Vor dem Spiel bei der TSG Hoffenheim: Wohin führt der Weg von Hertha BSC und Pal Dardai?
Trainer Pal Dardai ist bei Hertha nicht mehr unumstritten. Einige stellen sich nach vier Jahren im Amt die Frage, ob er den Ansprüchen des Klubs noch genügt.
Die Rhein-Neckar-Arena in Sinsheim, die idyllisch an der Bundesautobahn 6 liegt und inzwischen einen ganz anderen Namen trägt, ist ein mystischer Ort. Ein mystischer Ort in der Geschichte von Hertha BSC. Vor knapp zehn Jahren, im Herbst 2009, soll in der Arena der TSG Hoffenheim ein vereinshistorisches Ereignis stattgefunden haben. Nach Darstellung des Berliner Fußball-Bundesligisten hat der damalige Trainer Lucien Favre in der Teeküche des Stadions in einem Anflug von Verzweiflung seinen Rücktritt eingereicht, woraufhin Hertha am Tag danach die Zusammenarbeit mit ihm beendete. Favre bestreitet allerdings bis heute, dass er amtsmüde gewesen sei. Tatsächlich erklärte er noch in der Pressekonferenz nach dem Spiel in Hoffenheim, er denke nicht an einen Rücktritt.
Die Mannschaft der Berliner hatte damals 1:5 gegen Hoffenheim verloren. Schon nach 44 Sekunden brachte ein gewisser Vedad Ibisevic die TSG in Führung, bis zum Schlusspfiff traf er zwei weitere Male und hatte damit erheblichen Anteil an Herthas sechster Niederlage hintereinander. Dass ein Klub nach einer solchen Serie über die Position des Trainers nachdenkt, ist alles andere als ungewöhnlich.
Aktuell steht Herthas Mannschaft bei vier Niederlagen in Serie. Sonst aber ist alles anders. Vedad Ibisevic wird an diesem Sonntag (13.30 Uhr, live im Eurosportplayer) definitiv nicht auf dem Platz stehen; er sitzt das letzte Spiel seiner Rotsperre ab. Und selbst wenn die Berliner fünf Tore gegen die derzeit formstarken Hoffenheimer kassieren sollten, wird Pal Dardai seinen Job wohl nicht verlieren. Ob er allerdings seinen erst im Dezember um ein Jahr verlängerten Vertrag tatsächlich erfüllen darf, ist eine andere Frage. In den vergangenen Tagen sind erste Zweifel aufgekommen, ob die Beziehung zwischen Klub und Cheftrainer wirklich ewig währen wird. Und Dardai selbst hat in nicht unerheblichem Maße dazu beigetragen.
„Wenn die Mannschaft sich durch Pal Dardai oder die Methoden des Trainerteams blockiert fühlt, dann sollen die Spieler zum Manager gehen“, hat Dardai zuletzt gesagt. „Dann soll ein anderer kommen. Das ist nicht schlimm. Es geht nicht um Pal Dardai. Es geht um Hertha BSC.“ Wer Dardai nicht kennt oder ihm Böses will, der kann solche Aussagen schnell als Ausdruck einer gewissen Amtsmüdigkeit gegen ihn verwenden. Diesem Eindruck widerspricht der Ungar auf das Entschiedenste. „Wenn ich keine gute Laune mehr habe, komme ich nicht mehr zum Training“, sagt er. Da Dardai immer noch zum Training erscheint, heißt das im Umkehrschluss, dass er immer noch gute Laune hat. Dardai liebt seinen Job. Er liebt ihn so sehr, dass er einen Wechsel zu einem anderen Profiklub kategorisch ausgeschlossen hat: Wenn Bundesliga, dann nur Hertha.
Selbst ein einstelliger Tabellenplatz dürfte schwer zu erreichen sein
Aber Dardai hat natürlich auch gemerkt, dass die heile Welt Risse bekommen hat. Er hat überzogene Erwartungen kritisiert und als Urheber die Berliner Medien identifiziert. In Wirklichkeit kommen die Träume von Europa aus dem eigenen Verein. Hertha will wachsen, auf allen Gebieten und das möglichst schnell. Vor allem Manager Michael Preetz macht manchmal den Eindruck, als wäre ihm ein bisschen mehr Dynamik ganz lieb. Preetz hat vor der Saison attraktiveren Fußball vom Team gefordert; Preetz hat am Ende der Hinrunde die Einstellung der Spieler kritisiert, und Preetz hat zu Beginn der Rückrunde von der Mannschaft gefordert, die günstige Chance zu nutzen, „da oben richtig reinzurutschen“.
Nach der traditionell schlechten Rückrunde mit bisher erst elf Punkten aus elf Spielen kann Hertha nirgendwo mehr hinrutschen. Realistisch ist, dass die Mannschaft die Saison irgendwo zwischen Rang zehn und zwölf beenden wird. Selbst das defensive Saisonziel, ein einstelliger Tabellenplatz, dürfte schwer zu erreichen sein. Der Abstand auf die vor dem Spieltag neuntplatzierten Leverkusener betrug sieben Punkte.
Zuletzt ist der Eindruck entstanden, dass Preetz und Dardai bei der Beurteilung der sportlichen Situation und auch der Perspektiven des Klubs nicht mehr mit einer Stimme sprechen. „Ich glaube, wir sind uns grundsätzlich einig, dass wir nicht zufrieden sind mit elf Punkten in der Rückrunde. Das ist schon alles“, sagte Preetz, der versuchte, diesen Eindruck zu zerstreuen. Wenn man eine Serie gespielt hat, wie sie die Mannschaft gespielt habe, „dann muss man die Köpfe zusammenstecken und schauen und überlegen, wie man da wieder herauskommt“.
Die spannende Frage wird sein, ob Dardai bei Hertha noch zugetraut wird, das Team auf die nächste Entwicklungsstufe zu heben. Dass die Mannschaft erneut in der Rückrunde schwächelt, stärkt nicht gerade die Verhandlungsposition des Trainers. Zumal schon seit Anfang der Saison das Gerücht rund um den Verein wabert, dass Preetz eigentlich einen prominenteren Namen auf der Trainerbank präferiere.
Auch wenn die Saison für Hertha mal wieder vorzeitig gelaufen zu sein scheint: Zumindest für Pal Dardai wird es in den letzten sechs Spielen um mehr gehen, als nur einen guten Eindruck zu hinterlassen. Abgesehen von Hannover 96, das mehr oder weniger als Absteiger feststeht, treffen die Berliner nur noch auf Klubs, für die es noch um existenzielle Ziele geht, entweder gegen den Abstieg oder um die Qualifikation für den Europapokal. Für Herthas Spieler geht es nur noch um die Ehre. Und möglicherweise auch ein wenig um den Job ihres Trainers.
So könnte Hertha spielen: Jarstein – Klünter, Stark, Rekik, Plattenhardt – Lazaro, Skjelbred, Mittelstädt, Leckie – Kalou – Selke.