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Bald Geschichte: Ein Markt von "Kaiser's" in Berlin
© dpa/Marcel Mirgeler

Kaiser's Tengelmann und Reichelt in Berlin: Abschied von den alten Märkten

Kaiser’s und Reichelt verschwinden. Der Umbau hat begonnen, Rewe hat den ersten Kaiser’s-Markt in Berlin umgerüstet. Wie es weitergeht, sehen Sie auf unserer Karte.

Im Berliner Ortsteil Wittenau hat die Zukunft bereits begonnen. Zum Jahreswechsel konnten die Kunden noch in ihrem alten Kaiser’s-Markt in der Roedernallee Sekt und Feuerwerk einkaufen, seit Montag sind der Name und das Markenzeichen von Kaiser’s Tengelmann, die Kaffeekanne, verschwunden. Statt Kaiser’s steht nun Rewe am Eingang des Marktes, die Beschäftigen haben neue Kittel bekommen, die Kaiser’s-Eigenmarken werden peu à peu durch Rewe-Ware ersetzt. Unwiderruflich.

Was wird aus den Kaiser’s-Märkten?

Die Aufteilung der 121 Berliner Kaiser’s-Märkte zwischen Rewe, der Nummer zwei im Lebensmittel, und Branchenführer Edeka hat begonnen. 60 Märkte übernehmen die Kölner und machen Tempo. Jede Woche sollen fünf Läden umgestaltet werden, „bis Ende März wollen wir fertig sein“, sagt Rewe-Sprecher Raimund Esser. Edeka lässt sich mehr Zeit. Hier will man zunächst die Technik anpassen, erst dann werden die blau-gelben Schilder an die Märkte geschraubt. Sechs bis acht Wochen dauert es noch, bis die ersten Kaiser’s-Märkte als Edeka zu erkennen sein werden, schätzt Edeka-Sprecherin Bettina Stolt. Bis Mai, spätestens bis Juni sollen die Arbeiten abgeschlossen sein.

Warum verschwindet Reichelt?

Kaiser’s gehört dann endgültig der Vergangenheit an. Genauso wie Reichelt. Die über 100 Jahre alte Traditionskette gehört zwar schon seit 2003 zu Edeka, die 53 Filialen in Berlin und Brandenburg haben aber ihren Namen behalten. Doch das ändert sich jetzt. Weil Edeka nun schon einmal mit Aufräumen beschäftigt ist, wird auch der Name „Reichelt“ in wenigen Wochen von der Bildfläche verschwunden sein, Kaiser’s und Reichelt werden dann zu Edeka.

Was wird Rewe, was wird Edeka: Die Region im Überblick.
Was wird Rewe, was wird Edeka: Die Region im Überblick.
© Fabian Bartel

Steigen jetzt die Preise?

Den Traditionalisten unter den Berliner Kunden wird das Herz schwer. Doch nicht nur ihnen. Auch Wettbewerbsexperten sehen die Entwicklung kritisch, vor allem bei Kaiser’s. „Aus wettbewerblicher Sicht ist es wenig erfreulich, dass die Kaiser’s-Tengelmann-Filialen unter den beiden größten Lebensmitteleinzelhändlern Edeka und Rewe aufgeteilt wurden“, sagte der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, dem Tagesspiegel. Für die Verbraucher falle in einigen Regionen, darunter Berlin, eine wichtige Auswahl- und Ausweichmöglichkeit weg. „Da die Konzentration auf Händlerseite weiter voranschreitet, werden sicherlich auch die Beschwerden der Hersteller über die große Verhandlungsmacht der Händler nicht weniger werden“, vermutet Mundt. „Die Branche wird uns daher sicherlich, etwa im Rahmen der Missbrauchsaufsicht, weiter beschäftigen.“

Warum wird Kaiser’s dichtgemacht?

Mit dem Lebensmittelhandel kennt sich die Wettbewerbsbehörde gut aus. Mehr als zwei Jahre hatte sich das Drama um Kaiser’s Tengelmann und seine bundesweit rund 400 Filialen hingezogen. Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub wollte seine defizitären Läden an Edeka verkaufen, das Bundeskartellamt sagte Nein. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) wurde eingeschaltet, die Gerichte wurden bemüht, Altbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) schlichtete und in unzähligen Krisensitzungen zankten, drohten, kämpften und verhandelten die Supermarktbosse miteinander, oft auch gegeneinander. Am Ende stand ein Kompromiss: Edeka und Rewe teilen sich Kaiser’s Tengelmann, seit Jahresanfang ist der Deal juristisch gültig.

Sind die Jobs sicher?

5300 Menschen arbeiten in Berlin für Kaiser’s, 15.000 sind es bundesweit. Ihre Arbeitsplätze sind durch die Ministererlaubnis von Sigmar Gabriel für mindestens fünf Jahre sicher. Müssen nun die Beschäftigten bei Rewe und Edeka zittern? „Nein“, sagt Erika Ritter, Handelsexpertin bei Verdi in Berlin-Brandenburg. „Die Aufteilung von Kaiser’s darf nicht zum Verlust von Arbeitsplätzen bei Edeka oder Rewe führen, das haben wir tarifvertraglich geregelt.“ Sollten Rewe oder Edeka einen Kaiser’s-Laden in ihrer Nähe übernehmen, dürfen die Rewe- oder Edeka-Mitarbeiter nicht nach Hause geschickt werden – möglich sind aber Versetzungen.

Werden Rewe und Edeka noch mächtiger?

Nachteile drohen eher den Kunden und den Lieferanten, glaubt Daniel Zimmer. Zimmer war Chef der Monopolkommission, die das Wirtschaftsministerium in Wettbewerbsfragen berät. Aus Protest gegen Gabriels Ministererlaubnis hatte der Jurist 2016 seinen Posten niedergelegt. Auch heute noch sieht er die Aufteilung der Kette unter den beiden größten deutschen Lebensmittelkonzernen kritisch. „In vielen Berliner Stadtteilen liegen die Filialen von Kaiser’s und Rewe beziehungsweise Edeka nur wenige hundert Meter entfernt“, sagte Zimmer dem Tagesspiegel. Weil mit der Übernahme Konkurrenz verschwindet, müssten die Kunden damit rechnen, dass die Preise steigen. Und auch auf viele Lebensmittelproduzenten kämen härtere Zeiten zu. „Die großen Markenartikelhersteller, auf deren Produkte die Supermärkte nicht verzichten können, wird das weniger betreffen als viele mittelständische, regionale Anbieter. Denen droht eine deutliche Verschlechterung“, warnt Zimmer vor dem steigenden Verhandlungsdruck.

Warum kann Reichelt nicht bleiben?

Dagegen hat der Abschied von Reichelt eher folkloristischen Charakter. Bereits 1995 war der Lebensmittelhändler, der in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckte, mehrheitlich an Edeka gegangen, seit 13 Jahren gehört Reichelt dem Marktführer komplett. Die Sortimente sind weitgehend identisch. „Reichelt“-Spezialitäten wie das „Reichelt-Pilsener“ sollen die Umstellung überleben, verspricht Edeka-Sprecherin Stolt. Das gibt es dann eben bei Edeka. Der Zahn der Zeit geht auch an Reichelt nicht vorbei – obwohl es lange anders ausgesehen hatte. 2003 zum 100-jährigen Firmenjubiläum hatte man verkündet, dass die Kette noch weitere 100 Jahre das Berliner Stadtbild schmücken werde. Das ist nun vorbei. Einen „logischen Schritt“ nennt Stolt das.

Ein Bild aus alten Zeiten: Reichelt ist über 100 Jahre alt.
Ein Bild aus alten Zeiten: Reichelt ist über 100 Jahre alt.
© promo

Reichelt war 1903 von Otto Reichelt ursprünglich als „Kaffee Reichelt“ ins Leben gerufen worden und mauserte sich im Laufe der Zeit zum Pionier in der Berliner Lebensmittelbranche. Auf den Markt- und Warenverlust nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs reagierte der Supermarkt mit der Eröffnung einer eigenen Sirupkocherei. 1952 ersetzte Reichelt mit erstmals abgefüllter Milch den Milchmann, 1955 eröffnete die Kette den ersten Selbstbedienungsmarkt. Auf Wunsch vieler Berliner fügte die Marke kurz darauf frisches Obst und Gemüse ihrem wachsenden Sortiment zu. Seit 1961 konnten die Berliner aus einem umfangreichen Sortiment an Fleisch- und Wurstwaren wählen. Bis heute.

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