Protest gegen Trump: Bei der Hymne auf die Knie
Sportler in den USA protestieren vor den Spielen gegen die Diskriminierung von Schwarzen. Der Präsident nennt sie „Hurensöhne“ und wirft ihnen mangelnden Patriotismus vor.
Vielleicht wollte Donald Trump nur das Thema wechseln und die Aufmerksamkeit der Amerikaner ablenken von einem erneuten Debakel seiner Republikaner in der Gesundheitspolitik. Doch als der US-Präsident vor einigen Tagen mit seiner Kritik am angeblich mangelnden Patriotismus vorwiegend schwarzer Sportstars begann, stieß er nicht nur eine neue Diskussion an, die seiner rechtsnationalen Basis gefällt. Fast nebenbei hat Trump die Wunden des Rassenkonflikts aufgerissen und seine Bereitschaft demonstriert, die Gräben im Land zu vertiefen, wenn es seinen Interessen entspricht. Trump fache einen „Kulturkampf“ an, kommentieren einige Medien.
Seine jüngste Attacke begann Trump in Alabama, einem Staat des amerikanischen Südens, vor einem vorwiegend weißen Publikum. Trump forderte, jene „Hurensöhne“ unter den Football-Spielern vom Feld zu nehmen, die beim traditionellen Abspielen der Nationalhymne vor einer Begegnung niederknien und damit nicht den nötigen Respekt zeigen. Die schwerreichen Sport-Millionäre sollten gefälligst dem Land und der Armee dankbar sein, die ihnen den Reichtum ermöglicht hätten, sagte Trump. Weil die allermeisten Football-Spieler schwarz sind, hörte sich das an wie: Die Schwarzen sollen froh sein, dass sie Football spielen dürfen, und ansonsten den Mund halten.
Ermutigung für die Rechten
Offiziell betonen der Präsident und seine Regierung, bei der Kritik gehe es um Patriotismus, nicht Rassismus. Doch bereits nach der rechtsradikalen Gewalt in Charlottesville im August hatte Trump Empörung ausgelöst. Damals wurde ihm vorgeworfen, mit beschwichtigenden Äußerungen über die Rechten reaktionäre Kreise und Rassisten zu ermutigen. Der Präsident weiß, dass er seine rechtsnationalen Anhänger mit solchen Sprüchen in Wallung bringen kann. Doch er ließ es nicht bei einer einzigen Rede. Er legte sich mit – ebenfalls vorwiegend schwarzen – Basketball-Stars an, setzte tagelang per Twitter seine Kritik an Protestaktionen von Football-Spielern fort und forderte seine Anhänger zum Boykott der Spiele in der Football-Spitzenliga NFL auf. Gleichzeitig lobte er die Organisatoren der vor allem bei Weißen beliebten Autorennen der NascarLiga. Die hatten angekündigt, jeden Mitarbeiter zu feuern, der während der Hymne niederkniet.
Anlass für Trumps Ausfälle war eine Aktion des schwarzen Football-Spielers Colin Kaepernick. Dieser hatte in der vorigen Saison damit begonnen, sich bei der Nationalhymne auf ein Knie niederzulassen, um gegen Polizeigewalt gegen Schwarze zu demonstrieren. In der neuen Saison erhielt Kaepernick keinen Vertrag mehr. Und viele Nachahmer fand er mit seiner Protestaktion nicht.
NFL nimmt Spieler in Schutz
Doch das ist seit Trumps Intervention anders geworden. Mehr als hundert Football-Profis im ganzen Land, Schwarze wie Weiße, beugten am Wochenende während der Hymne die Knie, um es Trump zu zeigen. Einige Teambesitzer reihten sich ein. Die NFL nahm die protestierenden Spieler in Schutz. Sogar der Weiße Tom Brady, als Spielmacher des amtierenden NFL-Meisters New England Patriots ein Superstar und bekennender Trump-Fan, stellte sich gegen den Präsidenten. Er selbst stehe für „Respekt, Liebe und Vertrauen“, sagte Brady.
Die NFL habe Trump klar besiegt, befand die „Washington Post“ nach der Welle der Proteste gegen den Präsidenten. Kritiker werfen dem Weißen Haus vor, den Sportlern ihr Recht auf freie Meinungsäußerung abzusprechen. So ganz falsch liegen sie damit nicht. Im Stadion hätten sich die Spieler zu fügen, die freie Meinungsäußerung könnten sie in ihrer Freizeit ausüben, sagte Finanzminister Steven Mnuchin.
Nachhall der Bürgerrechts-Bewegung
Doch damit kann Mnuchin die Debatte nicht mehr beenden. Natürlich gehe es um Rassismus, sagte Football-Profi Michael Thomas von den Miami Dolphins. Jeder, der bestreite, dass der Alltag für Afroamerikaner in Amerika ganz anders aussehe als für Weiße, mache sich etwas vor, kommentierte der Autor Jonathan Last in der konservativen Wochenzeitung „Weekly Standard“.
Trumps Attacke auf die afroamerikanischen Basketball- und Football-Spieler begann fast auf den Tag genau 60 Jahre nach Ereignissen in Arkansas, die den Beginn der Bürgerrechtsbewegung in den USA markierten und bis heute nachhallen. Im September 1957 hatte die Regierung von Arkansas mit der Hilfe der Nationalgarde des Bundesstaates neun schwarzen Kindern den Zugang zu einer Highschool in der Hauptstadt Little Rock verwehrt. Die Zentralregierung in Washington reagierte, indem sie eine kriegserfahrene Einheit der Luftlandetruppen der Bundesarmee nach Little Rock entsandte, die den Kindern den Besuch der Schule ermöglichte.
Trump spaltet weiter
Mehr als ein halbes Jahrhundert später zeigt der heutige Präsident, dass ein Populist das Verhältnis zwischen Schwarzen und Weißen nach wie vor für sich ausbeuten kann. Ob Trump bewusst den historischen Jahrestag für seine Kritik an schwarzen Sportlern wählte, ist allerdings unwahrscheinlich. Der Zeitpunkt hat eher sehr aktuelle Gründe: Trumps Breitseite begann, als sich abzeichnete, dass ein abermaliger Versuch der Republikaner zur Reform des Gesundheitssystems an inneren Gegensätzen der Regierungspartei scheitern würde. Am Montag deutete sich der Kollaps des Versuchs an. Eines der wichtigsten Wahlkampfversprechen des Präsidenten kann wohl auch weiterhin nicht umgesetzt werden.
Dennoch erwartet niemand, dass sich Trump mäßigt. Die „New York Times“ nennt ihn einen „Spalter“. Noch nie in der neueren amerikanischen Geschichte habe sich ein Präsident so weit von dem Grundsatz entfernt, dass der Mann an der Spitze das Land zusammenbringen sollte.
Thomas Seibert