zum Hauptinhalt
Deniz Aytekin versucht einen aufgebrachten Marco Verratrti (PSG) zu beruhigen.
© Reuters/Sergio Perez Livepic

Champions League: Wie Deniz Aytekin Barcelonas Comeback ermöglichte

Einen Tag nach der spektakulären Aufholjagd von Barcelona herrscht Unglaube einerseits und Ärger andererseits. Letzterer hängt mit Schiedsrichter Aytekin zusammen.

Kurz nach Mitternacht sah Luis Enrique wirklich fertig aus. Sein Gesicht lag in Falten und seine Stimme war zu einem heiseren Krächzen mutiert. Immer wieder musste er mit einem Schluck Wasser nachhelfen, um noch etwas raus zu bekommen. „Das ist eine Nacht, die schwer mit Worten zu erklären ist. Eine Nacht, die kein Kind je vergessen wird“, sagte der Trainer des FC Barcelona nach dem historischen 6:1 gegen Paris St. Germain.

Kein Kind und kein Erwachsener. Als Sergi Roberto in der fünften Minute der Nachspielzeit das entscheidende Tor schoss, lag sich das Camp Nou und vermutlich ganz Barcelona in den Armen. Bis tief in die Nacht hinein feierten die Menschen in den Bars, die einfach länger aufblieben als gewöhnlich. Kaum einer wollte nach Hause. Was sie gesehen hatten, war nicht weniger als die größte Aufholjagd in der Geschichte der Champions League. In Paris 0:4 verloren, daheim 6:1 gewonnen. „Ich kann es immer noch nicht glauben“, sagte Andres Iniesta und schüttelte immer wieder den Kopf.

Iniesta war während seiner Karriere an dem ein oder anderen ungewöhnlichen Fußballspiel beteiligt, sein spätes Tor an der Stamford Bridge 2009 gilt als Kulturgut der Klubhistorie, aber diese verrückte Nacht im März ließ auch ihn ungläubig zurück. Bis zur 88. Minute hatte Paris ein 1:3 halten können, das reichte allemal zum Weiterkommen. Dann kassierte die Mannschaft von Unai Emery unerklärliche drei Gegentor in sieben Minuten, was in seiner Gesamtheit noch dramatischer war als die drei Minuten im Finale von 1999, als Bayern München die Champions League an Manchester United verlor. Am Ende eines außergewöhnlichen Abends stand das Gewöhnliche. Barcelona erreichte das Viertelfinale der Champions League – zum zehnten Mal in Folge.

"Das war auch eine Frage der Erfahrung"

Paris dagegen verpasste die Runde der letzten acht zum vierten Mal in fünf Jahren. Bayern und Real Madrid hatten sich schon am Dienstag qualifiziert, Barcelona zog nun nach. Vermutlich werden am Ende sechs der acht Mannschaften unter den Viertelfinalisten sein, die auch vergangene Saison mindestens so weit kamen. Im entscheidenden Moment gelingt es den europäischen Granden mit beängstigender Präzision, Höchstleistungen abzurufen. Zu groß ist der sportliche Vorsprung, selbst gegenüber so ambitionierten Projekten wie Paris St. Germain. „Das war auch eine Frage der Erfahrung, in diesem Punkt waren wir Barcelona klar unterlegen“, sagte der Pariser Trainer Unai Emery.

Die gigantische Kulisse von knapp 100 000 Zuschauern hatte seine zum Teil jungen Spieler beeindruckt, obwohl die Spiele auf diesem Niveau eigentlich gewohnt sind. Emery vermied es, sich allzu ausführlich über die Leistung des deutschen Schiedsrichters Deniz Aytekin auszulassen. Die zwei Elfmeter seien zumindest fragwürdig gewesen, sagte er. Aytekin hatte in der hektischen Schlussphase große Mühe, den Überblick zu behalten. Das vermeintliche Foul von Marquinos an Luis Suarez, das dem Elfmeter durch Neymar vorausging, war keines. Auch der erste Pfiff, der zum 3:0 führte, war diskussionswürdig. Wie so oft hatte der Favorit im entscheidenden Moment auch Glück auf seiner Seite.

Spanische Medien, die dem FC Barcelona weniger gewogen sind, fragten, wie denn die lange Nachspielzeit von fünf Minuten zustande kam. So mancher deutsche Zuschauer durfte sich an das Spiel von Hertha BSC gegen den FC Bayern erinnert gefühlt haben, als die Münchner in der 96. Minute den Ausgleich erzielten. „Vor allem war es ein Sieg des Glaubens“, sagte Luis Enrique. Das mag stimmen. Glauben und Entschlossenheit aufseiten Barcelonas spielten eine große Rolle, Glück und Schiedsrichter Aytekin aber auch.

Zur Startseite