Der Machtkampf bei Hertha BSC spitzt sich zu: Windhorst will Präsident Gegenbauer stürzen sehen
Ein bisschen Ruhe bei Hertha BSC? Von wegen! Am Tag nach dem wichtigen Sieg gegen Hoffenheim attackiert Investor Windhorst die Klubführung unverhohlen wie nie.
Ach, es hätte so schön sein können, bei Hertha BSC. Der erste Sieg des Jahres, der Sprung raus aus der direkten Abstiegszone, ein Plan (neuer Trainer), der tatsächlich zu funktionieren scheint – und in der Folge endlich ein bisschen Ruhe für den zuletzt multipel geplagten Berliner Fußball-Bundesligisten.
Die Ruhe hielt etwas mehr als zwölf Stunden. Dann trat Lars Windhorst, der Großinvestor des Klubs, bei „Bild live“ auf. Anfangs, als es um den 3:0-Sieg der Mannschaft gegen die TSG Hoffenheim ging, gab sich der 45 Jahre alte Unternehmer noch konziliant und entspannt.
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Das Spiel habe er in London am Bildschirm verfolgt, erzählte er, und es habe schöne Erinnerungen in ihm geweckt. Erinnerungen an einen Aufenthalt in der Karibik. Da nämlich war er in den Tagen vor Weihnachten, als Hertha zuletzt ein Fußballspiel gewonnen hat.
Tags darauf aber war Windhorst schon nicht mehr nach Bacardi-Feeling zumute. Im ohnehin belasteten Verhältnis zwischen ihm und der Vereinsführung von Hertha BSC droht eine neue Eiszeit. Windhorst zündete am Sonntag die nächste Stufe. Unverhohlen wie nie zuvor hat er die Machtfrage gestellt. Werner Gegenbauer, Herthas Vereinspräsident, muss weg! Das war der Kern seiner Aussagen.
„Für mich ist klar, dass ich als Person mit Herrn Gegenbauer nicht mehr zusammenarbeiten kann und werde“, sagte Windhorst, der seit Juni 2019 für 374 Millionen Euro 64,7 Prozent der Anteile an der Hertha BSC KGaA erworben hat. In einem ersten Schritt trete er daher mit sofortigen Wirkung von seinem Amt im Beirat des Klubs zurück. Der Posten steht jedoch auch weiterhin einem Vertreter von Windhorsts Tennor-Gruppe zu.
Kurze Zeit später reagierte Gegenbauer auf die Vorwürfe, erkennbar darum bemüht, die Angelegenheit nicht weiter eskalieren zu lassen und trotzdem mit der gebotenen Deutlichkeit: „Unser Verein darf auch diese Aussagen von Herrn Windhorst zur Zeit nur zur Kenntnis nehmen. Wir haben in dieser sportlich schwierigen Situation Trainer und Mannschaft versprochen, diese Dinge in den kommenden entscheidenden Wochen nicht in der Öffentlichkeit zu diskutieren. Sobald der Klassenerhalt gesichert ist, werde ich unsere Sichtweise deutlich darlegen, und wir werden uns faktisch über den Verlauf und das Umfeld des Investments bei Hertha BSC äußern.“
Windhorst fragt: Wo ist das Geld geblieben?
Windhorst sieht in Gegenbauer, 71, schon länger den größten Hemmschuh für die Entwicklung des Klubs, die er sich vorstellt. „Es könnte eigentlich sehr einfach und unkompliziert sein. Aber mir ist leider nach wenigen Monaten klar geworden, dass es unter der Führung von Herrn Gegenbauer sehr, sehr schwierig ist, als Team gemeinsam etwas zu erreichen, zu besprechen und zu kooperieren“, sagte er. „Es ist extrem bedauerlich, dass wir in der Lage sind, in der wir sind.“ Trotz seiner Investitionen ist Hertha in den vergangenen knapp drei Jahren nicht entscheidend vorangekommen. Die Mannschaft steckt auch in diesem Jahr wieder im Abstiegskampf.
Laut Fredi Bobic, der im Juni des vergangenen Jahres als Sportgeschäftsführer bei Hertha angefangen hat, ist das von Windhorst investierte Kapital inzwischen weitgehend ausgegeben. Oder, wie er sich ausgedrückt hat: „Das Geld ist weg.“ Windhorst berichtete, seine Unternehmensgruppe Tennor habe Herthas Finanzgeschäftsführung daher vor kurzem schriftlich eine ganze Reihe von Fragen gestellt, die allerdings noch nicht beantwortet worden seien. „Wir würden es selber gerne verstehen“, sagte er. „Es ist in der Tat schockierend, dass in so kurzer Zeit so viel Geld verbrannt wurde und dass der Verein definitiv wieder neues Geld braucht, um zu überleben.“ Für den Fall eines Abstiegs vermutet Windhorst Hertha sogar „in großen finanziellen Schwierigkeiten“.
Der Unmut des Investors, so wird gemunkelt, richtet sich zunehmend auch gegen Ingo Schiller, der seit mehr als 20 Jahren Herthas Finanzgeschäftsführer ist und die Verbindung zu dem Investor erst hergestellt hat. Hauptgegner ist und bleibt aber Präsident Gegenbauer.
„Hertha ist das persönliche Spielzeug von Gegenbauer“
Herthas Präsident hat sich in der Vergangenheit immer wieder auf die im deutschen Profifußball geltende 50+1-Regelung berufen. Nach der liegt die Entscheidungsgewalt in letzter Instanz immer beim Verein und nie bei einem Investor. Gegenbauer hat das einmal so ausgedrückt, dass Windhorst nur über Hertha sprechen könne, aber nicht für Hertha.
Windhorst erneuerte seinen Vorwurf, dass es dem Präsidenten vornehmlich um Machterhalt gehe. Hertha BSC sei ein persönliches Spielzeug für Gegenbauer. „Da gibt es Seilschaften, da gibt es Klüngelei“, sagte er. Wer Mitglied in einem Vereinsgremium sein wolle, müsse sehr eng mit Gegenbauer verbunden sein. Deshalb sei er, Windhorst, auch nicht gegen das gesamte Präsidium: „Ich bin ganz klar gegen die Spitze des Präsidiums und seine Gefolgsleute. Das sage ich jetzt zum ersten Mal so deutlich.“ Und es sei höchste Eisenbahn, „dass wir das Ruder umreißen“, erklärte der Investor. „Den Neustart brauchen wir auch an der Spitze. Davon bin ich mittlerweile ganz fest überzeugt.“
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Das Vertrauensverhältnis sei aufgrund einer ganzen Reihe von Vorfällen zerstört, erklärte Windhorst. Solange Gegenbauer im Amt sei, könne und werde er daher auch kein neues Kapital für Hertha zur Verfügung stellen. Sollten allerdings „gute Leute in der Vereinsspitze“ sein, könne er sich weitere Investitionen durchaus vorstellen.
Werner Gegenbauer ist seit 2008 Präsident des Fußball-Bundesligisten. Zuletzt wurde er im Herbst 2020 wiedergewählt, allerdings mit lediglich 54 Prozent der Stimmen. Die nächste Mitgliederversammlung Herthas findet im Mai statt. Präsidiumswahlen stehen dann nicht an, es kann jedoch jederzeit ein Antrag auf Abwahl des Präsidenten gestellt werden. Zuletzt scheiterte ein solcher im Frühjahr des vergangenen Jahres.
Windhorst forderte die Mitglieder mit Blick auf die Mitgliederversammlung auf, sich Gedanken zu machen. Er persönlich habe überhaupt keine Ambitionen, weil er selbst weder Lust noch Zeit habe, für das Amt zu kandieren, „das kommt definitiv nicht in Frage“, erklärte Windhorst. Er habe auch keinen Kandidaten, den er ins Rennen schicken werde, aber: „Ich würde jeden vernünftigen Kandidaten unterstützen.“
Eskalation statt Entspannung
Der Machtkampf zwischen der gewählten Vereinsführung und dem Investor hat sich in den vergangenen Wochen noch einmal deutlich verschärft. Vor anderthalb Wochen hatte Windhorsts Sprecher Andreas Fritzenkötter angedeutet, dass bei der Mitgliederversammlung „sicher etwas passieren“ müsse. Der Deutung, dass der Investor damit die Machtfrage gestellt hatte, hat das Unternehmen in einem Schreiben an das Präsidium von Hertha BSC noch entschieden widersprochen.
Diese Haltung aber ist am Sonntagmorgen durch den Auftritt und die Aussagen von Windhorst bei „Bild live“ endgültig ad absurdum geführt worden. Ebenso die Hoffnung, dass sich die beiden Streitparteien in der sportlich komplizierten Situation für den Klub in Zurückhaltung üben.
Aus genau diesem Grund hatte es Herthas Aufsichtsrat abgelehnt, eine öffentliche Solidaritätsadresse des Präsidiums für Werner Gegenbauer zu unterstützen. Darin war dem Investor nach Fritzenkötters Äußerung vorgeworfen worden, er habe „eine Grenze in Bezug auf die Autonomie des höchsten Vereinsgremiums überschritten“.
Der Aufsichtsrat wollte den öffentlichen Streit nicht weiter befeuern. Dazu passte es auch, dass Windhorst dem Verein nach Informationen des Tagesspiegels unter der Woche zugesagt hatte, dass er sich bis zum Saisonende nicht mehr negativ äußern werde. Tennor bestreitet, dass es eine solche Zusage gegeben habe. Wie auch immer: Seit Sonntagmorgen kann von Entspannung ohnehin keine Rede mehr sein.