Leipzig-Stürmer Werner: „Wir müssen alles dafür tun, dass Timo wieder gesund wird“
Leipzigs junger Stürmer Timo Werner hat für die anstehenden WM-Qualifikationsspiele mit der Nationalmannschaft abgesagt. Sein Körper streikt - und die Symptome deuten auf eine grundsätzliche Überlastung hin.
Vielleicht ging alles ein bisschen schnell für Timo Werner. Die vielen Tore für Leipzig und fürs Vaterland, der Jubel, die mediale Aufmerksamkeit und nationale Anerkennung. Letztere geht oft einher mit Erwartungen von Millionen von Fußballfans. Am Ende soll der 21 Jahre alte Stürmer von RB Leipzig im nächsten Sommer in Russland die deutsche Nationalelf noch zum WM-Titel schießen.
Im Augenblick geht bei ihm gar nichts. Sein Körper streikt. Am Dienstag hat Bundestrainer Joachim Löw die Vorbereitung auf die beiden letzten Qualifikationsspiele zur WM 2018 ohne den derzeit besten deutschen Stürmer gestartet. Einen anderen Stürmer hat Löw nicht nachnominiert.
Vor ziemlich genau einem Monat gelang Werner gegen die Mannschaft Norwegens ein vielbeachteter Auftritt. In seiner alten Heimat Stuttgart schoss er zwei Tore. Das Publikum feierte ihn – endlich mal. Timo Werner schien angekommen. Zuvor sah er sich in vielen deutschen Bundesligastadien Anfeindungen ausgesetzt wegen einer Schwalbe in einem Spiel gegen Schalke.
Das alles muss einem jungen Sportler zusetzen. Nach außen hin wirkte Werner lange Zeit robust. Er brachte Leistung auf dem Rasen und schoss Tore wie kein Zweiter. Seit seinem Wechsel vom VfB Stuttgart im Sommer 2016 hat er für Leipzig in 37 Meisterschaftsspielen 26 Tore erzielt, in den acht Einsätzen in der Nationalmannschaft traf er sechsmal. „Zu Timos Stärke gehören die Laufwege, er reißt Lücken, ist ständig in Bewegung, um plötzlich mit hoher Geschwindigkeit in die Tiefe und den Rücken des Gegners zu stoßen“, sagte Miroslav Klose nach dem Spiel gegen Norwegen.
Klose selbst gilt neben Gerd Müller als bester deutscher Torjäger. In 137 Spielen für Deutschland erzielte er 71 Tore, drei mehr als Müller, der dafür allerdings nur 62 Länderspiele benötigte. Es gibt nicht wenige, die es Werner zutrauen, die Tradition der größten deutschen Torjäger fortzuführen. „Er ist kaum berechenbar und schwer zu verteidigen“, sagt Klose über Werners Spiel. „Er ist ein Instinktfußballer mit Spielwitz und einem unglaublichen Zug zum Tor.“
„Blockade der Halswirbelsäulenmuskulatur und des Kiefergelenks“, lautet die Diagnose
Doch vor einer Woche kam dann das Aus. Im Champions-League-Spiel in Istanbul musste er mit Kopfschmerzen und Schwindelgefühlen nach wenigen Minuten ausgewechselt werden. Es ging nicht mehr. Anschließend wurde Werner in Leipzig eingehend untersucht.
„Blockade der Halswirbelsäulenmuskulatur und des Kiefergelenks“, lautet die Diagnose. Mitgeteilt haben sie Ralph Hasenhüttl, Trainer von RB Leipzig, und Ralf Rangnick, Sportdirektor des Meisterschaftsvierten. Ihre Ausführungen deuten auf eine grundsätzliche Überlastung des jungen Stürmers hin. „Man darf eines nicht vergessen: Ein Spiel in der Champions League oder mit der Nationalmannschaft ist schon eine mentale Extrembelastung. Und wenn ein Stürmer viele Tore schießt und dadurch einen positiven Stress erzeugt, ist das schön für den Stürmer – unterm Strich aber eine enorme Belastung“, betonte Hasenhüttl. Es könne sein, dass Werner „dem Ganzen jetzt ein bisschen Tribut zollt“, sagte der Österreicher. Rangnick hatte schon am vergangenen Sonntag nach dem 2:1-Sieg der Leipziger in Köln angekündigt, wie wenig er davon halten würde, Timo Werner unter diesen Umständen zur Nationalmannschaft zu schicken. „Natürlich sorgen wir uns um ihn“, sagt Rangnick.
Ralf Rangnick will nicht zu viel reindeuten, nimmt aber Diagnose und mögliche Ursachen ernst. Nicht zuletzt auch aus eigener Erfahrung. Im September 2011 hatte Rangnick seinen Vertrag als Bundesligatrainer bei Schalke 04 wegen eines Burnout-Syndroms mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Nach einer zehnmonatigen Auszeit stieg er dann bei RB Leipzig ein. Zum Gesundheitszustand Werners sagte der 59 Jahre alte Rangnick: „Es war eine ungewöhnliche Situation, und da er am Freitag noch einmal die gleichen Symptome hatte, muss man davon ausgehen, dass es sich um eine Sache handelt, um die wir uns kümmern müssen.”
Die Kreislaufprobleme, unter denen Timo Werner litt, hätten demnach weder organische noch psychische Ursachen, heißt es bei den Sachsen. Die Blockade der Halswirbelsäulenmuskulatur hätte zu Schluckbeschwerden, Atemnot und Schwindelgefühlen geführt.
„Wir müssen alles dafür tun, dass Timo wieder gesund wird“, sagte Joachim Löw. Am Donnerstag spielt die deutsche Elf in Belfast gegen den Tabellenzweiten Nordirland (20.45 Uhr/RTL) und drei Tage später in Kaiserslautern gegen Aserbaidschan. Vielleicht wird Timo Werner vor dem Fernseher sitzen, vielleicht auch einfach mal ganz abschalten.