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Marc Kosicke (rechts, mit Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff) kennt die Wichtigen und Mächtigen im deutschen Fußball - und ist damit selbst wichtig und mächtig.
© imago images/Martin Hoffmann

Wie Hertha BSC von Marc Kosicke profitieren kann: Wertvoller als Jens Lehmann

Marc Kosicke hält sich am liebsten im Hintergrund auf, trotzdem ist der neue Aufsichtsrat von Hertha BSC eine mächtige Figur im deutschen Fußball.

Wenn man es positiv ausdrücken will, ist Lars Windhorst am Sonntag mal wieder ein überraschender Move gelungen. Mit Jens Lehmann als Aufsichtsrat von Hertha BSC hätten wohl die wenigsten gerechnet. Gut, die Reaktionen in den sogenannten sozialen Medien sind ob dieser Nachricht nicht gerade euphorisch ausgefallen. Aber in vielen Fällen wurde die ablehnende Haltung gegen den früheren Nationaltorhüter Lehmann zumindest mit der Fußnote versehen, dass die Personalie Marc Kosicke ja durchaus interessant sei.

Vier Plätze stehen Investor Windhorst und seiner Tennor Holding im neunköpfigen Aufsichtsrat der Hertha BSC GmbH & Co. KgaA zu. Zwei davon hat er nun besetzt, nachdem der Versuch mit Jürgen Klinsmann nicht funktioniert hat. Neben Lehmann hat Windhorst auch Kosicke, den Gründer und Geschäftsführer der Beratungsagentur Projekt b, in das Gremium berufen. Lehmann mag dank seiner Erfolge als Fußballer den größeren Namen haben – den größeren Mehrwert für Hertha verspricht hingegen Kosicke.

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„Ich kann dem Herrn Windhorst nur gratulieren“, sagt Michael Frontzeck, der in der Fußball-Bundesliga unter anderem Arminia Bielefeld und Borussia Mönchengladbach trainiert hat. „Mit Marc hat Hertha sehr viel Potenz gewonnen. Er ist jemand, der über den Tellerrand hinausschaut und vor allem seriös arbeitet.“

Frontzeck ist ein bisschen befangen, weil er selbst von Kosicke beraten wird, weil beide sich seit einem Jahrzehnt kennen und längst „gut befreundet“ sind. 2007 hat sich Kosicke mit Projekt b selbstständig gemacht, einer Agentur, die damals ausschließlich Trainer beraten hat. „Er hat was Außergewöhnliches auf die Beine gestellt“, sagt Frontzeck.

Am Anfang war Jürgen Klopp

Angefangen hat alles mit Jürgen Klopp, den Kosicke in seiner Zeit als Manager beim Sportartikelhersteller Nike als Markenbotschafter betreut hat. Inzwischen zählen auch andere Hochkaräter wie Julian Nagelsmann (Leipzig) und Florian Kohfeldt (Bremen) zu seinen Klienten, genauso Heimir Hallgrimsson, der Nationaltrainer der isländischen Nationalmannschaft. Bruno Labbadia, Herthas aktueller Coach, hat sich ebenfalls schon von Projekt b beraten lassen.

„Fußball ist unsere Passion, Leadership unser Anspruch, Vertrauen unsere Basis und persönliche Beratung unser Credo.“ So steht es auf der Homepage des Unternehmens. Einmal im Jahr, meistens kurz vor Weihnachten, treffen sich alle Trainer, die bei Kosicke unter Vertrag stehen, zum gemeinsamen Kicken und Essen. „Das ist eine sehr homogene und nette Truppe“, erzählt Frontzeck. „Ich finde, das sagt eine Menge aus.“

Das Netzwerk, das Kosicke schon durch seine Tätigkeit für Adidas und Nike hatte, ist seit Gründung von Projekt b noch deutlich erweitert worden. Oliver Bierhoff, Manager der Nationalmannschaft, hat die Agentur 2007 mitgegründet. Zu den Rednern, die Kosicke für Vorträge vermittelt, zählen Leute wie Hans-Joachim Watzke, Sebastian Kehl, Jörg Schmadtke und Marco Bode. Mats Hummels ist ebenfalls Klient von Projekt b, auch Sven Voss, der Moderator des ZDF-Sportstudios. „Er hat ein sehr großes und sehr gutes Netzwerk“, sagt Michael Frontzeck.

Davon hofft künftig auch Hertha BSC zu profitieren – wie umgekehrt Kosicke von Hertha profitieren könnte. „Smarter Move von Marc Kosicke“, twitterte Spielerberater Jörg Neblung am Montagmorgen. „Aus dem Aufsichtsrat heraus kann ich einem Verein natürlich noch viel effektiver Trainer oder Trainingslager vermitteln.“ Kosicke ist nicht nur Berater, sondern auch Teilhaber von Onside Sports, einem Unternehmen, das Trainingslager und Freundschaftsspiele organisiert. Hertha BSC gehört bisher nicht zu dessen Kunden.

Spielerberater beklagt Interessenkonflikt

„Marc ist ein guter Mann und ein integerer Typ“, sagt Neblung. Trotzdem hält er die Konstellation mit dem Sitz in Herthas Aufsichtsrat für skurril: „Natürlich sehe ich das kritisch, weil da ein Interessenkonflikt existiert.“ Bei Hertha hat es bereits vor vier Jahren einen vergleichbaren Fall gegeben: 2016 kandidierte der Spielerberater Jörg Neubauer – am Ende vergeblich – für das Präsidiums des Vereins. Als Berater und Vermittler noch eine Lizenz des Deutschen Fußball-Bundes zur Ausübung ihrer Tätigkeit benötigten, war es ihnen explizit untersagt, eine offizielle Funktion in einem Verein auszuüben.

Leute, die beruflich mit ihm zu tun hatten, schildern den 49 Jahre alten Kosicke als sehr intelligent. Dazu zählt auch seine bisherige Linie, sich weitgehend von der großen, grell ausgeleuchteten Bühne fernzuhalten. Einen Eintrag bei Wikipedia findet man zu ihm nicht. Und als Kosicke, gebürtiger Bremer und Werder-Fan seit seiner Kindheit, 2012 das Angebot hatte, Nachfolger von Klaus Allofs als Sportdirektor seines Lieblingsklubs zu werden, lehnte er das unter anderem mit der Begründung ab: „Ich wollte nicht jeden Tag gesehen und bewertet werden.“

Aber auch so zählt Kosicke zu den wichtigsten Playern im Fußballbusiness. Er berät nicht nur Spieler und Trainer, sondern auch ganze Vereine. Für die Bayern, so hat er einmal erzählt, hat er die Mia-san-mia-Philosophie entwickelt, und von der TSG Hoffenheim wurde Projekt b 2013 als Unternehmensberatung angeheuert, die den gesamten Klub und seine Strukturen durchleuchten sollten. Kosicke selbst hielt sich auch bei diesem Projekt weitgehend im Hintergrund und führte nur wenige Gespräche. Den größten Teil der Arbeit übernahmen Christian Frommert und Peter Rettig. Frommert wurde später Mediendirektor bei der TSG, Rettig sogar Geschäftsführer.

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