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Insgesamt 130 Trecker waren bei der "Wir haben es satt"-Demo auf Berlins Straßen unterwegs.
© REUTERS
Update

Großdemo für Agrarwende: 18.000 Öko-Aktivisten ziehen mit 130 Traktoren durch Berlin

"Wir haben es satt"-Bündnis hat parallel zur Grünen Woche für eine ökologisch-bäuerliche Landwirtschaft demonstriert. Landwirte reisen aus ganz Deutschland an.

Eine Kuhglocke ertönt über dem Potsdamer Platz in Berlin. Sie gehört dem Milchbauern Sebastian Sonner. Er ist extra aus Oberbayern nach Berlin gereist – zur „Wir haben es satt!“-Demonstration. Zum siebten Mal sind – laut Veranstalter – rund 18.000 Bauern und Umweltschützer parallel zur Grünen Woche zusammengekommen, um gegen die Agrarindustrie auf die Straße zu gehen. Mit 130 Traktoren an ihrer Spitze ziehen sie durch das Regierungsviertel. Das „Wir haben es satt“-Bündnis setzt sich für gesundes Essen, eine bäuerlich-ökologische Landwirtschaft sowie einen fairen Handel ein. Bauer Sonner fordert vor allem bei den Milchpreisen ein Umdenken in der Politik. „Unsere Milchprodukte dürfen nicht verramscht werden“, sagt er.

Neben ihm steht Karl-Eugen Kühnle vom Bundesverband Deutscher Milchviehhalter. „Wir brauchen eine obligatorische Milchmengensteuerung“, sagt der Landwirt aus Ulm. Die Milchpreise seien so niedrig, dass sie Existenzen vernichten. „So geht die bäuerliche Landwirtschaft zugrunde.“ Er appelliert an Agrarminister Christian Schmidt (CSU), endlich EU-weit einzugreifen.

Mehr Anreize für Bauern schaffen

Auch das Bündnis will Schmidt in die Verantwortung nehmen. Sprecher Jochen Fritz forderte den Minister auf, „Agrarpolitik für Bauern statt für die Agrarindustrie zu machen“. Er spricht sich für ein Ende der Subventionen für die Agrarindustrie aus. „Stattdessen brauchen wir Anreize für Bauern, die Tiere besonders artgerecht halten und umweltschonend wirtschaften.

In ihrem Neun-Punkte-Plan fordern die Aktivisten einen tier-, umwelt- und klimagerechten Umbau der Landwirtschaft. Dem Bündnis gehören rund 100 Organisationen aus verschiedenen Bereichen der Landwirtschaft, des Natur-, Tier- und Verbraucherschutzes sowie von Entwicklungsorganisationen an.

700 Landwirte kommen zu Gegendemo

Doch das ist nicht die einzige Demo an diesem kalten Wintertag in Berlin. Bereits am Morgen hatten 700 Bauern demonstriert, Bauern von der Gegenseite sozusagen. Ihr Motto: „Wir machen euch satt“. „Wir möchten daran erinnern, dass es unsere vorrangige Aufgabe ist, Lebensmittel in ausreichender Menge und sicherer Qualität ressourcenschonend zu erzeugen“, sagte die Tierärztin und Landwirtin Nadine Henke. Das werde in den gesellschaftlichen und politischen Diskussionen oft vergessen.

Am Potsdamer Platz füllt sich die Kreuzung. „Wir haben es satt“, rufen die Demonstranten. Das Motto der Kundgebung: „Agrarkonzerne, Finger weg von unserem Essen!“ Den Demonstrationszug führt ein Block aus Jungbauern an, die auf ihre eigenen Schwierigkeiten aufmerksam machen. „Wir brauchen dringend ein Agrarstrukturgesetz, das Landkauf- und Pachtrechte bevorzugt an junge Bäuerinnen und Bauern gibt, nicht an Investoren“, sagt Jungbäuerin Julia Rupp aus Baden-Württemberg. „Wir müssen den Niedergang der bäuerlichen Landwirtschaft und des Lebensmittelhandwerks aufhalten.“ Nach Angaben des Bündnisses mussten in den vergangenen zehn Jahren mehr als 10.000 Höfe ihre Existenz aufgeben

„Hopp, hopp, hopp, Agrarfabriken stopp“

Nicht nur Bauern sind nach Berlin gekommen. „Wir sind satt“ steht auf dem Transparent von Amelie Feuerstack. Damit will sie auf die Lebensmittelverschwendung aufmerksam machen. „Lebensmittel müssen teurer werden“, sagt sie. Nur so könne auch ein Umdenken bei den Verbrauchern stattfinden. Und: Lebensmittel mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum dürften nicht länger weggeworfen werden, sondern sollten dem, der sie noch will, zur Verfügung gestellt werden. Sie ist nicht zum ersten Mal zur „Wir haben es satt“-Demo gekommen. „Hier treffen sich Landwirte, aber auch Veganer und bewusste Verbraucher, die ein Umdenken fordern.“ Diese Mischung sei so besonders

Gegen Gentechnik, gegen Handelsabkommen wie Ceta und TTIP, die Demonstranten schlagen politisch den ganz großen Bogen. Mit einfachen Parolen. „Hopp, hopp, hopp, Agrarfabriken stopp“, rufen die Demonstranten. Am Brandenburger Tor sammeln sie sich zur Abschlusskundgebung. Das Gebimmel der Kuhglocke ist in den vielen Trillerpfeifen untergegangen.

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