Keine Verschiebung im Sommermärchen-Prozess: Wolfgang Niersbach: „Will mich von dem Albtraum befreien“
Im Prozess rund um die Fußball-WM 2006 verlangen Anwälte wegen des Coronavirus eine Aussetzung des Verfahrens. Ex-DFB-Präsident Niersbach erscheint dennoch.
Der ehemalige DFB-Präsident Wolfgang Niersbach ist überraschend beim Prozess um dubiose Millionenzahlungen im Zusammenhang mit der Fußball-WM 2006 vor Gericht erschienen. Er sei gegen den eindringlichen Rat seines Arztes gekommen, wie er am Mittwoch bei dem Verfahren vor dem schweizerischen Bundesstrafgericht in Bellinzona sagte.
„Doch ich muss dieses gesundheitliche Risiko in Kauf nehmen, weil ich mich endlich vom Albtraum dieses über vier Jahre dauernden Verfahrens befreien will.“ Niersbach betonte erneut, dass alle Vorwürfe haltlos seien. Angesichts der Ausbreitung des Coronavirus beantragte sein Anwalt erneut eine Aussetzung des Verfahrens. Richterin Sylvia Frei lehnte das ab.
Der ebenfalls angeklagte frühere FIFA-Generalsekretär Urs Linsi (70) war vor Ort, nicht aber die beiden anderen deutschen Angeklagten. Der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger (74) und Ex-DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt (78) verwiesen auf ihre schlechte Gesundheit. Am Montag hatte die Richterin dies nicht gelten lassen und sie - wie zu dem Zeitpunkt auch Niersbach - als „unentschuldigt nicht erschienen“ notiert.
Die Anwälte von Zwanziger und Schmidt warfen dem Gericht vor, die Menschenwürde ihrer Mandanten nicht zu achten. Ihr Erscheinen zu erzwingen sei unverantwortlich und lebensbedrohlich.
Den Angeklagten wird Betrug oder Gehilfenschaft dazu vorgeworfen
Der Staatsanwalt hielt die vorgelegten Atteste dagegen für nicht ausreichend. Die Richterin bestellte schließlich einen Experten, der beurteilen soll, ob Zwanziger und Schmidt reisefähig sind. Wenn bis 27. April kein Urteil vorliegt, würden die Delikte verjähren und das Verfahren wäre zu Ende.
Den Angeklagten wird Betrug oder Gehilfenschaft dazu vorgeworfen. Sie sollen 2005 unter Vorspiegelung falscher Tatsachen eine Überweisung des DFB von 6,7 Millionen Euro an die FIFA erwirkt zu haben. Sie war als Beitrag für eine Gala ausgewiesen, wurde aber in Wirklichkeit zur Rückzahlung eines Privatkredits des Unternehmers Robert Louis-Dreyfus an WM-OK-Chef Franz Beckenbauer aus dem Jahr 2002 verwendet. Wofür dieser Kredit war, ist bis heute nicht geklärt.
Aufschluss könnte Beckenbauer geben. Das Verfahren gegen ihn wurde wegen dessen angeschlagener Gesundheit aber abgetrennt. Der Anwalt von Zwanziger kritisierte dies scharf. Womöglich sei der Gesundheitszustand Beckenbauers gar nicht so schlecht, meinte er. Der Verdacht von Korruption bei der WM-Vergabe im Jahr 2000 steht im Raum, ist aber nicht Gegenstand des Prozesses. Die Angeklagten weisen sämtliche Vorwürfe zurück.
Der DFB ist Nebenkläger. Er will klären, ob der DFB geschädigt wurde. „Wir müssen sicherstellen, dass der DFB mögliche zivilrechtliche Schadenersatzansprüche gegen die Beschuldigten auch gelten machen kann“, sagte DFB-Schatzmeister Stephan Osnabrügge. „Generell erhoffen wir uns alle natürlich weiterhin, dass bei diesem Prozess auch die eigentliche Frage, nämlich der wahre Grund der Überweisung aus dem Jahr 2005, aufgeklärt wird.“