisterten.

Dass Tiere in so einem Experiment ebenfalls auf eine bessere Belohnung warten können, hielt man lange nicht für möglich. Doch Hunde schafften es genauso wie einige Affenarten oder Rabenvögel. Nun kommen die Goffin-Kakadus dazu, berichten Alice Auerspreng von der Universität Wien und ihre Kollegen im Fachblatt "Biology Letters" der britischen Royal Society.

Die Biologen ermittelten zuerst, welche Belohnung Kakadus wie Muppet am liebsten mochten. Dann testeten sie 14 der Tiere, ob sie sich für einen besonders attraktiven Leckerbissen zurückhalten konnten. Gerade für Kakadus ist das keine leichte Aufgabe. Denn sie horten normalerweise kein Futter - was sie finden, wird in der Natur sofort gefressen.

Trotzdem hielten die besten bis zu 80 Sekunden durch, schreiben Auerspreng und ihre Kollegen. Etwa die Hälfte wartete immerhin 40 Sekunden auf die attraktivere Belohnung. Die meisten verhielten sich in der Wartezeit ähnlich wie Muppet: Sie trugen den Ersatz-Preis im Schnabel umher, liefen nach rechts und links, wiegten die Köpfe, drehten sich um und beäugten dann doch wieder die begehrte Nascherei.

"Goffin-Kakadus verfügen eindeutig über Impuls-Kontrolle", schreiben Auerspreng und ihre Kollegen. Sie verhielten sich ökonomisch rational und kalkulierten nicht nur die Wartezeit, sondern auch den Wert der Belohnung ein. Die schiere Menge dagegen spielte für sie kaum eine Rolle.

Zur Startseite