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Die deutsche Mannschaft um Kapitän Uwe Gensheimer startet heute gegen Montenegro (Beginn 17.15 Uhr, live im ZDF) in das Turnier. Foto: Monika Skolimowska/dpa
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DHB-Vize Bob Hanning im Interview: "Diese Neid-Debatte ist typisch deutsch"

Bob Hanning über die Kritik an Bundestrainer Christian Prokop, die EM-Chancen des Titelverteidigers und den Stellenwert des Handballs in Deutschland.

Herr Hanning, an diesem Samstag startet Deutschlands Handball-Nationalmannschaft als Titelverteidiger in die Europameisterschaft. Vor dem Turnier haben Sie die Spieler vor Überheblichkeit gewarnt. Besteht Grund zur Sorge?

Wir sind ja bei der WM 2017 in Frankreich an uns selbst gescheitert und an unserem Auftritt, das Aus gegen Katar im Achtelfinale hatte viele Faktoren. Deshalb hoffe ich, dass wir alle aus den Fehlern gelernt haben, die wir vor einem Jahr gemacht haben. Dann sind wir gut genug, um sportlich erfolgreich zu sein. Wenn wir aber der Meinung sind, das war nur ein dämlicher Ausrutscher, dann werden wir ein böses Erwachen erleben. Deshalb habe ich dieses Thema noch einmal gesondert angesprochen, ebenso wie der Bundestrainer im internen Kreis.

Wie ist denn Ihr Bauchgefühl vor dem Start ins Turnier?

Ich habe ein gutes Gefühl – was allerdings kein gutes Zeichen ist. Ich bin dann nämlich sehr oft enttäuscht worden. Wenn ich dagegen gar nicht dran geglaubt habe, sind die unmöglichsten Dinger passiert. Deshalb ist mein Bauchgefühl das letzte, worauf wir uns verlassen sollten. Von allem, was ich von der Mannschaft und vom Bundestrainer gehört und gesehen habe, bin ich aber sehr positiv gestimmt.

Die sportliche Klasse besitzt das Nationalteam ja auch, daran besteht kein Zweifel, oder?

Die wichtigsten Fragen sind: Wer steuert unser Spiel? Wie kommen wir nach so kurzer Zeit mit den Umstellungen in der Abwehr zurecht? Und wer ist die positive Überraschung des Turniers, der Spieler, den vielleicht niemand auf dem Zettel hatte? Wenn wir darauf gute Antworten finden, können wir davon träumen, weit zu kommen.

Was heißt das genau? Wie sieht die konkrete Zielvorgabe aus?

Ich warne ausdrücklich davor, jetzt schon über die Hauptrunde oder das Halbfinale zu sprechen. Der Grundstein für ein gutes Turnier wird in der Vorrunde gelegt: Gehen wir ohne Punktverlust daraus hervor, sind die Chancen auf den Halbfinaleinzug ziemlich gut. Verschlafen wir die Vorrunde, wird es sehr schwierig. Deshalb gilt: volle Konzentration auf die erste Woche, dann können wir uns vielleicht sogar ein schwaches Spiel erlauben, um wieder aufzuwachen und die letzten Tage entschlossen anzugehen.

In der Vorrunde warten in dieser Reihenfolge Montenegro, Slowenien und Mazedonien – klingt durchaus machbar.

Moment! So wollen und dürfen wir nicht denken. Slowenien war bei der letzten WM Dritter, wir sind im Achtelfinale rausgeflogen. Außerdem sind das drei Auswärtsspiele, die Fans unserer Gegner haben eine vergleichsweise kurze Anreise und werden ordentlich Stimmung machen. Andererseits kennen unsere Spieler das ja aus der Bundesliga; da spielen sie auch Woche für Woche in fremden Hallen, in denen mehrere tausend Menschen gegen sie sind und pfeifen.

Die Nominierung von Bundestrainer Christian Prokop hat in dieser Woche hohe Wellen geschlagen, weil er ein paar Spieler aus dem Kader gestrichen hat, die als gesetzt galten, Abwehrchef Finn Lemke etwa. Sie haben anschließend kritisiert, dass das „eine typisch deutsche Debatte“ sei. Was meinen Sie damit?

Ich stehe seit 2013 beim DHB in der Verantwortung und musste mir in dieser Zeit immer wieder von vermeintlichen Experten Sachen anhören, die ich nicht nachvollziehen kann. Als wir zum Beispiel Dagur Sigurdsson zum Bundestrainer gemacht haben, war die Empörung groß und alle haben gerufen: Vetternwirtschaft! Ebenso, als Dagur mit Paul Drux und Fabian Wiede zwei junge Spieler von den Füchsen ins Nationalteam geholt hat, die mittlerweile gestandene Nationalspieler sind. Und jetzt ging das bei Christian Prokop so weiter. Weil er ein paar Leipziger Spieler nominiert hat, muss es natürlich Vetternwirtschaft sein, was auch sonst?

Allerdings war Lemkes Nicht-Nominierung schon sehr überraschend, schließlich war er das Gesicht der Bad Boys, die 2016 den Titel geholt haben.

Das stimmt. Trotzdem verdient der Bundestrainer verdammt nochmal den Respekt, die aus seiner Sicht und für seine Spielsysteme beste Mannschaft mitzunehmen. Da geht es nicht um persönliche Einzelschicksale – sonst könnte ich ja jetzt auch intervenieren und fragen: Warum nimmt er denn mein Ziehkind Fabian Wiede nicht mit? Christian Prokop ist unser Pilot und will die Maschine Nationalmannschaft gut landen. Wenn man ihm unterstellt, nicht erfolgreich sein zu wollen, was man mit den Kommentaren zur Nominierung ja getan hat, finde ich das ziemlich krank. Diese Neid-Debatte ist für mich typisch deutsch.

Bob Hanning, 49, ist DHB-Vizepräsident und Manager der Füchse Berlin.
Bob Hanning, 49, ist DHB-Vizepräsident und Manager der Füchse Berlin.
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Andererseits zeigt die Geschichte auch den Stellenwert, den sich der Handball mittlerweile wieder verdient hat. Können Sie sich erinnern, wann bei einer Nominierung außerhalb des Fußballs zuletzt so kontrovers diskutiert worden ist?

Wir stehen wirklich blendend da, das stimmt. Es war tatsächlich fast wie im Fußball! Drei Tage haben sich die Zeitungen mit der Nominierung beschäftigt und sich überschlagen. Das ist das größte, was unserer Sportart kassieren kann. Mit Verlaub und ohne der Sportart schaden zu wollen, aber wenn im Volleyball etwas Ähnliches passiert wäre, wäre es irgendwo in den Nachrichtenspalten gelandet. Deshalb finde ich es gut, dass diskutiert wird. Vielleicht haben wir nicht 40 Millionen Bundestrainer wie im Fußball, aber fünf sind es mittlerweile auch schon.

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