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Zum Mitleiden. Für das Team von Prokop läuft es noch nicht.
© REUTERS

Handball-EM in Kroatien: Zu viele Knöpfe für Christian Prokop?

Der Bundestrainer wirkte im bisherigen Turnierverlauf wie ein Fahranfänger in einem Formel-1-Wagen. Vor der Hauptrunde ist der Druck enorm.

Es gibt diese eine Aufnahme von Uwe Gensheimer, sie zeigt den Kapitän der Handball-Nationalmannschaft während einer Auszeit. Ein paar Zentimeter weiter steht Bundestrainer Christian Prokop, er redet auf seine Spieler ein, verschiebt Magnete auf seiner Taktiktafel, gibt Anweisungen. Gensheimer scheint allerdings nicht so recht zu glauben, was der Chef da gerade vorgibt, in seinem Blick liegt eine gehörige Portion Skepsis, die Augen zusammengekniffen: Ist das jetzt sein Ernst? So sollen wir das machen? Müsste man die imaginäre Sprechblase über Gensheimers Kopf ausfüllen, wäre das der passende Text.

Womöglich deutet man zu viel in diese Szene hinein, die sich bei der Europameisterschaft in Kroatien im Verlauf der Vorrunde abgespielt hat. Womöglich ist Gensheimers Mienenspiel schlichtweg unglücklich, dem Stress geschuldet. Womöglich ist es aber auch ein Sinnbild für die bisherigen Auftritte des Nationalteams und ihres Trainers: Prokop hat in der ersten Turnierwoche seines ersten großen Turniers nicht immer den glücklichsten Eindruck abgegeben. Bisweilen wirkte er wie ein Fahranfänger, der urplötzlich einen Formel-1-Wagen unterm Hintern hat und nicht so recht weiß, welchen der zahlreichen Lenkradknöpfe er denn nun betätigen soll. Passend zu diesem Bild hat Bob Hanning, der Vizepräsident des Deutschen Handball-Bundes (DHB), wenige Stunden nach dem erneut schmeichelhaften Remis gegen Mazedonien (25:25) am Mittwochabend einen wunderbaren Satz gesagt. „Wir müssen jetzt zusehen, dass wir die PS auf die Straße bringen, die unsere Mannschaft hat.“

Mit der Autorität des Bundestrainer ist das so eine Sache

In der am Freitag beginnenden Hauptrunde – erster Gegner ist Tschechien (18.15 Uhr/ZDF), später folgen Dänemark und Spanien – besitzt die deutsche Mannschaft zwar weiterhin alle Optionen auf den Halbfinaleinzug. Allerdings wird sie sich nun, da die Gegner besser werden und der Druck steigt, keinen weiteren Ausrutscher erlauben dürfen, wenn das Halbfinale ein realistisches Ziel bleiben soll. Vieles wird dabei vom Bundestrainer und seinen personellen Entscheidungen abhängen. Bislang war der 39-Jährige nicht der erwünschte Ruhepol an der Seitenlinie, im Gegenteil; seine hektische, sprunghafte Art übertrug sich oft auf das Spielfeld und sein Team, dem gerade in kritischen Situationen die Souveränität eines Titelverteidigers abging. Häufige, zum Teil nicht nachvollziehbare Wechsel taten ihr Übriges.

„Ich finde, wir haben nicht so schlecht gespielt wie es von vielen dargestellt wird“, sagt Steffen Weinhold, mit 31 Jahren einer der Erfahrensten im Nationalteam und gegen Mazedonien mit neun Treffern gewissermaßen die Rettung. „Die Gegner waren gut, sehr emotional, kämpferisch stark, das darf man nicht einfach so abtun“, ergänzt er. Weinhold räumt aber auch ein, dass die Nationalmannschaft noch Steigerungspotenzial besitzt. „Jeder muss zusehen, dass er seine individuelle Klasse besser auf die Platte bringt.“ Vor allem fehlt der DHB-Auswahl die mannschaftliche Geschlossenheit und das Selbstvertrauen, die das Team unter Vorgänger Dagur Sigurdsson zurück in die Weltspitze geführt haben.

Auch mit der Autorität des Bundestrainer ist das so eine Sache. Im Vorrundenspiel gegen Slowenien etwa setzten sich einige Nationalspieler über die Vorgaben Prokops hinweg, der in einer Halbzeit fünf verschiedene Besetzungen in seinem Mittelblock ausprobiert hatte – so viele wie andere Nationen im gesamten Turnier. Anführer der kleinen Revolte waren die erfahrenen Abwehrspezialisten Patrick Wiencek und Hendrik Pekeler. Prokop forderte, dass das Duo vergleichsweise offensiv deckt – Wiencek und Pekeler taten genau das Gegenteil. Und hatten Recht damit; in Halbzeit eins kassierten die Deutschen 15 Tore gegen die Slowenen, in Halbzeit zwei waren es nur derer zehn. Auch in der finalen Aktion des Mazedonien-Spiels folgte das Team nicht der vorgegebenen Marschroute des Trainers. Der Ausgang ist bekannt.

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