Weltmeister Ville Peltonen ist Co-Trainer beim deutschen Eishockeyteam: „Wir sind in Lettland, um unser Potenzial auszuschöpfen“
Ville Peltonen, Co-Trainer der Eishockey-Nationalmannschaft, über die WM, den Faktor Teamgeist im DEB-Team und die jungen Talente, die eine Chance bekommen.
Ville Peltonen, 47, ist einer der erfolgreichsten finnischen Eishockeyspieler aller Zeiten. Er wurde Weltmeister und gewann vier olympische Medaillen mit Finnland (einmal Silber, drei Mal Bronze). Zudem spielte er in der Heimat, in der NHL, der KHL und der Schweiz, wo er zuletzt auch Trainer war. Kommende Saison betreut er den HIFK Helsinki als Cheftrainer in der ersten finnischen Liga.
Ville Peltonen, wie geht es Ihnen in der Blase von Riga?
Alles ist sehr gut organisiert, von der Unterkunft bis zur Verpflegung. Da ist nichts, weswegen ich mich beschweren könnte. Am Dienstag konnten wir erstmals aufs Eis mit den Spielern.
Wie viel Sinn macht eine WM ohne Fans?
Die Weltmeisterschaft ist eine große Party des Eishockeys am Ende jeder Saison. Besonders für die europäischen Fans. Da gibt es nie Ausschreitungen oder ähnliches, das ist schon bemerkenswert. Leider ist es diesmal eine WM im Fernsehen. Wir müssen nun selbst unseren Krach machen auf der Bank und auf dem Eis, also unser emotionales Level hochhalten. Gut, jetzt muss ich lachen – aber warum nicht.
Sie haben beim Deutschland Cup im November schon ausgeholfen bei der deutschen Mannschaft, kennen Bundestrainer Toni Söderholm aus gemeinsamer Zeit im finnischen Nationalteam. Wann hat er Sie um Hilfe gebeten?
Kurz vor dem Turnier im November hatte Toni eine Covid-19-Diagnose, da bin ich eingesprungen. Steffen Ziesche und Thomas Popiesch waren die anderen Trainer. Toni war zu Hause und stand ständig mit uns Kontakt. Das war eine Erfahrung, kann ich Ihnen sagen. Es hat mir Freude gemacht, also habe ich weitergemacht in der Vorbereitung auf die WM. Und nun sind wir hier in Lettland, um unser Potenzial auszuschöpfen.
Welches Potenzial hat das Team?
Teamspirit ist das Wichtigste; und dass du dich auf die Aufgabe konzentrierst und das findet diesmal in anderer Umgebung statt als sonst. Es gibt alle möglichen Chancen hier für uns.
[Wenn Sie die wichtigsten News aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
Die Defensive sieht gut aus beim deutschen Team, in der Offensive gäbe es ein paar Spieler, die ihnen helfen können? Leon Draisaitl oder Tim Stützle zum Beispiel.
Keine Frage. Wenn sie könnten, wären sie auch hier. Aber jetzt konzentrieren sie sich mit Edmonton auf die Play-offs in der NHL und wir konzentrieren uns auf die Spieler, die hier sind.
Finnland wurde 2019 Weltmeister mit nur zwei NHL-Profis im Team. Braucht man überhaupt die NHL-Stars, um einen Titel zu gewinnen?
Nein, die Chemie kann der entscheidende Faktor im Team sein.
Wie sehen Sie die Entwicklung im deutschen Eishockey? Seit dem Gewinn der Olympischen Silbermedaille von 2018 ist eine Aufbruchstimmung zu spüren.
Erst einmal muss ich sagen, als ich das Finale gegen Russland geschaut habe, habe ich Deutschland so sehr die Daumen gedrückt. Es war frustrierend, diese unglückliche Niederlage mitzuerleben. Aber: Wir hatten in Finnland auch oft solche Momente, sind häufig knapp gescheitert, bevor wir dann den großen Erfolg hatten. Es war ein sehr gutes Turnier der Deutschen. Solche Erlebnisse tragen eine Mannschaft für einige Zeit. Die Deutsche Eishockey-Liga ist eine gute Liga, mit vielen guten deutschen Spielern. Ich habe viele Spiele gesehen, die Übertragungen im Fernsehen waren, nebenbei bemerkt, sehr gut. Die internationalen Ligen gleichen sich immer mehr an vom Niveau.
Wie sehen sie Ihre ersten WM-Gegner?
Der Start ins Turnier ist hart. Freitagnachmittags gegen Italien, Samstagmittag gegen die Norweger, das ist eine Herausforderung. Wir sollten uns darauf fokussieren, dass wir weder abheben oder uns zu weit unten sehen. Es ist wichtig, dass wir immer wieder schauen, wo wir uns verbessern können.
Sie sind mit Toni Söderholm befreundet. Nun hat er gesagt, bei der Arbeit seien sie nur Kollegen. Beschreiben Sie das mal.
Ich bin für die Stürmer verantwortlich und für das Powerplay. Das Wichtigste ist, dass ich mit den Spielern kommuniziere und vermittle, dass sie das Spiel spielen, das wir spielen wollen. Und dann spreche ich mich immer wieder mit Toni ab. Es ist ein Multitasking-Job, würde ich sagen. Ich mag unser Verhältnis unter den Trainern. Es ist eine gute Kooperation, wir haben eine starke Atmosphäre kreiert.
Sie haben viel erreicht als Spieler und Trainer, nun kommen sie als Co-Trainer zur deutschen Nationalmannschaft. Das hat viele überrascht.
Das Leben ist voller Überraschungen. Das ich gekommen bin, ist vielleicht für die Deutschen eine Überraschung. Aber nicht für mich, ich bin gerne hier. Weil ich das Team sehr interessant finde, denn wir haben einige sehr talentierte junge Spieler, die sich noch nicht auf internationalem Level bewiesen haben und das nun tun können.
[Mehr guten Sport aus lokaler Sicht finden Sie – wie auch Politik und Kultur – in unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken. Hier kostenlos zu bestellen: leute.tagesspiegel.de]
Moritz Seider etwa, er ist mit nur 20 Jahren zum besten Verteidiger der Saison in der schwedischen Liga gekürt worden.
Ja, Moritz hat für Rögle eine starke Saison gespielt. Lukas Reichel und John Jason Peterka haben sich als junge Spieler in der DEL auch schon bewiesen. Aber auch die erfahrenen Spieler gefallen mir, Mathias Plachta zum Beispiel mit seinem Speed und seinem Schuss. Das Team hat ein gutes Rückgrat und mental ist es stark.
Aus Berliner Sicht interessiert natürlich, ob die erste Sturmreihe vom neuen Meister Eisbären mit Reichel, Leo Pföderl und Marcel Noebels auch in Riga so auflaufen wird.
Das muss Toni kommentieren.
Die drei haben fast die ganze Saison gut zusammengespielt.
Sie haben einen guten Punkt.
Sie haben mitgeholfen, das Eishockey in Finnland auf ein höheres Level zu heben. Beim ersten WM-Titel 1995 gelang Ihnen ein Hattrick beim 4:1 im Finale gegen Schweden. Können Sie seitdem ungestört in Helsinki über die Straße gehen?
Früher konnte ich das nicht. Aber ich war ja fünf Jahre wegen meiner Trainertätigkeit in der Schweiz. Doch ich bin ehrlich: Die Menschen erkennen mich schon.
Wie gut erinnern Sie sich an das Finale von 1995?
Sehr gut, wir waren da in einem unglaublichen Flow. Aber diese Schritte, die das finnische Eishockey in den Siebzigern, Achtzigern und frühen Neunzigern genommen hat, kamen von vielen Menschen. Davon kann man lernen.
Kann sich das deutsche Eishockey am Beispiel Finnland etwas abschauen, glauben Sie an eine positive Entwicklung?
Ja, das würde ich sagen.