Das Geschäft mit dem Eis: 110 Kugeln zum Glück
Acht Liter Eis essen die Deutschen im Schnitt pro Jahr - etwa 110 Kugeln. Besonders oft greifen sie auf Sorten zurück, die sie seit der Kindheit kennen.
Es ist kaum zu glauben, aber die Mango hat die Erdbeere abgelöst. Jedenfalls wenn man das ganze Jahr betrachtet. Jetzt im Hochsommer kommt die Mandarine ganz groß raus. „Ich weiß nicht, warum“, sagt Olaf Höhn, Chef der Berliner Firma Florida Eis. Birne, Ananas und Cranberry laufen dagegen nicht mehr ganz so gut. In ist auch Joghurt Sanddorn – „vielleicht wegen der Ostsee“, vermutet Höhn. Aber wer weiß schon, worauf die Verbraucher gerade Appetit haben. „Die Trends kommen zustande, ohne dass man vorher etwas ahnt“, sagt der Florida-Eis-Macher. Das zeige seine Erfahrung in den vergangenen drei Jahrzehnten.
Höhns Manufaktur produziert seit zwei Jahren in einer neuen Fabrik in Spandau. Am vergangenen Donnerstag erreichte sie einen Produktionsrekord: Allein 12 000 Familienpackungen Eis füllten die rund 40 Arbeiter ab – per Hand im Zweischichtbetrieb. Dazu kommen noch die Kleinpackungen und sogenannte Wannen für Cafés und die Gastronomie. Jetzt, wo es so heiß ist, kaufen schließlich alle Eis.
Die Deutschen kaufen mehr Multi- und Haushaltspackungen
Knapp acht Liter verspeist der Bundesbürger jedes Jahr im Schnitt: Das entspricht etwa 110 Kugeln. Den Großteil davon essen die Deutschen allerdings zu Hause. „Die Verbraucher kaufen verstärkt Multi- und Haushaltspackungen“, sagt Ernst Kammerinke vom Verband der deutschen Markeneishersteller. Je öfter die Kunden jedoch eine Packung im Gefrierschrank liegen haben, desto seltener holen sie sich ein Eis auf die Faust. So ist der Umsatz mit dem sogenannten „Impulseis“, das man sich spontan am Kiosk oder in der Eisdiele kauft, im vergangenen Jahr weiter zurückgegangen.
Ein Grund dafür dürfte der Preis sein. Denn während das Industrieeis in den letzten Jahren nur leicht teurer geworden ist, haben die deutschen Eisdielen ihre Preise kräftig erhöht. In der Regel zahlt man in Berlin mittlerweile pro Kugel einen Euro, oft auch deutlich mehr. Zwar ist das im Vergleich zu anderen Ländern noch wenig – in Frankreich und Spanien kostet die Kugel im Schnitt bereits 2,50 Euro oder mehr. Doch die Deutschen sind beim Eis knauserig. „Sie wollen gute Qualität, aber dafür nur wenig zahlen“, sagt Annalisa Carnio vom Eisdielenverband Uniteis. Die gestiegenen Preise begründet sie vor allem mit den höheren Kosten für Miete und Strom. Auch der Mindestlohn spiele eine Rolle. Wer eine Eisdiele betreibt, muss seinen Verkäufern seit Anfang des Jahres mindestens 8,50 Euro die Stunde zahlen. „Die Margen der Eisdielen sind kleiner geworden“, sagt Carnio. Das heißt: Trotz gestiegener Preise machen die Betreiber weniger Gewinn.
Der Unterschied zwischen "Aus eigener Herstellung" und "hausgemacht"
9000 Eisdielen gibt es derzeit deutschlandweit. Allerdings stellen nur 3300 von ihnen ihr Eis selbst her, die übrigen werden von größeren Firmen beliefert. Das ist der feine Unterschied zwischen „ Aus eigener Herstellung“ und „hausgemacht“. Denn nur wenn das Eis als „hausgemacht“ beworben wird, wird es tatsächlich vor Ort in einer an die Eisdiele angeschlossenen Küche hergestellt.
Im hessischen Heppenheim sind die Dimensionen dagegen ganz andere: Dort steht eine der größten Eisfabriken Europas. Pro Minute laufen in Heppenheim 2000 Magnum-Eis von Langnese vom Band. 600 Mitarbeiter machen jedes Jahr rund 1,5 Milliarden Portionen Eis, der Großteil davon Magnum. Vor 26 Jahren kam die Unilever-Tochter mit dem ersten Magnum auf den Markt, damals ein Vanilleeis umhüllt mit hochwertiger, dicker Schokolade. Heute gibt es so viele Magnum-Sorten, dass Langnese Marken-Managerin Susanne Lutkat selbst nicht alle im Kopf hat. Aber natürlich Magnum Pink, das erst vor ein paar Wochen auf den Markt kam und Lutkat zufolge der „Jahreshit“ ist. Das Himbeereis mit dem pinkfarbenen Schokoüberzug sei vor allem bei Frauen beliebt.
Je heißer es ist, desto mehr ist Früchteeis gefragt
Langnese ist hierzulande nach eigenen Angaben mit einem Anteil von 35 Prozent Markführer vor Nestlé/Schöller/Mövenpick. Die Konkurrenz setzt in diesem Jahr auf Pirulo Wassermelone. Ein „absoluter Renner“, sagt Nestlé-Marketingleiterin Barbara Groll. Wasser, Zucker, Fruchtsäfte aus Fruchtsaftkonzentrat (Apfel und Melone) – und schon hat man die Zutaten für einen Sommererfolg. Zwar essen die Deutschen an sich lieber cremiges Eis – die Lieblingssorten bleiben Vanille, Schokolade und Stracciatella. Bei Hitze greifen die Leute aber dann doch verstärkt zu Frucht- und Wassereis. „Cremiges Eis hinterlässt ein deutlich wärmeres Mundgefühl, während Fruchteis und Wassereis sich im Mund deutlich kühler anfühlen“, sagt Groll.
Auch wenn der Trend in jüngster Zeit zu Frozen Yogurt ging, bleiben doch die bewährten Sorten wie Carimbi, Himbi, Big Sandwich oder Mövenpick Macao beliebt. „Grundsätzlich ist es so, dass die Menschen Klassiker mögen, die sie schon aus der Kindheit kennen, mit denen sie schöne Erinnerungen verbinden“, sagt Groll.
Die Klassiker kommen zurück
Das bestätigt auch der Berliner Eishandwerker Höhn, der inzwischen unter der Marke Florida Eis um die 80 Sorten verkauft, und der Wettbewerber Langnese. Die Tochter des Unileverkonzerns hat im vergangenen Jahr zum Beispiel Dolomiti wieder in die Kühltruhen gebracht. „Ganz Deutschland hat es gefordert“, behaupten die Marketingleute. „Und das Beste: Es schmeckt mindestens genau so gut wie früher. Getreu dem Original sind die Farben genau so knallig und der Waldmeistergeschmack genau so waldmeisterig wie früher.“ Da kann ja nichts mehr schief gehen. Und in diesen Sonnentagen sowieso nicht.
Der Umsatz in den Berliner Florida-Eiscafes ist derzeit dreimal so hoch wie an klimatisch normalen Tagen. Irgendwann demnächst bitten seine Mitarbeiter dann um Regen, weiß Höhn aus Erfahrung. „Die Leute sind kaputt.“ Auch der Berliner Eisunternehmer, der mit 20 Rezepten vom Vorbesitzer und vier Mitarbeitern vor 30 Jahren begonnen hat, besinnt sich wieder auf alte Sorten. Im Herbst belebt er mit Waldmeister und Eierlikör zwei Traditionsspezialitäten wieder. Außerdem hat der Berliner mit Köllnflocken ein Eis mit Haferflocken entwickelt; gerade wird das neue Produkt in einem Hamburger Lebensmittelmarkt getestet.
Höhn hat weitere Pläne. Von Prinz Luitpold von Bayern hat er die Markenrechte am König-Ludwig-Eis erworben und macht das nun zum Premiumprodukt in der Florida-Linie. Bislang gibt es das Eis nur in Bayern und in Cafés, doch Höhn will mit seiner Spitzenmarke auch in den Berliner Handel. Und zwar so schnell wie möglich. Denn 2016 erwartet der FloridaChef – ein Anhänger des hundertjährigen Kalenders des Abtes Moritz Knauer – einen Jahrhundertsommer.
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