Trend der Rückrunde: Hertha BSC läuft zu wenig
Die Mannschaft von Hertha BSC spielt auch deshalb so schwach, weil sie zu den laufschwächsten Teams der Bundesliga zählt. Eine Analyse.
Von der kleinen, fleißigen Mannschaft, wie Herthas Trainer Pal Dardai sein Team früher gerne und durchaus zurecht nannte, ist im Frühjahr 2019 nicht mehr viel geblieben, vielleicht noch das „kleine“. Legt man einige relevante statistische Werte zu Grunde, die heutzutage im Fußball erhoben, gewichtet und bewertet werden, dann kommt der geneigte Beobachter zu keinem anderen Schluss: Berlins Fußball-Bundesligist Hertha BSC läuft zu wenig und sprintet zu selten. Seinem Spiel fehlt es im Vergleich zur Hinrunde an Power und Tempo.
Die Mannschaft von Bayer Leverkusen hat in den 28 Spielen der Saison als laufintensivste Mannschaft insgesamt 3413,7 Kilometer zurückgelegt, das entspricht einem Schnitt von 121,9 Kilometer pro Spiel. Dicht gefolgt vom SC Freiburg und der TSG Hoffenheim, die Hertha am kommenden Sonntag (13.30/live bei Eurosport) empfängt. Die Berliner sind in dieser Disziplin mit durchschnittlich 113,8 gelaufenen Kilometern pro Spiel das zweitschlechteste Team der gesamten Liga, nur der FC Schalke läuft noch weniger. „Wir haben Fachleute und Wissenschaftler hier, um eine optimale Belastungssteuerung hinzubekommen“, entgegnet Pal Dardai. Mal sei ihm vorgeworfen worden, zu wenig zu trainieren, mal zu viel. „Klar, dass wir Ursachenforschung betreiben müssen“, sagt Dardai nach zuletzt vier Niederlagen in Folge.
In der Hinrunde lief Hertha mehr
Doch die Laufleistung allein bringt noch keine Punkte. Der Tabellenführer Bayern München rangiert in Sachen gelaufener Kilometer ligaweit nur an 13. Stelle, Eintracht Frankfurt als Tabellenvierter sogar nur auf Rang 15. Dafür sind die Hessen führend in der Wertung Sprints – 6958 Mal zogen die Frankfurter Profis einen Sprint an, also 248,5 Mal pro Spiel. Hertha liegt hier auf Rang 12 (5798 Sprints/Durchschnitt 207). Insofern mutet Valentino Lazaros 18. Platz (648 Sprints) in der Einzelwertung aller Bundesligaprofis bemerkenswert gut an. In Sachen Laufleistung belegt Ondrej Duda gegenwärtig Rang 28 aller Profis.
Trotzdem ist auffallend, dass die Berliner in diesen beiden Kategorien nicht zu den Mannschaften der besseren Tabellenhälfte gehören. Eines der übergeordneten Ziele für diese Saison bei den Berlinern war, einen attraktiveren Fußball zu spielen als in den Vorjahren. Das ist der Mannschaft im ersten Saisondrittel in den Spielen gegen Mönchengladbach am 4. Spieltag (4:2) und Bayern München am 6. Spieltag (2:0) gelungen. Nur hat die Beteiligten dies- und jenseits der Kreidelinie das möglicherweise zu der Annahme verleitet, die Aufgaben hauptsächlich spielerisch lösen zu können.
Im Heimspiel gegen den FC Bayern legte Herthas Mannschaft immerhin 120,1 Kilometer zurück, am bisher letzten Spieltag, dem 28. am vorigen Samstag gegen Düsseldorf (1:2), spulte Hertha nur 111 Kilometer ab. Bei der 0:5-Niederlage eine Woche zuvor in Leipzig waren es sogar nur 108 Kilometer. Ein direkter Zusammenhang zwischen Laufleistung und Ergebnis lässt sich schwer herstellen, wohl aber ein indirekter. Bei einer größeren Laufleistung ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass der Gegner mehr attackiert und ihm so weniger Raum und Zeit gelassen wird.
Gleichfalls dürfte sich das auch im eigenen Offensivspiel auswirken. Natürlich geht es nicht ums schiere Laufen und Sprinten, sondern das muss in die richtigen Räume geschehen und zur rechten Zeit. Am Ende hängt viel von der individuellen Klasse des Spielers ab, wie geschickt er etwa in einen defensiven Zweikampf geht, oder wie ruhig vor dem Tor ist.
Ohne fünf Stammspieler zur TSG
„Die Statistik lügt nicht“, hatte Pal Dardai am Tag nach der Niederlage gegen Düsseldorf gesagt und auf die Werte Ballbesitz und gewonnene Zweikämpfe verwiesen, die Hertha im Vorteil sahen. Auch deshalb wollte er seiner Mannschaft nach der vierten Niederlage in Serie keinen Vorwurf machen. Das zeigt wieder einmal, wie eigenwillig bisweilen der Umgang mit statistischen Werten ist.
Fakt ist, dass Hertha in dieser Saison viele Ausfälle zu beklagen hat. „Wir müssen so ein Jahr jetzt einfach mal akzeptieren“, sagt Dardai nun.
Auch ohne vier, fünf Stammspieler habe man „immer noch eine gute Mannschaft“, sagt Herthas Trainer mit Blick auf das schwere Auswärtsspiel im Kraichgau. Bei der TSG Hoffenheim, mit 58 erzielten Toren drittgefährlichstes Team hinter den Bayern und Dortmund, wird es für Hertha mehr denn je darauf ankommen, dass die Mannschaft, die auf dem Platz steht, mehr füreinander läuft. „Wir fahren dorthin, um etwas Zählbares mitzunehmen“, sagt Pal Dardai.
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