Flugausfall und Verspätung: Air Berlins Kunden können auf Entschädigungen hoffen
Insolvenzantrag hin oder her: Passagiere von Air Berlin haben weiter Ansprüche auf Entschädigung, wenn es zu massiven Verspätungen oder Ausfällen kommt. Und dazu kam es zuletzt reichlich.
Die Kunden der Airline haben in den vergangenen Wochen erneut hohe Ansprüche auf Entschädigungen wegen Flugverspätungen und -ausfällen erworben. Allein bei Deutschlands größtem Fluggastportal Flightright sind seit dem 15. August, als die Airline Insolvenz angemeldet hat, über 1000 Fälle aufgelaufen. „Die Ansprüche der Kunden belaufen sich auf 450.000 Euro“, sagte Flightright-Gründer Philipp Kadelbach dem Tagesspiegel. „Air Berlin hat bisher aber noch nichts gezahlt“, kritisierte der Jurist.
Offensichtlich hat die insolvente Airline aber ihre Rechtsauffassung, ob Kunden Entschädigungen verlangen können, inzwischen geändert. Bisher hatte Air Berlin behauptet, nur Kunden, die ihre Tickets nach dem 15. August gekauft hätten, würden entschädigt. Alle anderen Fälle würden in die Insolvenzmasse fließen. Nun heißt es auf der Internetseite des Unternehmens, für Entschädigungen wegen Verspätungen komme es auf den Zeitpunkt des Fluges an. Für Kunden bedeutet das: Sie können trotz der Insolvenz Schadensersatz für Verspätungen und Annullierungen von Flügen nach dem 15. August verlangen, egal, wann sie das Ticket gekauft haben.
Gewerkschaften und Eurowings bereiten Übernahme vor
Was die Zukunft des Unternehmens angeht, bereitet die Lufthansa-Tochter Eurowings sich intensiv auf die Übernahme von Personal der Air Berlin vor. Mit der Flugbegleitergewerkschaft Ufo hat sich die Gesellschaft am Freitag grundsätzlich auf einen „Tarifvertrag Wachstum“ geeinigt, der die Bedingungen für schnelle Neueinstellungen festlegt. Insbesondere gebe es eine faire Vergütung und die Berufserfahrung der Wechsler werde angemessen berücksichtigt, erklärten Fluggesellschaft und Gewerkschaft am Samstag. Details sollen erst in der kommenden Woche bekanntgegeben werden.
Die Eurowings will bis zu 90 der mehr als 140 Jets des insolventen Konkurrenten übernehmen und hofft auf einen Zuschlag bei dem am kommenden Freitag endenden Bieter-Wettstreit. Parallel wird bereits seit Wochen intensiv um neues Personal geworben, bei dem erfahrene Air-Berlin-Flugbegleiter hochwillkommen sind. „Durch die gemeinsam vereinbarte Anerkennung von Vorerfahrungen bei Flugbegleitern können wir allen Bewerbern bei Eurowings faire und wettbewerbsfähige Vergütungsbedingungen anbieten. Gleichzeitig gibt es keine Nachteile für das Bestandspersonal“, erklärte Eurowings-Personal-Geschäftsführer Jörg Beißel.
Die bei Air Berlin starke Gewerkschaft Verdi fordert aber bislang kollektive Besitzstandsregelungen für das Personal, wenn das Unternehmen oder Teile davon den Besitzer wechseln. Dies sei wegen der Kürze der Zeit aber nicht das wahrscheinlichste Szenario, konterte Ufo-Tarifvorstand Nicoley Baublies. Mit dem Tarifvertrag Zukunft könne man externen Bewerbern, die bei Eurowings anfangen möchten, eine gute Lösung anbieten.
Die Ufo hat nach eigenen Angaben sämtliche offene Tariffragen bei den Eurowings-Teilgesellschaften Eurowings und Germanwings gelöst und will sie noch in diesem Monat ihren Mitgliedern zur Urabstimmung vorlegen. Nach Angaben beider Seiten gibt es Einigungen zu Entgelten, Gewinnbeteiligung und einer allein vom Arbeitgeber zu zahlenden Altersversorgung. Ufo verhandelt aber nur für einen Teil der rund 1400 Flugbegleiter. Mit der ebenfalls in den Betrieben vertretenen Verdi will Eurowings in der kommenden Woche verhandeln und einen möglichst inhaltsgleichen Tarifvertrag erreichen.
Bundesregierung sagt, sie mische sich nicht ein
Die Regierung hält sich nach den Worten von Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries aus der Aufteilung der insolventen Fluglinie heraus. "Die Politik ist nicht an den Verkaufsverhandlungen beteiligt", sagte die SPD-Politikerin dem Magazin "Focus". "Das entscheiden das Unternehmen und der Insolvenzverwalter." Zypries versicherte, "dass sich alle ernsthaften Interessenten um die Anteile bewerben können". Die "Welt am Sonntag" berichtete, in der Bundesregierung werde eine komplette Übernahme von Air Berlin durch eine andere Fluggesellschaft wie der Lufthansa aus kartellrechtlichen Gründen für nicht möglich erachtet.
Zypries wies Befürchtungen zurück, die Steuerzahler blieben auf dem vom Bund verbürgten 150-Millionen-Euro-Kredit der KfW an die Airline sitzen. "Wir gehen fest davon aus, dass genügend Erlöse aus dem Verkauf der Vermögenswerte erzielt werden, um den Kredit zurückzuzahlen", sagte die Ministerin. "Die vielen Interessenten zeigen, dass sie an die Zukunft des Unternehmens mit neuen Partnern glauben." Nicht zuletzt handele es sich bei dem Notkredit für Air Berlin um "einen Massekredit, das heißt, dass die Bundesregierung vorrangig im Insolvenzverfahren bedient wird". Hätte der Bund nicht für einen Kredit gebürgt, wäre "ein geordneter Verkauf der Vermögenswerte" nicht möglich gewesen.
Interessenten können noch bis zum 15. September ein Angebot für die Airline als Ganzes oder für Teile abgeben. Als potenzielle Käufer werden etwa die Lufthansa, die Thomas-Cook-Tochter Condor und der britische Billigflieger EasyJet gehandelt. Dem Air-Berlin-Management wäre der Zeitung zufolge ein Verkauf der Airline-Reste an einen einzigen Interessenten die liebste Lösung: "Wenn ein Bieter alles übernehmen würde, wäre das ideal", sagte ein Manager der Airline laut "WamS". "Je kleinteiliger Vermögenswerte abgestoßen werden, desto schwieriger wird es für uns." mit dpa und Reuters
Heike Jahberg