Kolumne: So läuft es: Völlig außer Kontrolle
Bei Olympia in Pyeongchang stürzte der Snowboarder Markus Schairer schwer. Inzwischen geht es ihm wieder besser - auch dank des Laufens, wie unser Kolumnist berichtet.
Vorarlberg ist eine besondere Ecke Österreichs. Die Menschen dort sind vor allen Dingen eines: Echt. Sie wirken oft rau, leicht brummelig. Aber es sind Seelenmenschen. Und sie haben das Herz immer am rechten Fleck. Hat man ihr Herz gewonnen, bleibt das so. Ich denke oft und gerne an die Zeit zurück, als ich dort beruflich einige Monate verbringen durfte. Als ich Markus Schairer am Sonntag traf, dachte ich sofort: Der ist Vorarlberger. Ist auch. Er ist so unglaublich echt.
Es war das Viertelfinale der Snowboardcrosser bei den Olympischen Winterspielen in Pyeonchang in Südkorea. Und Markus gab wie immer alles. Plötzlich dieses Bild, das um die Welt ging. Ein Mensch flog, fast unwirklich, durch die Luft. Völlig außer Kontrolle. „Schon während ich in der Luft war und flog, wusste ich: Das geht schief. Das geht sowas von schief, das wird nichts mehr. Die Zeit bis ich auf dem Boden aufkam fühlte sich an wie eine Ewigkeit. Und dann krachte es“, erinnert sich Markus und wird sehr still: „Ich blieb kurz liegen, versuchte irgendwie rauszufinden, ob ich mich bewegen konnte, stand auf, fuhr noch ins Ziel, und brach dort zusammen.“ Es muss das Adrenalin und der Schock gewesen sein, diese Kombi setzte die letzten Kräfte frei, um ins Ziel zu kommen. Eine Aktion, die ihn beinahe führ immer in den Rollstuhl befördern hätte können. Denn Markus Schairer brach sich den fünften Halswirbel und somit drohte die Querschnittslähmung. Sofort flog man den Snowboard-Champion von Korea nach Feldkirch in Vorarlberg. Dort operierte man ihn an der Wirbelsäule. „Ich war erstmal nur froh, aus Korea raus zu sein. Zu keinem Moment hatte ich das Gefühl, dort gut aufgehoben zu sein. In der ersten Zeit in Feldkirch dachte ich überhaupt nicht an Sport. Ich wollte einfach nur wieder ein normales Leben führen. Dafür habe ich alles gegeben", sagt Markus.
Schairer drohte eine Querschnittslähmung
Am Sonntag ist er 22 Kilometer beim Wings For Life Worldrun gelaufen, bevor ihn das Catcher Car einholte und somit aus dem Rennen warf. Nur wenige Monate nach seinem erschütternden Sturz konnte Markus einen Halbmarathon laufen. Für ihn alles andere als selbstverständlich: „Das Motto des World Runs ist Laufen für die, die nicht laufen können. Wir sammeln Geld für die Rückenmarksforschung, um Querschnittslähmung vielleicht eines Tages heilbar zu machen“, Markus wird sehr nachdenklich und ergänzt: „Ich hätte nach dem Sturz auch im Rollstuhl sitzen können. So wie die ehemalige Stabhochspringerin Kira Grünberg oder Ex-Skispringer Lukas Müller. Ich denke da bald jeden Tag dran. Es ging um Millimeter. Ich hatte einfach unfassbares Glück.“
Bisher sind über eine halbe Million Menschen für die gute Sache gelaufen. Über 20 Millionen Euro wurden gespendet. Der Rollstuhlfahrer Aron Anderson hat am Sonntag das Rennen gewonnen. Es war sein zweiter Sieg nach 2017. Und Markus Schairer sagt: „Ich habe gesehen, wie schnell sich das Leben von der einen auf die andere Sekunde ändern kann. Die Menschen, die nicht so viel Glück hatten wie ich, brauchen unsere volle Unterstützung.“ So läuft es.
Mike Kleiß leitet eine Kommunikations- und Markenagentur in Köln und schreibt hier jeden Donnerstag übers Laufen.
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