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Stehen oder knien? Die Mannschaft der San Francisco 49ers ist da unentschieden. Dass sich überhaupt einige von ihnen nicht zur Hymne hinstellten, brachte US-Vizepräsident Mike Pence bei diesem Spiel dazu, das Stadion zu verlassen. Foto: Michael Conroy/dpa
© dpa

Hymnenstreit im US-Sport: Wie Trump den Protest der Footballer unterdrückt

Viele Sportler solidarisieren sich mit dem Protest von US-Footballern. Doch bislang geht das Kalkül des US-Präsidenten voll auf. Eine Analyse.

Donald Trump legt sich gerne mit anderen an, warum nicht also auch mit einem Seelenverwandten. Der Profisport kann genauso populistisch sein wie seine Politik. In der Arena kochen die Emotionen hoch, und Recht hat sowieso immer die eigene Mannschaft. Angesichts der populistischen Kraft des Profisports schien es erst einmal ziemlich gewagt von Trump, sich mit der NFL anzulegen und Footballspieler sogar als Hurensöhne zu beschimpfen.

Football ist die amerikanischste aller Sportarten, und der Super Bowl im Februar wie ein Nationalfeiertag. Trump hat sich also einen sehr beliebten Gegner ausgesucht, als er forderte, Spieler rauszuwerfen, die nicht bei der Nationalhymne aufstehen, sondern knien. Angefangen hat der Protest bei den Footballern, inzwischen haben sich auch Spieler anderer großer US-Ligen angeschlossen. Doch der Zwischenstand in diesem Duell sagt einiges aus über die gesellschaftliche Spaltung der USA und die Unterschiede zwischen dem Profisport auf beiden Seiten des Atlantiks.

In deutschen Bundesligastadien werden Politiker fast aus Gewohnheit ausgepfiffen. Verschont wird allenfalls mal der Bundespräsident. Trump hat seine Tirade gegen Footballer bei einer Wahlveranstaltung der Republikanischen Partei losgelassen. Dafür schickte er seinen Vize Mike Pence ins Stadion mit der Order, gleich wieder zu gehen, wenn Spieler bei der Nationalhymne nicht stehen. So kam es auch. Und wirkte furchtbar inszeniert.

Bisher geht Trumps Kalkül jedoch auf. Es ist das Kalkül, dass der Flaggennationalismus stärker ist die Liebe zum eigenen Footballteam. Und dass die Heroisierung von Footballspielern zwar groß sein mag, aber nicht so groß wie die von amerikanischen Soldaten. Die Gleichung: Hymne und Flagge gleich Solidarität mit Soldaten im Auslandseinsatz, funktioniert in den USA. Trump hat damit die Deutungshoheit über den Protest übernommen. Und die Spieler dringen mit ihrer Version einfach nicht durch.

Als Colin Kaepernick von den San Francisco 49ers bei der Nationalhymne kniete anstatt wie alle anderen zu stehen, wollte er damit ein Zeichen gegen Polizeigewalt und Rassismus setzen, unter denen vor allem afroamerikanische Menschen zu leiden haben. Sein damaliger Mannschaftskollege Eric Reid, der mit ihm kniete, verwahrte sich kürzlich in einem Beitrag für die „New York Times“ gegen den Vorwurf, die Geste sei eine Respektlosigkeit gegenüber dem Land und seinen Soldaten. „Es ist genau das Gegenteil. Wir haben uns für das Knien entscheiden, weil es eine respektvolle Geste ist. Es erinnert an eine Flagge auf Halbmast.“ Man könne daran verzweifeln, dass Trump sie für ihren Protest verunglimpft, während er Neonazis in Charlottesville als „very fine people“ bezeichne. „Seine Bemerkungen sind ein eindeutiger Versuch, die Kluft in der Gesellschaft zu vertiefen, die wir doch gerade überbrücken wollen.“

Die große Welle der Solidarisierung bleibt aus

Immer wieder schließen sich Spieler dem Protest an und knien, manche Mannschaften haben sich Arm in Arm auf dem Feld aufgestellt. Doch die große Welle der Solidarisierung bleibt aus. Colin Kaepernick hat noch keinen neuen Verein gefunden, alles andere als politische Motive für seine Nicht-Anstellung zu vermuten, wäre naiv. Es gibt Bilder, auf denen Fans seine Trikots verbrennen.

Trump kann sich auch auf einen Impuls verlassen, der in deutschen Fußballstadien oft in der Brüllerei „Scheiß Millionäre!“ zum Ausdruck kommt: den Sozialneid gegen hochbezahlte Sportprofis. Dazu kommt der unterschwellige Rassismus in der amerikanischen Gesellschaft. Der Protest steht auch in der Tradition von Tommie Smith und John Carlos. Die beiden US-Athleten reckten bei der Siegerehrung des 200-Meter-Laufs bei den Olympischen Spielen 1968 ihre Fäuste in schwarzen Handschuhen in den Himmel – als Akt der Solidarität mit unterdrückten Afroamerikanern.

Der Sport, das zeigte dieses Bild, kann ikonographisch werden. Auch deshalb verbietet das Internationale Olympische Komitee (IOC) jegliche politischen Botschaften in den Arenen. Das wuchs bis zur Peinlichkeit bei den Winterspielen 2014 aus, als das IOC den Trauerflor bei norwegischen Athleten rügte, die damit an einen verstorbenen Angehörigen erinnern wollten.

Trump hat jetzt zum weiteren Schlag gegen die NFL ausgeholt. Er forderte – natürlich per Twitter –, dass NFL-Chef Roger Goodell endlich verlange, dass alle Spieler bei der Hymne stehen. Und er fragte, warum die NFL „massive Steuererleichterungen“ bekäme, obwohl sie keinen Respekt vor Hymne, Flagge und Land zeige. Seine Schlussfolgerung: Steuerrecht ändern! Letzteres war wieder ein typischer Trump. Die Klubs zahlen längst wie andere Unternehmen in den USA Steuern.

Trumps Drohungen zeigen dennoch Wirkung. NFL-Chef Goodell erklärte: „Wie viele unserer Fans glauben wir, dass jeder während der Hymne stehen sollte.“ Und: „Die Kontroverse über die Hymne steht einer aufrichtigen Auseinandersetzung mit den zugrundeliegenden Problemen entgegen.“ Jetzt müsse es eine Lösung gemeinsam mit den Spielern geben. Übersetz heißt das: Euer Protest passt nicht. Wirkt nicht. Und stört auch noch das Mehrheitsempfinden.

Die Debatte, warum immer wieder afroamerikanische Bürger Opfer von Polizeigewalt werden, kommt jedenfalls nicht voran. Trump versucht sie mit seiner Attacke sogar zu ersticken, in dem er Solidarität und Patriotismus gegeneinander ausspielt. Gesellschaftliche Versöhnung steht eben nicht auf seiner Agenda.

Friedhard Teuffel

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