Deutscher Meister fühlt sich nicht gefordert: Wie realistisch sind die Polen-Pläne der BR Volleys?
Die BR Volleys liebäugeln wegen der schwachen heimischen Liga mit einem Wechsel nach Polen. Doch ob die Verbände mitspielen, scheint fraglich.
- Martin Einsiedler
- Johannes Nedo
Sind die BR Volleys nun unanständig oder ambitioniert? Darüber lässt sich streiten. Fakt ist, dass der Volleyball-Bundesligist aus Berlin in der polnischen Liga angefragt hat, ob man sich ein Engagement der Volleys in der polnischen PlusLiga vorstellen könnte. Der Hintergrund: Die Liga in Polen ist stärker als die deutsche Bundesliga, in der wiederum die BR Volleys, was das Budget, die Zuschauer und die Leistung betrifft, weit über den Konkurrenten stehen. Es wäre ein Novum im deutschen Sport, wenn ein Klub sein Heil in einer ausländischen Liga suchen würde, weil er sich dort bessere Bedingungen verspricht.
Doch so weit ist es noch längst nicht. Sollten die Volleys es ernst meinen mit ihrem Wechsel, gäbe es ein paar Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Sie bräuchten das Einverständnis des europäischen Volleyballverbandes CEV. Auf Tagesspiegel-Anfrage wollte der Kontinentalverband die Planspiele der Berliner nicht kommentieren – und tat dies auf indirekte Weise aber doch. „Die CEV ermuntert stets alle Volleyball-Vertreter, ihre Ideen und Meinungen mitzuteilen, doch am Ende muss die CEV Entscheidungen treffen, von denen die gesamte europäische Volleyball-Familie profitiert – und bei denen es nicht darum geht, individuelle Interessen zu erfüllen“, verlautete das offizielle Statement.
Dass die Volleys mit ihrem Vorhaben das Wohl des europäischen Volleyballs und weniger die eigenen Interessen im Blick haben, würden die Berliner wahrscheinlich nicht einmal selbst behaupten. Doch nicht nur ein mögliches Veto des CEV könnte den grenzüberschreitenden Spielbetrieb zunichtemachen. Die Frage ist auch, ob die Polen überhaupt Interesse am Gast aus der deutschen Hauptstadt hätten. Laut Volleys-Manager Kaweh Niroomand ist das der Fall. „Die Polen waren gegenüber unserer Anfrage offen“, erzählt er am Dienstag dem Tagesspiegel. „Sie sagten sogar, dass sie sich geehrt fühlen. Das hat mich gefreut.“ Nun würden die Gespräche erst einmal weitergehen.
Niroomand hält das Vorhaben der Volleys für "sehr unwahrscheinlich"
Konkret dürfte die weitere Annäherung zwischen den Volleys und der Liga wie folgt aussehen: Die Berliner versuchen weiter, die Vorzüge einer Kooperation zu erklären, die andere Seite stellt bestimmte Anforderungen an die Volleys. Und wenn dann beim aktuellen Deutschen Meister immer noch Interesse an einer Ligazugehörigkeit in Polen besteht, trifft man sich im Herbst zu intensiveren Gesprächen. Sollten die Verbände national wie international die Vereinbarung zwischen den Volleys und der PlusLiga abnicken, könnten die Berliner frühestens in der Spielzeit 2021/22 in Polen antreten.
Niroomand selbst glaubt, dass das Vorhaben der Volleys wegen der vielen Hürden im Moment noch „sehr unwahrscheinlich“ sei. Sollte dieses Szenario aber so eintreten, dürfte der Aufschrei in der deutschen Sportlandschaft riesig sein. Die Volleys um ihren Manager Niroomand gerierten sich in der Vergangenheit stets als Zugpferde des deutschen Volleyballs, also als Klub, der nicht nur eigene Ambitionen hat, sondern die Sportart als Ganzes in Deutschland voranbringen will. Dass er nun, da viele Klubs hierzulande auch durch die Coronavirus-Pandemie bedingt in existenzielle Nöte geraten sind, der Liga die Gefolgschaft kündigen will, halten einige für unverschämt. „Ich empfinde das Verhalten der Berliner als unsolidarisch“, sagte der deutsche Ligapräsident Michael Evers vor wenigen Tagen.
[Mehr guten Sport aus lokaler Sicht finden Sie – wie auch Politik und Kultur – in unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken. Hier kostenlos zu bestellen:leute.tagesspiegel.de]
Doch gehört zur Wahrheit des deutschen Volleyballs auch, dass es Verbands- und Ligavertreter hierzulande in den vergangenen Jahren nicht schafften, eine attraktive Männer-Bundesliga zu entwickeln. Es fehlt den meisten Klubs an Zuschauern, Sponsoren, Medienpräsenz, professionellen Spielstätten und letztlich auch an guten Spielern. Ein Klub aber bildet eine Ausnahme: die BR Volleys. Niroomand, seit 45 Jahren ehrenamtlich im deutschen Volleyball aktiv, scheint so langsam die Faxen dicke zu haben. „Wir stagnieren nicht, wir schrumpfen“, sagte er nun und ergänzte, dass die Volleys auch wieder von der Max-Schmeling-Halle zurück in die kleine Sömmeringhalle gehen könnten. „Dann muss ich aber nicht mehr dabei sein.“