Wirtschaft im Osten Deutschlands: Abgehängt
Die Wirtschaft in den neuen Bundesländern hinkt auch 25 Jahre nach der Einheit hinterher. Das liegt an der speziellen Struktur der ostdeutschen Wirtschaft - die gleichzeitig ihr Wachstum und ihre Innovationskraft hemmt.
Dass die Wirtschaft im Osten Deutschlands der im Westen auch 25 Jahre nach der Einheit noch immer hinterherhinkt, hat vor allem mit der Größe ihrer Betriebe zu tun. Das ist das Ergebnis einer Studie, die das Beratungsunternehmen DIW Econ, eine Tochtergesellschaft des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), am Donnerstag in Berlin vorgestellt hat. Nach wie vor erreicht die Wirtschaftsleistung der ostdeutschen Bundesländer pro Kopf nur etwa 70 Prozent der Leistung im Westen. Gleichzeitig ist das Wachstum im Osten so schwach ausgeprägt, dass die Region der Studie zufolge in absehbarer Zeit nicht zum Westen aufschließen wird. Berlins Wirtschaft ähnelt eher der ostdeutschen Struktur: wenig Industrie und wenige Großunternehmen.
Die ostdeutsche Wirtschaft sei zu kleinteilig, heißt es in dem Gutachten. So sind die größten Unternehmen in Deutschland und auch alle Dax-Konzerne ausnahmslos in Westdeutschland angesiedelt. Auch die Zentralen von Großunternehmen sind in Ostdeutschland kaum zu finden. Nur etwa 20 Prozent der Angestellten arbeiten in Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern, im Westen sind es etwa 50 Prozent.
„Von der Infrastruktur her ist Ostdeutschland gut aufgestellt“, sagte Anselm Mattes von DIW Econ, unter dessen Leitung die Studie erstellt wurde. Teilweise schätzten ostdeutsche Unternehmer Faktoren wie die Verfügbarkeit von Gewerbeflächen oder Energiekosten sogar besser ein als ihre Kollegen in Westdeutschland. Auffällig sei aber, dass ostdeutsche Unternehmen weniger innovativ seien und sich weniger ins Ausland orientierten. „Die Leute im Osten sind nicht fauler und nicht dümmer“, warnte Iris Gleicke, Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, vor Vorurteilen. Wegen ihrer geringeren Größe hätten die ostdeutschen Unternehmen vielmehr ein anderes Profil: Viele ostdeutsche Unternehmen produzieren für Unternehmen im Westen, Ostdeutschland gilt deshalb vielfach immer noch als seine „verlängerte Werkbank“. „Und in solchen Fällen sitzt die Forschung und Entwicklung eben woanders“, sagte Gleicke. Neue Produkte oder neue Verfahren würden aber eher in den Zentralen entwickelt und dort getestet; die Zulieferer aus dem Osten könnten deshalb ihre niedrigere Produktivität selten steigern.
Unternehmer im Osten haben den drohenden Fachkräftemangel nicht im Blick
Was die ostdeutschen Unternehmen in den Westen liefern, seien einfache und vor allem günstige Vor- oder Zwischenprodukte. Sie realisierten damit eher eine Niedrigpreis-, denn eine Innovations- oder Qualitätsstrategie, bemängeln die Autoren der Studie. Die fehlende Orientierung der ostdeutschen Unternehmen ins Ausland ist vor allem deshalb problematisch, weil gerade das Erschließen neuer Märkte ein wesentlicher Wachstumsmotor ist. Wer sich nicht international ausrichte, könne nur schwer wachsen, schreiben die Autoren der Studie. An zu geringen Investitionen liegt es hingegen nicht, existierende Förderprogramme seien bekannt und würden genutzt. Entsprechend modern seien die Produktionsanlagen im Osten.
Bemerkenswert ist, dass ostdeutsche Unternehmer nach Erkenntnissen der Studie weniger über einen Mangel an Fachkräften klagen. Das sei allerdings kein gutes Zeichen, meinte Anselm Mattes, sondern zeuge von fehlendem Problembewusstsein. Zumal die demografische Situation im Osten noch prekärer sei als im Westen. Viele junge Menschen fänden nach dem Studium einen Job im Westen. Ostdeutsche Unternehmen unterschätzten häufig, welche Probleme auf sie zukommen könnten. „Kleine Unternehmen haben keine große Personalabteilung, die Kontakte zum Beispiel zu Universitäten aufbauen“, sagte Mattes. Je kleiner das Unternehmen, desto kurzfristiger plane es. Die Probleme würden lediglich in die Zukunft verschoben.
Die Experten von DIW Econ empfehlen, Fördergelder auf konkrete Handlungsfelder zu konzentrieren: den drohenden Fachkräftemangel, die Erschließung von Auslandsmärkten, Innovationen und die Vernetzung von Unternehmen. Auch empfehlen sie, verstärkt innovative Gründer zu unterstützen.
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