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Ein ukrainischer Soldat in der Nähe der Kontaktlinie in der Region Donezk.
© Oleksandr Klymenko/Reuters
Update

Kein Durchbruch in Verhandlungen: Warum die Friedensgespräche für die Ukraine so schwierig sind

In Berlin wurde über eine Friedenslösung für die Ostukraine verhandelt - ohne Ergebnis. Die Minsker Abkommen gelten längst als Teil des Problems. Eine Analyse.

Die Verhandlungen in Berlin dauerten deutlich länger als geplant: Bis in den späten Abend saß der außenpolitische Berater von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Jens Plötner, am Donnerstag noch mit seinen Kollegen aus Kiew, Moskau und Paris zusammen.

Angesichts des russischen Truppenaufmarsches an der Grenze zur Ukraine richten sich nun Hoffnungen auf ein sieben Jahre altes Abkommen: Die Minsker Vereinbarungen sollen den Weg zu einer Friedenslösung für die Ostukraine aufzeigen – und am besten zugleich die aktuelle Krise entschärfen. Doch die Abkommen von Minsk gelten mittlerweile bei denjenigen, die mit den Details vertraut sind, weniger als Weg zur Lösung denn als Teil des Problems.

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So ging das Treffen in Berlin nach mehr als neun Stunden ohne Ergebnis und ohne gemeinsames Abschlussdokument zu Ende. Von „schwierigen“ Gesprächen war in Verhandlungskreisen die Rede. Alle vier Teilnehmer betonten allerdings, an den Minsker Vereinbarungen festhalten zu wollen. Er hoffe, dass die Verhandlungen bald fortgesetzt würden, sagte der ukrainische Präsidialamtschef Andrij Jermak nach den Gesprächen. Zuletzt hatten sich die Berater vor zwei Wochen in Paris getroffen.

Die beiden Vereinbarungen, die Russland und die Ukraine 2014 und 2015 unter deutscher und französischer Vermittlung geschlossen hatten, enthalten eine Reihe von Schritten, um den Krieg in der Ostukraine zu beenden. Doch die Umsetzung kommt seit Jahren nicht voran, nicht einmal der Waffenstillstand wird eingehalten. Die Sache mit den Minsker Vereinbarungen gestaltete sich komplizierter als gedacht. So fehlt in dem Friedensplan eine klare zeitliche Abfolge der Schritte zum Frieden.

Verschiedene Auslegungen in Kiew und Moskau

Dieses Manko sollte später die nach dem damaligen deutschen Außenminister benannte „Steinmeier-Formel“ beseitigen. Demnach müsste die Ukraine den selbsternannten Volksrepubliken einen vorläufigen Sonderstatus ab dem Tag gewähren, an dem dort Wahlen stattfinden. Wenn die Wahlen als frei und fair eingestuft werden könnten, würde der Sonderstatus dauerhaft in der ukrainischen Verfassung verankert. Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte dieser Formel trotz innenpolitischer Kritik zugestimmt. Doch auch damit ist der Dissens zwischen Kiew und Moskau nicht ausgeräumt.

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Die Ukraine hält freie Wahlen im Donbass erst dann für möglich, wenn Moskau seine Kämpfer und Waffen abgezogen hat und die Grenze zu Russland wieder unter ukrainischer Kontrolle ist. Dagegen behauptet der Kreml seit 2014, selbst nicht Konfliktpartei zu sein, obwohl die Separatisten in der Ostukraine von Russland weitgehend gelenkt und finanziert und von russischen Kämpfern und mit russischen Waffen unterstützt werden.

Moskau mahnt vor allem aus einem Grund immer wieder die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen an, wohl wissend, dass dies für Kiew inakzeptabel ist: Ein Sonderstatus für die Ostukraine und die entsprechende Verfassungsänderung hätten nach Moskaus Lesart zur Folge, dass die „Volksrepubliken“ ein Vetorecht bei Entscheidungen der Zentralregierung erhielten. Damit könnte ein Beitritt des Landes zu EU und Nato verhindert werden. Die ukrainische Auslegung der Vereinbarungen sieht dagegen derart weitreichende Mitspracherechte nicht vor.

Der Kreml erhöht den Druck

Russland will zudem erreichen, dass die Ukraine direkt mit den Separatisten über die weiteren Schritte im Friedensprozess verhandelt. Das lehnt die Regierung in Kiew ab, weil solche Gespräche eine Anerkennung der selbsternannten Volksrepubliken darstellen und Moskaus Legende vom „Bürgerkrieg“ ohne russische Beteiligung stützen würden.

Derzeit erhöht der Kreml den Druck auf die Ukraine, die Minsker Vereinbarungen – natürlich in der russischen Lesart – umzusetzen. Präsident Wladimir Putin kritisierte, die Vereinbarungen würden von der Ukraine ignoriert. Zugleich wächst in Kiew die Sorge, die westlichen Partner könnten das Land zu Zugeständnissen mit tiefgreifenden Folgen drängen, um Putin zum Rückzug seiner rund um die Ukraine stationierten Truppen zu bewegen.

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