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Ralf Kleber hat einen stationären Pop-up-Store am Kurfürstendamm eröffnet.
© DAVIDS/Sven Darmer

Amazon-Deutschlandchef im Interview: „Alle Geschenke sind pünktlich unter dem Weihnachtsbaum“

Amazon-Deutschlandchef Ralf Kleber über Zustellversprechen, fehlende Paketboten und die stockende Expansion bei der Lieferung von Lebensmitteln.

Herr Kleber, sind Sie in Weihnachtsstimmung oder überwiegt der Stress?

Ich freue mich wirklich auf Weihnachten und bin absolut nicht gestresst. Geschäftlich wie privat fühlt sich die Zeit anders an, in unseren Logistikzentren setzen sich Kollegen Weihnachtsmützen auf und sind noch einmal mehr motiviert. Aber natürlich freue ich mich auch, wenn ich nach dem Endspurt mal den Stecker ziehen und mich mit der Familie und Freunden entspannen kann.

Die steigenden Bestellmengen bringen die Paketauslieferer an ihre Grenzen. Sollte man in diesem Jahr früher seine Geschenke bestellen?

Wir haben es immer geschafft, alle Geschenke pünktlich unter den Baum zu bringen. Das wird in diesem Jahr nicht anders sein. Wir und unsere Partner in der Logistik sind ja alle darauf vorbereitet.

Die Paketdienste haben aber Probleme, genug zusätzliche Zusteller zu finden. Wird das nicht zum Flaschenhals?

Es gibt immer Verbesserungspotenzial. Deswegen experimentieren wir auch zusätzlich verstärkt mit eigenen Lieferungen, schon um zu lernen, wie man es noch besser machen kann und muss. Aber wie gesagt: Alle Zustellversprechen, die wir geben, halten wir ein, da muss sich niemand Gedanken machen.

Welcher Anteil wird von Amazon selbst ausgeliefert?

Das kann ich nicht beziffern, aber wir sehen uns als wichtigen Bestandteil der Zustellkette. Wir probieren da auch viel, von der Zustellung in einer Stunde bis zu unserem neuen Express-Dienst in München, wo wir eine große Palette von Artikeln bei Bestellungen bis 12 Uhr mittags noch am gleichen Tag liefern.

Ein Teil davon ist Amazon Flex, wo sich Privatpersonen als Paketzusteller für Amazon etwas dazuverdienen können. Wird das für Weihnachten ausgeweitet?

Flex gibt es in Berlin und München. Wir werden weiter mit Flex experimentieren. Der Kunden soll nicht darüber nachdenken müssen, wie er zu seinem Paket kommt. Das Paket muss ihn finden.

Manche Logistikunternehmen überlegen, nur noch gegen Zusatzgebühr an die Haustür zu liefern. Wird das passieren?

Unsere Kunden verbinden Amazon mit Versandkostenfreiheit. Die Prime-Mitglieder sowieso, alle anderen ab Bestellungen von 29 Euro. Das ist ein wichtiges Merkmal und ich sehe keinen Grund, warum wir davon abrücken sollen.

Was können Sie noch tun, damit die Logistik mit dem Wachstum mithält?

Wir investieren in Technik in unseren Logistikzentren, in Flugzeuge, Trucks oder Machine Learning, da gibt es ganz viele Aspekte. Insgesamt muss die Zustellung flexibler werden. Dabei werden beispielsweise Locker immer wichtiger, von denen wir jetzt deutlich über 400 haben. Aber auch die Zustellung in den Kofferraum oder sogar hinter die Haustür werden in Zukunft mit Sicherheit eine große Rolle spielen.

In Deutschland haben Sie Tests der Kofferraumzustellung schon vor längerer Zeit eingestellt. Kommt das zurück?

Wir schauen uns das global an und da haben wir die Kofferraumzustellung nicht beendet, sondern testen sie an anderer Stelle. Auch immer mehr Autobauer wie Volvo, VW oder Mercedes Benz experimentieren damit. Daher ist gut vorstellbar, solche Lösungen auch dem deutschen Kunden zugänglich zu machen.

Die letzte Konzernprognose war zurückhaltend. Der Umsatz soll geringer wachsen, als in den Vorjahren. Stößt nun auch Amazon an Grenzen?

Die Digitalisierung steht doch erst am Anfang. Wir haben jetzt über 300 Millionen Kunden; aber bald nutzen fünf Milliarden Menschen das Internet. Die restlichen 4,7 Milliarden tragen auch Kleidung und benötigen Dinge. Studien sagen, dass rund zehn Prozent der Ausgaben im deutschen Handel online erfolgen, das heißt aber auch 90 Prozent sind es noch nicht. Chancen zu wachsen gibt es also genug.

Auch beim Lebensmittellieferdienst Amazon Fresh?

Da ist seit einem Jahr keine neue Stadt hinzugekommen. Wir waren neun Jahre nur im Stadtgebiet von Seattle und haben immer die gleiche Frage gehört. Die Antwort ist immer noch gültig: Das ist kein Wettrennen. Die Kunden werden auch in den nächsten zehn oder hundert Jahren noch essen, insofern können wir uns Zeit lassen und unser bisheriges Angebot immer weiter verbessern und wo nötig anpassen.

Das klingt nicht nach Expansion. Es kann also auch sein, dass 2019 keine Stadt hinzukommt?

Wir würden erst darüber reden, wenn es passiert.

Rewe liefert derweil in 75 Städten. Werden Sie nicht abgehängt?

Das ist kein Tennismatch, es wird da nicht den einen Sieger geben. Im Übrigen verkaufen wir bereits seit 2010 deutschlandweit haltbare Lebensmittel wie Salz, Öl, Nudeln oder Reis, auch wenn das weniger wahrgenommen wird.

Ein großer Erfolg ist der Sprachassistent Alexa. Nur zum Shopping wird der nicht so viel genutzt, oder?

Alexa ist ein Assistent für viele Lebenslagen, dazu gehört das Einkaufen. Sie kann eine wichtige Rolle dabei spielen, Dinge zu finden, auszusuchen, zu vergleichen. Aber man muss bedenken, dass Alexa erst vor drei Jahren auf die Welt kam.

Bisher ist Alexa beim Einkauf keine große Hilfe, die Auswahl extrem beschränkt. Wenn ich Waschpulver bestelle wird mir nur Omo angeboten.

Was sicher eine gute Wahl ist!

Das müssen Sie sagen, es wird ja als „Amazons Choice“ und einzige Option vorgeschlagen. Wie erfolgt diese Auswahl?

… da spielen verschiedene Kriterien eine Rolle: Bewertung, schnelle Verfügbarkeit und was am häufigsten von anderen gekauft wurde. Eigentlich müsste es statt „Amazons Choice“ auch eher Auswahl-der-Amazon-Kunden heißen.

Die Wettbewerbsexpertin Heike Schweitzer warnt, die Beschränkung der Auswahl könnte den Wettbewerb gefährden. Wieso bevormunden Sie die Kunden?

Das tun wir nicht. Alexa ist eine weitere Möglichkeit, bei uns einzukaufen. Und übrigens: Stehen denn im Supermarkt alle Waschmittel der Welt? Wird der Kunde bevormundet, wenn ein Händler ihm nur fünf Nudelsorten anbietet?

Da hat er zumindest fünf zur Auswahl und nicht eine.

Ich halte diese Diskussion für nicht sehr sinnvoll. Händler wählen schon immer Produkte aus und bieten sie ihren Kunden an. Bei Alexa hängt derzeit auch viel von Ihren Präferenzen ab. Wenn Sie sagen, schick mir eine Kiste Becks alkoholfrei, bekommen Sie die. Alexa ist noch sehr jung, vieles wird da im Lauf der Zeit auch noch besser werden.

Das Kartellamt ermittelt gerade wegen des Vorwurfs von Wettbewerbsverstößen. Benachteiligen Sie die eigenen Händler?

Bitte haben Sie Verständnis, dass wir laufende Verfahren nicht kommentieren. Wir werden jedoch vollumfänglich mit dem Bundeskartellamt kooperieren und weiterhin daran arbeiten, kleine und mittlere Unternehmen in ihrem Wachstum zu unterstützen.

Ralf Kleber (52) hat 1999 bei Amazon in Deutschland als Finanzdirektor angefangen. Seit 2002 ist er Chef von Amazon-Deutschland und damit der dienstälteste Landeschef des US-Konzerns. Zuvor hatte der Betriebswirt als Controller bei Kaufhof und Escada gearbeitet. Amazon ist in Deutschland vor 20 Jahren gestartet. Das Land ist einer der wichtigsten Märkte.

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