So läuft es: Wir brauchen mehr Respekt. Wir brauchen mehr Rücksicht
Wer in Großstädten läuft, der erlebt nicht nur die schönen Seiten unseres wunderbaren Sports. Unser Kolumnist sagt heute klar und deutlich: Fangen wir bei uns selbst an. Dann läuft es besser.
Auf meiner Laufstrecke ist letzte Woche ein junger Motorradfahrer gestorben. Er wurde nur 22 Jahre alt. Er fuhr mit 145 Stundenkilometer über den Kölner Militärring. Eine Frau wollte abkürzen, sie bog mit ihrem Auto über einen verbotenen Weg auf die Hauptstraße ab. Der Motorradfahrer krachte in sie hinein, er hatte keine Chance. Er hätte sie wohl auch nicht gehabt, wenn er sich an die Höchstgeschwindigkeit von 70 Stundenkilometern gehalten hätte. Jeden Tag laufe ich nun an dem Holzkreuz und all den Abschiedsbriefen seiner Freunde vorbei. Ich muss an dieser Stelle täglich am Ende meines Laufes über eine Verkehrsampel. Und immer, immer warte ich bis sie grün ist. Und jeden Tag sehe ich Läufer, denen es völlig egal ist, ob die Ampel rot oder grün anzeigt. Sie laufen einfach. Das sehe ich beinahe in jeder Stadt, in der ich laufe.
Als ich vor einigen Wochen mit dem Auto an einer Ampel auf der Schönhauser Allee in Berlin stand, sprang die Ampel auf grün. Ich fuhr los. Und ein Läufer lief mir direkt vor die Kühlerhaube, im letzten Moment konnte ich bremsen. Seine Reaktion überraschte mich. Er brüllte: „Na, willste mich umfahren? Willste? Du Depp.“ – „So läuft es nicht, Du hattest rot“, wollte ich sagen. Ich kam nicht dazu. Er war schon weg.
Ich mag ja diese neuen lässigen Laufgruppen. Diese coolen Mädels und Jungs. Stylish, wild, tätowiert, mit Hoodies und die Jungs mit langen Bärten. Gerade in Berlin gibt es immer mehr davon. Gut so. Nicht so lässig finde ich, wenn sie teilweise absichtlich über rote Ampeln laufen. Weil es halt lässig ist. Und irgendwie Rock’n’Roll. Nennt mich Spießer-Kleiß, aber ich find’s Mist. Weil es einfach nur rücksichtslos ist. Und weil es keinem was bringt. Dem Läufer nicht, wenn er plattgefahren wird. Dem Autofahrer nicht, weil er seines Lebens nicht mehr froh wird. Und so geht es jeden Tag. Überall.
Was sind das eigentlich für Leute? Die keine Rücksicht kennen.
Jeden Tag werde ich übrigens auch von Radfahrern im Wald, auf dem Feld oder auch auf dem Gehweg von meiner Strecke geklingelt. Wenn ich schnell genug bin, dann schaffe ich es rechtzeitig, mich in Sicherheit zu laufen. Ich hatte jedoch auch schon das Profil des Vorderrades auf der Wade. Hey, ehrlich. Ich fahre selbst gerne schnell Rad. Allerdings käme ich nicht auf die Idee dort, wo Fußgänger, Läufer, Kinder und Hunde sind, Rennen zu fahren. Und ich frage mich mehr und mehr: Was sind das eigentlich für Leute? Die keine Rücksicht kennen. Die keinen Respekt haben. Deren Egoismus einfach nur dazu führt, dass Menschen leiden.
Ich habe nachgedacht. Natürlich schmerzt der Tod eines jungen Mannes, selbstverständlich erschreckt mich ein Läufer, der plötzlich vor meinem Auto steht. Was mich jedoch wirklich verletzt, was mich trifft, das ist die Rücksichtslosigkeit. Und zwar auf beiden Seiten. So läuft es. Nicht.
- Mike Kleiß leitet eine Kommunikations- und Markenagentur in Köln und schreibt hier wöchentlich übers Laufen.
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität