American Football: Willkommen in der Knochenmühle NFL
In der NFL fallen viele Stars verletzt aus - die Anforderungen sind selbst für Football-Profis zu hoch.
Antonio Brown sank zu Boden wie ein Boxer, dem ein schwerer Schlag versetzt worden ist. Die Gesichtszüge des Wide Receivers von den Pittsburgh Steelers waren kaum zu erkennen unter seinem Schutzhelm, aber Brown hatte ganz offensichtlich Höllenschmerzen. Um das zu erkennen, musste man kein Arzt sein. Im Spitzenspiel der US-amerikanischen National Football League (NFL) hatten ihn zwei Verteidiger der New England Patriots am späten Sonntagabend mit maximaler Härte am Bein erwischt. Die Szene sah besonders übel aus, weil das Tackling genau entgegen seiner Laufrichtung passierte. Brown konnte das Bein nicht mehr belasten und musste auf dem Weg in die Kabine von seinen Teamkollegen gestützt werden. Rückkehr? Bis auf Weiteres ungewiss.
So spannend und hochklassig das Spitzenspiel zwischen Pittsburgh und New England – Endstand: 24:27 – auch gewesen sein mag, stand es doch in negativer Hinsicht sinnbildlich für den Verlauf der NFL-Saison. Weil sich in Brown ein weiterer Superstar schwer verletzte, einer von den Akteuren, die Woche für Woche zehntausende Menschen in die Stadien und Millionen vor den Fernsehbildschirm locken. Vor dem 29-Jährigen hatte es bereits eine Reihe prominenter Gesichter erwischt: Aaron Rodgers, Quarterback der Green Bay Packers, brach sich zum Beispiel das Schlüsselbein. Richard Sherman, Abwehrchef der Seattle Seahawks, riss sich die Achillessehne. Und JJ Watt, der härteste und beste Verteidiger der Liga, der am Tag 10 000 Kalorien zu sich nimmt, fällt mit einem Schienbeinbruch aus.
Wenn im Januar mit den Play-offs die heiße Phase beginnt, werden diese und noch mehr Ausnahmekönner verletzt ausfallen. Im Grunde ist es, als fehlten Lionel Messi und Cristiano Ronaldo bei der Fußball-Weltmeisterschaft. So wirklich will das normalerweise niemand sehen. Im American Football müssen sich die Verantwortlichen jedoch nicht um enttäuschende Quoten oder Besucherzahlen sorgen. Den Super Bowl im Februar verfolgten 170 Millionen Menschen allein in den Vereinigten Staaten, viele Fans sehen in dem Sport eine Art Ersatzreligion.
Millionenschwere Klagen
Dabei ist und bleibt die NFL eine Knochenmühle, die keine Schwäche verzeiht und mit der Gesundheit ihrer Protagonisten spielt; die härtesten und brutalsten Zweikämpfe schaffen es immer in den Zusammenschnitt der Höhepunkte. Ohne Rücksicht auf die möglichen schweren Folgen. Der Berliner Björn Werner, der in der NFL für die Indianapolis Colts spielte und seine Karriere mit 26 Jahren beenden musste, hat die Anforderungen an Football-Profis einst so beschrieben: "Unsere Körper sind nach den Spielen in einem Zustand, als ob wir jede Woche in einen Autounfall geraten würden. Aber du gewöhnst dich dran." Zach Miller von den Chicago Bears verlor vor wenigen Wochen bei einer Verletzung fast sein Bein. "Es ging nicht darum, meine Karriere zu retten, sondern darum, mein Bein zu retten", sagte Miller später, "ich kann mich nur noch daran erinnern, dass ich unseren Arzt darum gebeten habe".
Angesichts der millionenschweren Klagen ehemaliger Profis, die in den letzten Jahren bei der NFL eingegangen sind, versuchen die Entscheidungsträger seit geraumer Zeit, das Risiko durch kleinere Regeländerungen zu minimieren und dem Spiel die Aggressivität zu nehmen – zum Wohle der Athleten. Das kommt nicht bei allen Fans gut an, manche beklagen zunehmende Verweichlichung und vermeintliche Vorteile für Offensivspieler, die mehr und mehr geschützt werden. Wenn sich etwa ein Spieler schwer verletzt, muss er sich dem sogenannten "Concussion protocol" zufolge umgehend in Behandlung eines unabhängigen, von der NFL gestellten Arztes begeben – weil die Ärzte der jeweiligen Klubs im Zweifelsfall doch das ein oder andere Auge zudrücken würden, von den Spielern ganz zu schweigen.
Dieser falsche Ehrgeiz ist keine gänzlich neue Entwicklung. Als der heute 44-jährige Terrell Owens in Diensten der Philadelphia Eagles stand, zog er sich kurz vor dem Super Bowl einen Beinbruch und diverse Bänderrisse im Knöchel zu. Zum allgemeinen Erstaunen schaffte es Owens, einer der lautesten, besten und extrovertiertesten Spieler seiner Zeit, aufzulaufen. Die Begründung für die Wunderheilung lieferte er gleich mit: In der Nacht vor dem Endspiel habe er einen Anruf vom Allmächtigen bekommen. "Gott wollte unbedingt, dass ich spiele", sagte Owens, "also habe ich gespielt". Vielleicht besteht ja noch Hoffnung für Antonio Brown und Pittsburgh.
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