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Soldaten der russischen Nationalgarde («Rosgvardia») am Eröffnungstag vor dem Moskauer Luschnikistadion.
© Petter Arvidson/Bildbyran via ZUMA Press/dpa

Eröffnung der Fußball-WM: Wie ist es um die Sicherheit in Russland bestellt?

Putin, Pässe und Proteste: Russland steht zur WM vor dem größten Sicherheitseinsatz der Fußballgeschichte. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

An diesem Donnerstag wird im Moskauer Luschniki-Stadion vor 80.000 Zuschauern die 21. Fußball-Weltmeisterschaft mit dem Spiel des Gastgebers Russland gegen Saudi-Arabien eröffnet. Wie bei allen internationalen Großsportveranstaltungen rückt neben dem Geschehen auf dem Rasen auch die Frage der Sicherheit in den Fokus: von der Hooligan-Problematik über Maßnahmen zur Terrorismusabwehr bis hin zu Verhaltenstipps des Auswärtigen Amts für deutsche WM-Reisende.

Welchen Stellenwert hat das Thema Sicherheit für die Organisatoren der Weltmeisterschaft?

Russlands Präsident Wladimir Putin hat die Fußball-Weltmeisterschaft, wie schon die Olympischen Winterspiele in Sotschi 2014, zur Chefsache erklärt. Zuletzt bestimmten die angespannte außenpolitische Lage, Menschenrechtsverletzungen im Inland und das systematische Staatsdoping die Schlagzeilen über das Land. Eine erfolgreiche und sichere Weltmeisterschaft soll das Bild nun zurechtrücken. Russland will sich gegen westliche Vorurteile stellen und als modernes, stolzes und schönes Land für sich werben.

Dieses Vorhaben lässt sich die Föderation einiges kosten: Mehr als zehn Milliarden Euro investiert der Kreml nach offiziellen Angaben in die Ausrichtung der Weltmeisterschaft. Mehr als eine halbe Million ausländischer Fans werden in Russland erwartet. In der öffentlichen Wahrnehmung spielen Sicherheitsbedenken dabei aber nur eine untergeordnete Rolle: Größer als die Angst vor Fangewalt oder Terroranschlägen, ist bei Einheimischen wohl die vor dem Vorrunden-Aus der russischen Nationalmannschaft.

Sind Ausschreitungen durch Hooligans zu befürchten?

Vor zwei Jahren bei der Europameisterschaft in Frankreich hatten Bilder aus dem Hafen von Marseille international für Entsetzen gesorgt: Russische und englische Hooligans lieferten sich regelrechte Straßenschlachten, droschen mit Holzlatten und Stühlen aufeinander ein und traten auf die Köpfe des Gegenübers, als diese schon am Boden lagen. Von einer nie dagewesenen Dimension der Gewalt war damals die Rede. Etwas Ähnliches ist für die Weltmeisterschaft wohl nicht zu erwarten. Auch wenn Russlands Hooligans, mehr hochprofessionelle Kampfsportler denn grobschlächtige Schläger, als die gefährlichsten der Welt gelten.

Während des Confederations Cup im vergangenen Jahr war es ruhig geblieben. Für die Weltmeisterschaft gehen die Einschätzungen allerdings auseinander. Eine Dokumentation der BBC sorgte vor wenigen Wochen für Aufsehen, weil russische Hooligans kriegsähnliche Zustände ankündigten. Szenekenner kritisierten die Doku als reißerische Panikmache. Der Hooligan-Forscher Robert Claus hält es aber nicht für ausgeschlossen, dass sich gewaltsuchende Fans außerhalb der Stadtzentren zu Schlägereien verabreden. In den Städten selbst und rund um die Stadien wird es aber aller Voraussicht nach ruhig bleiben. Die Behörden haben sich international über Stadionverbote abgestimmt und für einige ausländische Fans auch Ausreiseverbote verhängt.

Gibt es Anhaltspunkte für eine terroristische Gefährdung?

Russland ist in der jüngeren Vergangenheit in internationale Konflikte wie in Syrien, in der Ostukraine oder auf der Krim verwickelt gewesen. Todesopfer forderte zuletzt ein Anschlag auf eine St. Petersburger Metro-Station im April 2017. Entsprechend groß ist die Vorsicht im Land. Vor allem Rückkehrer des Islamischen Staats (IS) aus Syrien und dem Irak werden als Bedrohung wahrgenommen.

Schätzungen zufolge haben sich etwa 8500 Dschihadisten aus Russland und den ehemaligen Sowjet-Republiken dem IS oder anderen islamistischen Gruppen im Nahen Osten angeschlossen. Wie viele von ihnen inzwischen unentdeckt in ihre Heimatländer zurückgekehrt sind, ist allerdings unklar.

Welche Vorkehrungen wurden getroffen?

Russland hat vor der Weltmeisterschaft noch einmal die Sicherheitsmaßnahmen rund um die Städte verschärft. Es wurden tausende Überwachungskameras zusätzlich installiert. In die Metro und auf öffentliche Plätze kommt niemand ohne Personenkontrolle. Schon vor der Weltmeisterschaft ist die Präsenz von Polizei und Militär noch einmal deutlich erhöht worden.

Moskau will nichts dem Zufall überlassen: Selbst durch das verschlafene Dorf Rybatschi auf der Kurischen Nehrung, weit im Westen und weg von aller Hektik, patroulliert von morgens bis abends eine Polizeistreife. Reisebusse werden schon mal mitten auf der Strecke angehalten, und wer als Ausländer seinen Pass nicht mit sich führt, hat ein echtes Problem. Während der Weltmeisterschaft soll es außerdem Flugverbotszonen geben. Vor Sotschi und Kaliningrad sind Medienberichten zufolge sogar Kriegsschiffe zur Gefahrenabwehr stationiert.

Wie viele Sicherheitskräfte sind während der Weltmeisterschaft im Einsatz?

Neben Polizei, Militär und Geheimdienst sind auch mehrere tausend private Sicherheitskräfte im Einsatz. Genaue Zahlen sind zwar nicht zu erfahren, für die Olympischen Spiele in Sotschi 2014 waren aber zwischen 50 000 und 70 000 Sicherheitskräfte abgestellt: Für die Fußball-Weltmeisterschaft dürfte die Zahl in die Hunderttausende gehen.

Welche Maßnahmen werden rund um die Stadien ergriffen?

Helmut Spahn, der Sicherheitsbeauftragte des Fußball-Weltverbands Fifa, sagte in einem Interview, dass es rund um die Stadien verschiedene Sicherheitszonen geben werde. In den engsten Kreis kommt man demnach nur nach ausgiebiger Personen- und Fahrzeugkontrolle – und auch nur, wenn man die entsprechende Fan-ID und ein Ticket für das Spiel vorweisen kann. Außerdem sollen die Sozialen Medien während der ganzen Weltmeisterschaft ausgewertet werden.

Um das russisch-europäische Verhältnis ist es derzeit politisch nicht gut bestellt. Was werden ausländische Fans davon bei der WM merken?

Wahrscheinlich gar nichts. Russen sind für ihre Gastfreundschaft bekannt. Anfeindungen sind nicht zu befürchten, wenn man es nicht auf die Auseinandersetzung anlegt. Schließlich will sich Russland positiv präsentieren

Opposition und Meinungsfreiheit sind kritische Themen in Russland. Wird es während der WM zu Demonstrationen kommen?

Während der Weltmeisterschaft sind Demonstrationen, weil genehmigungspflichtig und damit praktisch unzulässig, nicht zu erwarten. Im Vorfeld machten lediglich die friedlichen Studentenproteste der Lomonossow-Universität von sich reden. Dort hatte man den Studenten eine Fanmeile direkt vor die Tür gesetzt – und das mitten in der Prüfungszeit. Selbst Bittbriefe an Putin blieben ungehört.

Was sollten anreisende Fußballfans in Russland beachten?

Das Auswärtige Amt hat auf seiner Homepage einige Hinweise für WM-Reisende zusammengefasst: Ausweispflicht und die empfohlene Auslandskrankenversicherung finden sich dort ebenso wie das Verbot von Vuvuzelas in den Stadien. Von Reisen in den Nordkaukasus wird dringend abgeraten. Außerdem warnt das Auswärtige Amt vor der Lage sexueller Minderheiten: Homosexualität ist in Russland zwar nicht strafbar, doch die Akzeptanz für Lesben, Schwule und Transsexuelle ist in der russischen Bevölkerung gering. Immer wieder kommt es zu Übergriffen. Nach dem Gesetz gegen die „Propaganda für nichttraditionelle sexuelle Beziehungen gegenüber Minderjährigen“ drohen Geldbußen, bis zu 15 Tage Haft und Ausweisung aus Russland.

Welche Bestimmungen gelten für Deutsche bei der Einreise?

Normalerweise benötigen deutsche Staatsbürger ein Visum, um nach Russland zu reisen. Während der Weltmeisterschaft reicht stattdessen die sogenannte Fan-ID – sie kommt erstmals überhaupt bei einer WM zum Einsatz. Wer ein Ticket für eines der Spiele erworben hat, konnte diese vorab beantragen. Auf der ID finden sich neben einem Passfoto auch die sonst für ein Visum üblichen Kontaktinformationen wie E-Mail-Adresse und Telefonnummer. Das soll die Einreise erleichtern. Eine Reisepass wird aber weiterhin benötigt. Außerdem können mit dem Ticket Sonderzüge kostenfrei genutzt werden.

An wen können sich Fans vor Ort wenden, wenn Probleme auftreten?

Deutsche Vertretungen gibt es in den russischen Städten Moskau, St. Petersburg, Kaliningrad, Jekaterinburg und Nowosibirsk. Die Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) hat zudem mit Unterstützung des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) sogenannte Fanbotschaften an den Spielorten der deutschen Nationalmannschaft eingerichtet. Dort finden Fans rund um die Spiele Ansprechpartner zu allen wichtigen Themen: ob nun der Pass verloren gegangen ist, das Portemonnaie geklaut wurde oder es Probleme mit der Unterkunft gibt. Auch eine 24-Stunden-Hotline hat die KOS ab dem 15. Juni unter +7 9296530768 eingerichtet. Insgesamt sind die deutschen Fanprojekte während der WM mit 13 Mitarbeitern in Russland unterwegs.

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