zum Hauptinhalt
Es wird noch eine Weile dauern, bis sich Herthas Spieler wieder in trauter Runde zeigen können. Bis dahin - so die Hoffnung - sollen sie zumindest ein Jetzt-erst-recht-Gefühl entwickeln.
© imago images/Contrast

Die Quarantäne des Teams und ihre Folgen: Wie hart kann es Hertha BSC treffen?

Die nächsten drei Spiele von Hertha BSC sind abgesagt worden. Auf das Team kommt im Abstiegskampf ein Mammutprogramm zu – unter verschärften Bedingungen.

Es ist schon mal ein gutes Zeichen, dass Arne Friedrich selbst in schwierigsten Zeiten seinen Humor nicht völlig verloren hat. Vermutlich, so erzählt es der Sportdirektor von Hertha BSC am Tag nach dem schwarzen Donnerstag in einer digitalen Medienrunde, werde er jetzt als Trainer mit der kürzesten Laufbahn in die Geschichte der Fußball-Bundesliga eingehen. Seine Amtszeit – vom Bekanntwerden der Coronainfektion bei Pal Dardai bis zur Verhängung einer 14-tägigen Quarantäne für das gesamte Team – dauerte gerade mal einen halben Tag und bestand aus einer einzigen Trainingseinheit.

Friedrich hat diese Einheit dazu genutzt, eine flammende Rede an das Team zu halten. Er hat die Spieler auf die Chance hingewiesen, es nun allen zu zeigen. Zu zeigen, dass die Mannschaft es in den drei Spielen ohne Cheftrainer Dardai und seine Assistenten im Zweifel auch alleine hinbekommt. Und wenn ihr unter diesen misslichen Bedingungen der Verbleib in der Fußball-Bundesliga gelinge, dann habe sich die Mannschaft ein Denkmal verdient.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können]

„Was ist die Steigerung zu einem Denkmal?“, fragt Arne Friedrich am Tag danach.

Als er am Donnerstag vor der Mannschaft stand, war die Situation hart. Seitdem ist sie noch ein bisschen härter geworden, weil erst im Anschluss an das Training bekannt wurde, dass sich nach Dardai, seinem Co-Trainer Admir Hamzagic und Offensivspieler Dodi Lukebakio mit Marvin Plattenhardt noch ein vierter Herthaner mit dem Coronavirus infiziert hatte. Die Auswirkungen für die Mannschaft und den Verein sind dramatisch: Mitten in der entscheidenden Saisonphase muss Herthas komplettes Team in Quarantäne. Es kann zwei Wochen lang nur eingeschränkt trainieren – und muss anschließend ohne größere Vorbereitung ein Mammutprogramm absolvieren.

Die Haltung aber, die der Klub dazu einnimmt, ist die gleiche, die auch Arne Friedrich in seiner Ansprache an das Team vorgegeben hat. „Es geht für uns um sehr viel“, sagt Carsten Schmidt, der Vorstandsvorsitzende des Vereins. Aber: „Wir hadern nicht mit der Situation. Wir nehmen die Situation an.“

Rune Jarstein musste wegen Corona sogar ins Krankenhaus

Die derzeit positivste Nachricht ist, dass alle vier Infizierten keine gravierenden Symptome haben. Hamzagic hat leichtes Fieber. Dardai und Lukebakio klagen über Gliederschmerzen und ein Gefühl der Schlappheit.

Aber so ähnlich klang es auch vor knapp zwei Wochen, als Hertha die Covid-Erkrankung von Torhüter Rune Jarstein bekannt gab. Der Norweger hatte sich wohl bei seiner Nationalmannschaft infiziert, war nach seiner Rückkehr nach Berlin zunächst negativ getestet worden und bekam dann zwei Nächte später Fieber und Schüttelfrost. Die Beschwerden waren so stark, dass der 36-Jährige sogar ins Krankenhaus musste. Inzwischen befindet sich Jarstein laut Arne Friedrich auf dem Weg der Besserung, aber dass er in dieser Saison noch einmal zum Einsatz kommen kann, hält Herthas Sportdirektor aktuell für ausgeschlossen.

„Die Zahlen steigen, das Risiko wird größer. Wir sind keine Ausnahme“, sagt Vorstandschef Schmidt. Für Hertha, den Tabellenfünfzehnten der Bundesliga, geht es nun darum, mit dieser Situation adäquat umzugehen. Oder anders ausgedrückt: ein sportliches Desaster zu verhindern. „Das ist das Schicksal, das wir jetzt hinnehmen müssen“, sagt Friedrich.

„Die Motivation ist maximal“, sagt Herthas CEO Schmidt

Die Spieler haben bereits Fitnessfahrräder nach Hause geliefert bekommen, Laufbänder und Trainingspläne sollen folgen. Es sind gemeinsame Einheiten für das gesamte Team per Videoschalte geplant, auch damit das Mannschaftsgefühl nicht komplett verloren geht. „Die Motivation ist maximal“, sagt Schmidt. „Ich spüre einen Spirit: Jetzt erst recht.“

Den wird die Mannschaft auch brauchen, wenn sie wieder in den Spielbetrieb einsteigt. Denn körperlich wird sie im Vergleich zur Konkurrenz deutlich im Nachteil sein. Laufen und Fahrradfahren in den eigenen vier Wänden werden das wettkampfnahe Training nicht komplett ersetzen. Arne Friedrich weiß, „dass wir Fitness verlieren werden“, dass die Belastung der Muskeln in den Spielen dann eine andere sein wird und trotzdem wenig Zeit zur Regeneration bleibt. „Für uns ist es ein Experiment“, sagt Herthas Sportdirektor. „Deshalb ist es wichtig, mental fit zu sein.“

Der Zweitligist Holstein Kiel, aktuell ebenfalls in Quarantäne, hat am Freitag erfahren, wie es für ihn weitergeht: In den 17 Tagen vom 24. April bis zum 10. Mai muss die Mannschaft sechs Spiele bestreiten. Auf Hertha kommt ab dem 30. April eine ähnliche Belastung zu. Die drei Spiele, die in die Zeit der Quarantäne fallen (Mainz, Freiburg, Schalke), sind am Freitag von der Deutschen Fußball-Liga (DFL) offiziell abgesagt worden.

Die Termine sollen nächste Woche kommen

Hertha befindet sich im Austausch mit dem Verband, hat bereits einen ersten Vorschlag zur Neuterminierung der Begegnungen von der DFL erhalten und will nun ebenfalls einen Vorschlag erarbeiten. In der kommenden Woche, so die DFL, sollen die Termine für die Nachholspiele bekannt gegeben werden. „Es wird keinen perfekten Spielplan für uns geben“, sagt Arne Friedrich.

Das liegt vor allem daran, dass für die Planer kaum Verfügungsmasse mehr vorhanden ist. Die Saison soll am 22. Mai enden – und muss es wegen der anstehenden Europameisterschaft wohl auch. Vorher müssen noch die Relegationsspiele zwischen Erster und Zweiter sowie zwischen Zweiter und Dritter Liga ausgetragen werden.

Knackpunkt in den Verhandlungen zwischen Hertha und der DFL könnte die Frage sein, ob eines der Nachholspiele zwischen dem 33. und dem 34. Spieltag ausgetragen werden darf. Traditionell werden an den letzten beiden Spieltagen alle Begegnungen zur selben Zeit angepfiffen, um eine Wettbewerbsverzerrung zu verhindern. Für die beiden Pokalfinalisten wird in diesem Jahr allerdings schon eine Ausnahme gemacht. Warum also nicht auch für Hertha?

All das wirft natürlich die Frage auf: Was passiert eigentlich, wenn es in den nächsten Tagen oder Wochen noch andere Bundesligaklubs erwischt? In der Zweiten und Dritten Liga haben sich zuletzt die Fälle gehäuft. Am Freitag wurde bekannt, dass Dynamo Dresden, der Spitzenreiter der Dritten Liga, wegen eines Coronafalls ebenfalls mit dem kompletten Team in Quarantäne muss. Carsten Schmidt sagt mit Blick auf diese Entwicklung: „Ich mache mir schon Gedanken, dass wir in eine Situation kommen, die wir schwer beherrschen.“

Zur Startseite